Neue Sissi-Filmprojekte: Die filmreife Kaiserin

Ohne "Sissi" gibt es kein Weihnachten: Vor genau 65 Jahren kam der Film in die Kinos. Doch auch die aktuelle Filmemachergeneration bastelt an neuen Sichtweisen auf die schillernde Figur der Kaiserin Elisabeth
von  Adrian Prechtel
Romy Schneider und Karlheinz Böhm als Kaiserpaar in "Sissi - Die junge Kaiserin".
Romy Schneider und Karlheinz Böhm als Kaiserpaar in "Sissi - Die junge Kaiserin". © ARD/dpa

Bei dieser Frau kommt alles zusammen: geboren mit silbernem Löffel im Mund, trotzdem recht familiär aufgewachsen in einer Bilderbuchlandschaft. Dann die Heirat ganz nach oben und die Folgen: unglückliche Ehe, Freiheitsdrang, Magersucht, Emanzipation, Freigeist, Weltreisen, tagischer Tod. Aus dem Leben der Wittelsbacherin und Kaiserin Elisabeth lässt sich viel Erzählstoff gewinnen. So verwundert es nicht, dass es im Moment eine große Welle an "Sissi"-Filmprojekten gibt.

Eine neue US-Serie für den internationalen Streamingmarkt stützt sich auf zwei historische Romane der US-Autorin Allison Pataki: "The Accidental Empress" und "Sisi: Empress On Her Own", die Elisabeth von Österreich-Ungarn als starke junge Frau in einer von Männern dominierten Welt zeigt, was dem heutigen, emanzipierten Zeitgeist entgegenkommt.

RTL und Netflix kündigen Sissi-Serien an

Eine neue "Sisi"-TV-Serie soll in sechs Episoden von je 45 Minuten die "Legende vom verstaubten und starren Image" befreien, wie die Produzenten aus dem Hause RTL Deutschland und Beta Film es beschreiben. Aber auch Netflix arbeitet in Deutschland an einer sechsteilige Serie "The Empress". Fehlt noch das große Kino. Aber auch hier ist ein Werk in Produktion mit Susanne Wolff als Kaiserin. "Sisi und ich" erzählt aus der Perspektive von Hofdame Irma. Die Kaiserin ist dabei eine Frau, "die sich jahrelang ohne ihren Mann, nur von Frauen umgeben, auf Reisen durch ganz Europa wagt, sechs Sprachen beherrscht, Hochleistungssport treibt und mit ihrem freien Geist ganz und gar nicht in das enge Korsett des Wiener Hofes passt", erklärt Regisseurin Frauke Finsterwalder.

Ob all diese Projekte den "Sisi"-Boom auslösen können, den Romy Schneider und Karlheinz Böhm als Kaiserpaar in den "Sissi"-Filmen der 50er entfachten?

Erst zehn Jahre waren seit Kriegsende und Holocaust vergangen, die Zeiten trotz Wirtschaftswunders noch hart. Die Massen suchten auf der Leinwand jene angeblich heile Welt von früher, die in zwei Weltkriegen zerstört worden war. Vor 65 Jahren - am 21. Dezember 1955 - hatte in Wien der Spielfilm "Sissi" über die österreichische Kaiserin Elisabeth Premiere. Einen Tag später kam er in Westdeutschland ins Kino. Über sechs Millionen Zuschauer wollen den Film aus der guten alten Zeit damals sehen.

"Sissi" heißt eigentlich "Sisi"

Ein melodramatischer Dialog zwischen dem Kaiser und seiner gut sieben Jahre jüngeren Cousine, der späteren Kaiserin Sisi - wie sie mit nur einem "s" historisch richtig geschrieben wird - ist der Höhepunkt des Films: "Mama wollte doch, ich soll mich mit einer Tochter von Tante Ludovika verloben. Ich habe noch nie meiner Mutter einen Wunsch so gern erfüllt wie diesen", sagt da der Kaiser: "Willst du meine Frau werden?", "Nein, nie", sagt Sissi. "Und warum nicht?", "Weil ich Nenes Glück nicht im Weg stehen will und weil ich ihr nie den Mann stehlen werde."

Dieses wohl erfundene Dilemma der erst 15-jährigen Herzogin Elisabeth Amalie Eugenie von Bayern steht im Mittelpunkt. "Sissi" beginnt 1853 in Possenhofen am Starnberger See. Herzog Max von Bayern lebt mit seiner Frau Ludovika und den Kindern, darunter die Töchter Helene (Nene) und Elisabeth, ein beschauliches Leben. Seine Schwägerin ist die Mutter des österreichischen Kaisers und die möchte Franz Joseph mit Helene verheiraten.

Zur Verlobung Franz-Josephs mit Nene lädt sie auch Ludovika und deren zweitälteste Tochter Elisabeth nach Bad Ischl ein. Die burschikose Sissi lernt bei einem Reißaus zufällig den jungen Kaiser kennen. Der junge Monarch ist hingerissen von der natürlichen Elisabeth und verkündet später beim Empfang zum Entsetzen seiner Mutter die Verlobung mit Sissi - statt mit Nene. Über die Donau reist Sissi in ihre neue Heimat Österreich.

Den komödiantischen Part übernehmen Erich Nikowitz und Josef Meinrad. Nikowitz als Franz Josephs Vater Erzherzog Franz Karl, der vorgibt, schwerhörig zu sein, und Meinrad als tollpatschiger Major Böckl, der den Kaiser in Ischl beschützen soll und Sissi für eine Attentäterin hält. Was wiederum sarkastisch ist, denn Kaiserin Elisabeth wurde 1898 in Genf von einem italienischen Anarchisten erstochen.

Romy Schneider verkörperte das saubere, liebenswürdige Mädel "Sissi"

Für Romy Schneider - in den Bavaria Filmstudios sexistisch als "Jungfrau vom Geiselgasteig" bezeichnet - wird "Sissi", eine Rolle, die "wie Grießbrei" an ihr klebt, wie sie es später bescheibt. Regisseur Ernst Marischka (1893 - 1963) aber hatte das Talent der jungen Schneider erkannt und ihre natürliche Unbefangenheit und ihr naives Strahlen genutzt. So prägte er den Mythos vom sauberen, liebenswürdigen, ehrlichen Mädel wie aus einem Poesiealbum. Die 17-Jährige fühlt sich im Rausch des schnellen und frühen Ruhms als hätte sie "einen Schwips": "Ich weiß auch nicht, ob ich nun glücklich oder traurig sein soll", schreibt sie verwirrt in ihr Tagebuch: "Eigentlich ist es ein hässlicher Beruf - Filmschauspielerin. Schauspielern! Man muss mitleben, wenn man es gut machen will, aber man soll trotzdem einen klaren Kopf behalten. Ich weiß, dass ich in dieser Schauspielerei aufgehen kann. Es ist wie Gift, das man schluckt und an das man sich gewöhnt und das man doch verwünscht."

Aber diese deutsch-österreichische, historisch unkorrekte Geschichte über Liebe, Krankheit und Erfolg der Kaiserin Elisabeth wird ein überwältigender Erfolg mit Premieren in ganz Europa. Der handwerklich perfekte Heile-Welt-Film spielt mit mit allen Sentiments, Musik, Berglandschaften, Tieren. Später schreibt Romy Schneider: "Das war bestimmt richtig damals. Aber dann wollte ich halt eines Tages nicht mehr die Prinzessin sein."

Zwei Fortsetzungsfilme gab es: 1956 "Sissi - Die junge Kaiserin" und 1957 "Sissi - Schicksalsjahre einer Kaiserin" - mit dann insgesamt weit über 20 Millionen Kinobesuchern.

Einen vierten Film lehnte Romy Schneider ab: Das "brave Mädel" sagte zum ersten Mal "nein" zu ihrem Manager-"Daddy" Hans Herbert Blatzheim, zur Mutter und vor allem zur unfassbar großen Summe von einer Million Mark Gage. Blatzheim, der sich in Wirtschaftswunderjahr-Protzerei "größter deutscher Gastronom" nennt und sich als Ehemann von Romys Mutter, Magda, bisher um Romys Finanzen, Verträge und Image gekümmert hatte, begreift die Welt nicht mehr. "Das beste ist, wenn ich einfach verschwinde", erklärt sie ihm: "Auf eine Insel! Und immer nur zum Drehen komme. Dann kann mir nichts passieren. Dann weiß ich nichts von ,Marktwert' und sonstigen Begriffen, die verdächtig nach Viehmarkt riechen", schreibt sie ihm. 1972 trat sie trotzdem noch einmal als realistischere Sisi in der kunstvoll sperrigen Verfilmung "Ludwig II." von Luchino Visconti auf - an der Seite von Helmut Berger als männerliebendem Märchenkönig.


Weihnachten in der ARD: "Sissi" am 25. Dezember, 14.55 Uhr, gefolgt von "Sissi - Die junge Kaiserin" um 16.40 Uhr. Am 26. Dezember, 16.45 Uhr, ist dann "Sissi - Schicksalsjahre einer Kaiserin" zu sehen

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