Münchner Pfarrer Schießler wird Serienheld: In den Folgen von Franz Xaver Bogner geht's auch um eine Liebesgeschichte

Rainer Maria Schießler gilt als einer der beliebtesten Geistlichen der Stadt und macht regelmäßig mit medienwirksamen Auftritten von sich reden, wenn er markige Predigten hält, homosexuelle Paare (und Haustiere) segnet und als Kellner auf der Wiesn arbeitet, um Erlöse für wohltätige Zwecke zu spenden. Franz Xaver Bogner hat den Pfarrer nun zum Serienhelden gemacht.
AZ: Herr Bogner, in dieser Serie geht es nicht nur um die Probleme der katholischen Kirche – wie Zölibat und Rolle der Frauen, Missbrauch – sondern auch um viele andere gesellschaftliche Fragen wie Klimawandel, Umgang mit Muslimen, Generationenprobleme, Sterbehilfe. Ist das nicht arg viel Stoff?
FRANZ XAVER BOGNER: Stimmt. Aber ich habe nur mitgemacht, weil ich die Zusage hatte: Es wird eine Unterhaltungsserie. Wenn's im Zentrum um die katholische Kirche geht, muss man auch vieles ansprechen. Und Brisanz ist ja auch ein guter Unterhaltungswert.
Kult-Regisseur Franz Xaver Bogner: "Ich sage klar, wie kritisch es um die Kirche bestellt ist"
Grundlage ist das Buch von Pfarrer Rainer Maria Schießler "Himmel Herrgott Sakrament" – ein Sachbuch und kein Unterhaltungsroman?
Deshalb gab es ja auch zwei Jahre harte Drehbucharbeit. Das Entscheidende war, dass die fiktive, nur an Herrn Schießler angelehnte Figur, nah am Menschen ist, charismatisch und sich daher als Serienfigur gut eignet.

Jeder Teil hat einen anderen Charakter: Der zweite zum Beispiel ist eher ein Krimi.
Bis hin zu einem Roadmovie, weil sich der Pfarrer von seinem Kardinal nicht zu etwas zwingen lässt und zum Ergebnis kommt: Ich bin auch schon Taxi gefahren, um Geld zu verdienen, das kann ich auch wieder machen – das Taxi als rollender Beichtstuhl sozusagen. Und es ist wunderbar, wie er da eine Nacht durch München fährt.
Das ist der sechste und letzte Teil der Serie – mit einem Ausblick darauf, wie es weitergehen könnte.
Der liegt mir besonders am Herzen: als Melodram.
Wie halten Sie es mit der Gretchenfrage: Glaubst Du denn an Gott?
Nach außen hin halte ich es wie mit dem Wahlrecht: Ich sage klar, welche Meinung ich habe und wie kritisch es um die Kirche bestellt ist. Zwar bin ich durch den Katholizismus geprägt und gebildet worden, katholisch aufgewachsen, aber ich habe sehr lange Zeit ohne diese Kirche leben können. Und was die Frage nach Gott anbelangt, gilt das Wahlgeheimnis.
BR-Serie über Münchner Pfarrer Rainer Maria Schießler: "Er ist ein ganz großer Kümmerer"
Aber viele suchen eine Gemeinschaft und bleiben doch in der Kirche.
Das Wichtige an der Figur des Pfarrers Schießler ist daher ja auch, dass er mit seiner Offenheit wieder eine katholische Gemeinschaft schaffen konnte, wo doch sonst die Gemeinden austrocknen. Er hat ein volles Haus. Er ist ein ganz großer Kümmerer. Und dass er Lärm macht für seine Sache, ist legitim.
Aber Eitelkeit ist eine Todsünde.
Das mit den Sünden habe ich schon als Ministrant nicht begriffen. Und ich glaube, unser Leben hat sich so entwickelt, dass man mit Eitelkeit gut leben kann.
Ich denke, dass die katholische Kirche froh sein kann, dass sie so einen Abweichler wie Herrn Schießler duldet, weil sonst noch mehr austreten würden.
Genau das habe ich auch beim Dreh gemerkt, weil ich dachte, dass es da doch auch unterschwellige Ablehnung geben würde vom Ordinariat. Aber dem war nicht so.
"Völlig ohne Kitsch, stilsicher und unsentimental": Der Pfarrer und die Liebesgeschichte
Es geht ja auch um eine Liebesgeschichte.
Aber wir wollten das Gegenteil von "Dornenvögel", und wie das die Anne Schäfer als Alleinerziehende in der Konfrontation mit Stephan Zinner völlig ohne Kitsch, stilsicher und unsentimental, aber berührend angeht, ist meisterhaft.

Aber Ihre Serie ist kein Biopic oder keine Folge der "Lebenslinien".
Nein, und das Angenehme war, dass nicht ich eine Serien-Idee beim BR platzieren musste, sondern dass umgekehrt der Sender auf mich zukam mit dem Wunsch: Wir wollen eine neue bayerische, Münchner Serie.
Was ist an München noch münchnerisch?
Es gibt bei so einer Serie sicher ein starkes, nostalgisches Bedürfnis des Publikums. Aber ich bin mit meinem Kollegen Dietl, als er noch lebte, immer der Meinung gewesen, dass man den "Monaco Franze" so nicht mehr machen könnte, weil es die Stadt und die Milieus so nicht mehr gibt. Es gibt auch keinen Richter Hallhuber aus "Cafe Meineid" mehr. "München 7" ist da weniger zeitgeistlastig: kauzige Polizisten, die alles auf der Straße ausdealen wollen und möglichst wenig Schreibkram haben wollen, das ist universeller.
Die Gentrifizierung verwüstet auch München: "Das ist die Katastrophe"
Was müsste man also heute machen?
Genau hinschauen, was in solchen Milieus wie am Glockenbach abläuft. Irgendwie ist das auch wieder wie ein Dorf, mit ganz klaren Regeln, Codes, gegen die man verstoßen kann. Und was dann vielleicht doch wieder das Münchnerische ist: Es ist ein verlangsamtes Lebensgefühl…
…mit Latte Macchiato …
Und Radlfahren und Hinterhofgrün. Aber das müsste man frech modern anpacken. Als ich "Zur Freiheit" im Schlachthofviertel und bei der Großmarkthalle gemacht habe, ist mir immer noch aufgefallen, dass das wie ein Dorf funktioniert.
Aber die so genannte Gentrifizierung hat doch auch hier viel verwüstet.
Ja, das ist die Katastrophe. Und da wäre ein schönes Thema, wie sich junge Leute, die sich das alles nicht mehr leisten können, anarchisch wehren. Das bewegt mich.
In "Himmel, Herrgott, Sakrament" bildet sich eine Teenie-Minigruppe à la "Last Generation", wo der eine beim Protest sagt, als die Frage aufkommt, wie legal das alles ist: "Der Rudi Dutschke hat ja auch die Demo nicht angemeldet."
Ja, das ist die 68er-Anspielung. Das liebe ich: Zivilcourage und Veränderungswillen und Alltagsanarchie, dass man sich nicht alles gefallen lässt. Und sich wegducken und sagen, das geht schon wieder vorbei, ist eben keine Option, weil sowas wie der Klimawandel eben nicht einfach wieder verschwindet. Und so eine junge Generation hat Potenzial.
Pfarrer-Schießler-Serie im Bayerischen Rundfunk: "Das Anarchische geht einfach nicht mehr"
Ist nicht Berlin rebellischer?
Kann sein, aber ich erinnere mich, als ich an der Filmhochschule war, waren die Münchner die Sensibilisten und die Berliner Hardcore-Kommunisten. Vielleicht hat das was mit der Sonne zu tun. Ich habe etwas von einer Serie mit drei Müllmännern mitbekommen, die durch Berlin geiern. Das passt zu München weniger.
Welche Rolle spielt die Musik von Herbert Pixner?
Interessanterweise kann er – bei allem Alpenländischen – doch etwas Distanz schaffen zum rein Bayerischen: mit anderer Rhythmik, Melodik. Ursprünglich wollte ich, dass er mit seiner Band aufs Bild seine Musik schafft und einspielt. Aber das war zu kompliziert, weil dafür alle immer gleichzeitig Zeit hätten haben müssen. Er hat dann doch das Material zugeschickt bekommen und komponiert – aber ich habe ihn entschleunigt. Vieles ist so weicher geworden.

Und was nehmen Sie aus dieser Serie mit?
Ich habe einige Szenen elektronisch gedreht im Hyperbowl in Landsberg, wo man mit LED-Wänden alles simulieren kann. Ich bin eigentlich ein Freund von: Kamera ins Auto und los! Aber das Anarchische geht einfach nicht mehr, zu viele Genehmigungsverfahren und zu viel Kontrolle. Und da war der Studiodreh ganz lehrreich und erfolgreich.
BR Fernsehen, ab 27.10. jeweils freitags, 20.15 Uhr, und komplett in der Mediathek.