München-Tatort "Hardcore": Frederic Linkemann im Interview
München - AZ-Interview mit Frederic Linkemann. Der 1981 in Oberstdorf geborene Schauspieler debütierte 2009 in einem "Kluftinger"-Krimi vor der Kamera und ist seit 2014 in der "Dreigroschenoper" auf der Bühne des Volkstheaters zu sehen. Am Sonntag spielt er im Münchner Tatort.
AZ: Herr Linkemann, erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Wiesnbesuch?
FREDERIC LINKEMANN: Sehr genau, ich war an meinem siebten Geburtstag mit meinem Vater und meinem Bruder hier. Später kamen natürlich die Besuche mit Kumpels aus dem Allgäu. Und dann habe ich ja in München studiert und war regelmäßig hier. Ich habe auch eine bleibende Wiesn-Erinnerung in Form einer Narbe, die ich mir bei einem Unfall zugezogen habe. Da bin ich in der Fischer Vroni beim Tanzen von der Bank nach vorne gekippt und habe mir durch einen abgebrochenen Bierhenkel einen Schnitt im Oberschenkel geholt. Ich habe das gar nicht gemerkt und weitergetanzt, bis ein Kumpel mir sagte, dass ich stark blute. Die Sanitäter haben mich dann in diesen gelben Wagen gesteckt, mit dem die Bierleichen transportiert werden, und ich habe gesagt: Das könnt ihr nicht machen! So wurde ich sitzend zur Wiesn-klinik gefahren und genäht – ohne Betäubung.
Respekt. Aber es hat Ihnen die Wiesn nicht verhagelt.
Überhaupt nicht, ich bin gerne hier und Freude mich schon auf die Brandner Wiesn am letzten Tag, wenn die nach der Aufführung im Volkstheater hier feiern. Ich spiele da zwar nicht mit, aber ich stehe im Volkstheater derzeit noch in der „Dreigroschenoper“ auf der Bühne.
Wie entstand eigentlich der Wunsch zur Schauspielerei?
Ich hatte ganz ehrlich im Allgäu gar keinen Berührungspunkt mit dem Theater und wollte eigentlich in den Bereich Grafikdesign gehen. Alle haben mir nachgesagt, ich hätte ein Talent im Zeichnen. Dann bin ich nach Augsburg auf die Fachoberschule in Gestaltung gegangen und habe dort Schultheater gespielt.
Gab es eine Initialzündung auf der Bühne?
Nein. Aber ich war ohnehin immer der Klassenclown und hatte einfach Lust, mal auf der Bühne zu stehen. Ich habe auch während meines Zivildienstes in Augsburg noch in der Schultheatergruppe gespielt. Tja, und dann habe ich mich bei verschiedenen Schauspielschulen beworben.
Hat es sofort geklappt?
Nicht direkt, ich habe mir erst einmal 18 Absagen eingeholt.
Genommen wurden Sie schließlich von der Bayerischen Theaterakademie in München.
Aber auch nur, weil ich da nie hinwollte. Ich war zum ersten Mal beim Vorsprechen ohne Druck und ziemlich locker.
Warum wollten Sie nicht nach München?
Alle Allgäuer, die die Welt erkunden wollen und die Heimat verlassen, landen dann in München, damit sie noch schön mit dem Zug zurückfahren können. Das wollte ich eben nicht. Aber es ist so gekommen.
Haben Sie sich als Student einen der Münchner Bühnenstars als Vorbild angeschaut?
Überhaupt nicht, aber ich hatte mein erstes prägendes Theatererlebnis: Luk Percevals "Othello" in den Kammerspielen habe ich mir als Student sofort fünf Mal hintereinander angeschaut. Da habe ich mir gedacht: Okay, jetzt weiß ich, warum ich Schauspieler werden will.
Sie haben das dann auch nie wieder bereut?
Ich hatte wie jeder auch schon mal meine Tiefpunkte. Wenn man die Schauspielschule verlässt, denkt man: Jetzt geht es los, jetzt kommen die Hauptrollen. Aber so ist es natürlich nicht. Ich war nie Ensemblemitglied, aber es gab Phasen, da hatte ich als Gast vier Stücke im Residenztheater, das war okay. Ich würde aber sagen, dass Film und Fernsehen mir mehr Spaß machen. Ich sehe mich da mehr als auf der Bühne – auch wenn meine Eltern das ein bisschen anders sehen.
Eine Werbung "mit der Heidi Klum"
Und wie ist die Resonanz auf die Fernsehrollen beim Heimaturlaub?
Klar wird man beim Bäcker angesprochen, wenn man im "Kluftinger" mitgespielt hat. Aber ich habe mal eine McDonalds-Werbung gemacht mit der Heidi Klum, das hing mir länger nach als die 15 Filme, die ich bis dahin gemacht hatte.
Sie haben in sehr vielen bayerischen Polizeikomödien mitgespielt.
Ich habe damit ein wenig abgeschlossen, was die Rollen angeht. Es ist anfangs komödiantisch schon interessant, einen vertrottelten Dorfpolizisten zu spielen, aber wenn man zum fünften Mal hört: „Ja spiel’s doch noch ein bisschen dümmer, ein bisschen tollpatschiger“, dann ist die Sache doch ein wenig ausgereizt.
Im neuen "Tatort" sind Sie ein Porno-Produzent, mal ganz was anderes.
Man bekommt schon auch Drehbücher, bei denen man beim Lesen denkt: Mensch, könnt ihr euch nicht mal was Neues einfallen lassen. Aber „Hardcore“ ist wirklich etwas Besonderes. Und meine Rolle ist so ein gebrochener Charakter, das interessiert einen natürlich.
Wie bereitet man sich denn auf die Rolle als Porno-Produzent vor?
Unser Regisseur Philip Koch hat gesagt, er wolle die Charaktere so ehrlich wie möglich darstellen, da ist kein Platz für ein Klischee des koksenden Angebers mit Spiegelbrille, buntem Anzug, getuntem Auto und schleimiger Frisur. Um das Thema Porno kommt ja niemand herum in der Jugend oder auch später im Internet. Extra recherchiert habe ich also nicht. Und die Branchen-Begriffe, die im Drehbuch vorkamen, kannte ich auch zum großen Teil nicht.
Die Sprache ist derbe
Ihre Figur Olli Hauer ist zwar kein Sympath, aber auch kein Unmensch.
Das Porno-Gewerbe ist ein hartes Business geworden, weil ja jeder mit seiner Kamera irgendwo filmen kann. Das thematisiert der "Tatort" ja auch. Ich habe mich reinversetzt in einen Typen, der einfach sein Geld verdienen muss. Der ist da irgendwie in dieses Business reingerutscht und muss jetzt kämpfen, um zu überleben.
Der Film passt wunderbar in die große Meta-Erzählung des Münchner "Tatorts": Die Zeiten spiegeln sich an den älter gewordenen Kommissaren.
Deswegen ist ja auch der Kalli eine zentral ermittelnde Person, weil Leitmayr und Batic gar keine Ahnung mehr von dem veränderten Gewerbe haben.
Der "Tatort" verzichtet natürlich auf Pornoszenen, die Sprache ist aber schon deftig.
Das Drehbuch war in der ursprünglichen Fassung noch deutlich krasser und wurde dann immer weiter überarbeitet. Ich habe den fertigen Film zusammen mit meinen Eltern angeschaut. Meine Mutter fand ihn sehr gut, mein Vater war schon etwas irritiert – und das als ehemaliger Gynäkologe. Wobei es da weniger um die Nacktszenen als vielmehr um die derbe Sprache ging.