Mordspekulation im Westend
Wenn es um den aktuellen „Umbau“ Münchens geht, kann sich Regisseur Dominik Graf schnell in Rage reden: „Gewachsene Strukturen sind in den letzten Jahren mutwillig zerstört worden.“ Ganze Schneisen der Verwüstung seien beispielsweise ins Westend geschlagen worden für teure Wohnungen, „um Leute in das Viertel zu locken, die da gar nichts verloren haben“. Die Dynamik der Gentrifizierung hat er mit Drehbuchautor und Westend-Kenner Bernd Schwamm im neuen „Tatort: Aus der Tiefe der Zeit“ verarbeitet, es geht um Korruption und Spekulation, denn an den Mondpreisen für die Reichenghettos lässt sich natürlich viel verdienen.
Ein Toter in einer Baugrube bringt Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) auf die Spur eines reichlich bizarr auftretenden Clans um die ehemalige Zirkus-Reiterin Magda „Calamity Jane“ Holzer (Erni Mangold), deren Geschichte jedoch – wie der Titel vermuten lässt – noch viel tiefer in die Zeit zurück führt.
Dass man an über 850 „Tatort“-Folgen nicht nur die jeweils aktuellen Themen, sondern auch die Architektur des Landes studieren kann, verdeutlichten Graf und Udo Wachtveitl diese Woche bei der Vorstellung des Bildbandes „Schauplatz ,Tatort’“ (Callwey Verlag). Keine andere TV-Reihe prägt so das Bild der Stadt, vor allem im Bewusstsein derer, die dort nicht wohnen, sondern nur reinzappen. Graf hat schon immer versucht, ein München-Bild zu vermitteln, „das dem des Fremdenverkehrsamtes auf gar keinen Fall entspricht“. Geübt hat er in den 80er Jahren als Regisseur des „Fahnders“, einer komplett in München gedrehten WDR-Produktion. Graf hatte strikt darauf zu achten, dass nichts, aber auch gar nichts Münchnerisches zu sehen war – nicht mal eine Tram. Er drehte etliche Folgen und wich zunehmend auf den Stadtrand aus. So war er auch gefeit für seinen ersten „Schimanski“-Dreh 1984. „Damals hatten wir 30 Drehtage“, erinnert sich Graf, „25 in München und fünf in Duisburg.“
Das war damals üblich. Die 20 Folgen des Essener „Tatort“-Kommisars Heinz Haferkamp (Hansjörg Felmy) wurden nahezu komplett in München gedreht, häufig in Grünwalder Villen.
Heute hat sich allerdings der Anspruch geändert. Die Zuschauer erwarten ein klar erkennbares Bild oder Zerrbild einer Stadt. Das erhöht auch den Druck, unverbrauchte Bilder von Städten zu erzeugen, in denen eigentlich jede Straße schon tausendmal gefilmt wurde. [/INI_3][INI_3]Und es gibt neue Probleme. Grafs „Tatort: Frau Bu lacht“ (1995), der im Olympischen Dorf spielt, wäre heute nicht mehr möglich. „Man möchte dort nicht mehr als Mordort dargestellt werden“, sagt Graf.
Sonntag, 20.15 Uhr, ARD
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