Maxim Mehmet: "Dieser 'Tatort' begibt sich auf Glatteis"

Maxim Mehmet (39, "Unter Nachbarn") hat im BR-"Tatort: Das verkaufte Lächeln" (28.12., 20:15 Uhr, Das Erste) die Seiten gewechselt. Im Team aus Leipzig spielte er den Kriminaltechniker, jetzt wird er zum Verdächtigen - und das in einem Fall, der sich um Pädophilie und vermeintliche Kinderpornografie dreht. Wie die Arbeit mit den Münchner Kommissaren war und was er von Helene Fischers "Tatort"-Auftritt hält, erzählt Mehmet im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.
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Nach Ihrer Rolle als Kriminaltechniker im Leipziger "Tatort" sind Sie jetzt in "Das verkaufte Lächeln" zu sehen. Wie war die Zusammenarbeit mit Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec?
Maxim Mehmet: Sehr gut! Es war mein erster Auftritt überhaupt in einem anderen "Tatort". Wenn man in einem der Teams eine feste Rolle hat, ist man für die anderen quasi tabu. Schließlich kann der Kriminaltechniker aus Leipzig nicht plötzlich als Protagonist in einem anderen "Tatort" auftreten. So hatte ich jetzt das Glück, dass ich die Kollegen in München kennen lernen durfte. Man merkt sofort, dass das ein erfahrenes, eingespieltes Team ist. Da sitzt jedes Wort. Trotz aller Routine sind sie aber auch sehr offen für Vorschläge.
Welche Ermittler sehen Sie privat am liebsten?
Mehmet: Um ehrlich zu sein, schaue ich gar nicht mehr viel "Tatort". Den "Polizeiruf" aus Rostock finde ich toll. Da passt alles, von den Kommissaren, die von Charly Hübner und Anneke Kim Sarnau gespielt werden, bis hin zum Inhaltlichen.
Sie haben in "Das verkaufte Lächeln" die Seiten gewechselt, spielen einen Pädophilen, der unter Verdacht gerät, in den Tod eines Jugendlichen verwickelt zu sein...
Mehmet: Das Thema, mit dem sich dieser "Tatort" beschäftigt, ist sehr prekär und nach wie vor ein Tabu in unserer Gesellschaft. Es geht um Pädophilie und vermeintliche Kinder-Pornografie im Internet. Da läuten aus gutem Grund bei vielen die Alarmglocken. Wir haben versucht, einen etwas anderen Zugang zu finden: Der Mann, den ich spiele, soll als Mensch ernst genommen werden in all seinen Nöten. Mir ging es beim Spielen darum, herauszufinden, wie es dieser Person geht, wie einer damit umgeht, den das betrifft. Es war unser Anliegen, ihn so wenig "böse" und eindimensional wie möglich zu machen. Natürlich ohne dabei irgendetwas zu rechtfertigen.
Guido Buchholz, den Sie spielen, lebt in einer Bilderbuch-Familie, glücklich verheiratet, zwei kleine Töchter, in seiner Freizeit trainiert er eine Fußballmannschaft mit Jugendlichen. Spielt der "Tatort" hier mit gängigen Klischees?
Mehmet: Ja. Die Herausforderung war es aber, bei all diesen vermeintlichen Klischees, jemanden zu zeigen, der als Mensch wahrgenommen wird, nicht als Schablone. Wie fühlt und handelt ein Mensch in dieser Zwickmühle? Um dieses Spannungsfeld möglichst breit zu machen, sind solche Klischees auch hilfreich.
Im Mittelpunkt des Films stehen Jugendliche, die sich vor der Webcam prostituieren und dafür Geschenke von ihren "Kunden" erhalten. Wie nah ist das an der Realität?
Mehmet: Ich glaube, im Internet gibt es nichts, was es nicht gibt. Deswegen ist das sicher gar nicht so weit hergeholt. Was ich spannend an der Geschichte finde, ist, dass sie so untypisch ist. Man kann sich nicht sofort eine Meinung dazu bilden. Diese Kids machen das in dem Film ja aus freien Stücken. Die Figur, die ich spiele, hat das konsumiert und dieses Angebot wahrgenommen. Die Frage ist: Hat er sich damit schon schuldig gemacht? Damit begibt sich der "Tatort" auf Glatteis. Bei diesem Thema kochen verständlicherweise schnell die Emotionen hoch. Ich hoffe, dass der Film ein Anstoß dazu sein kann, diese Diskussion mit Vernunft zu führen. Menschen mit diesen Neigungen sollte man auch als hilfsbedürftig betrachten. Das bedeutet aber nicht, etwaige Straftaten zu rechtfertigen. Natürlich ist es wichtig, eine klare rechtliche Grenze zu ziehen, um Kinder und Minderjährige zu schützen.
Mit den Ermittlern des "Bodensee-Tatorts" wird bald wieder ein langjähriges Team in Rente geschickt. Wie finden Sie es, dass viele erfahrene Kommissare, die beim Publikum sehr beliebt sind, aus dem Programm genommen werden?
Mehmet: Ich bin erst mal immer für Neuerungen - ohne dass man kopflos nach den Quoten schielt. Ich finde es gut und mutig zu sagen: Die hatten ihre Zeit und jetzt ist etwas Neues dran, wir bringen frischen Wind rein. Deswegen weine ich dem "Tatort" in Leipzig auch nicht wirklich nach. Auf der anderen Seite ist der "Tatort" natürlich ein Format, das sehr viel auf Ritualen basiert. Viele sitzen am Sonntagabend zum Wochenabschluss zusammen und schauen sich das an. Und wenn dann liebgewonnene Ermittler weggekürzt werden, ist das nicht einfach. Ich bin zudem kein Freund davon, dass jede Stadt einen "Tatort" haben muss. Es sind wirklich sehr viele neue Teams dazugekommen. Das ist nur dann zu rechtfertigen, wenn das wirklich Geschichten gibt, die neu und frisch sind und nicht dasselbe in einer anderen Farbe.
Til Schweiger hat als "Tatort"-Kommissar schon sehr viel Aufmerksamkeit sicher. Jetzt holt er auch noch Helene Fischer dazu. Tut das dem "Tatort" gut?
Mehmet: Das sind natürlich Superlative. Letztendlich geht diese einfache Rechnung trotzdem auf. Der "Tatort" wird dann sicher Einschaltquoten haben wie "Wetten, dass..?" zu seinen besten Zeiten. Und das rechtfertigt das dann auch. Ich finde es okay, warum nicht. Das sind Sachen, die die Leute sehen wollen.