Martin Kunz - Der neue Chef der Motorwelt

In der Münchner ADAC-Zentrale wird Europas auflagenstärkstes Magazin produziert
von  Volker Isfort
Martin Kunz, neuer Chefredakteur der „ADAC Motorwelt“, im Foyer der Zentrale am Münchner Heimeranplatz.
Martin Kunz, neuer Chefredakteur der „ADAC Motorwelt“, im Foyer der Zentrale am Münchner Heimeranplatz. © Daniel von Loeper

Nach dem Skandal um die geschönten Zahlen bei der Wahl zum Lieblingsauto der Deutschen hat der ADAC einiges getan, um sein Image wieder zu verbessern. Michael Ramstetter, der sechs Jahre lang Kommunikationsdirektor des ADAC und Chefredakteur der Mitgliederzeitung „ADAC Motorwelt“ war, musste das Haus verlassen. Die Machtfülle der Doppelfunktion gib es nun nicht mehr. Neuer Leiter der mit über 13 Millionen Exemplaren europaweit auflagenstärksten Zeitschrift ist seit dem 1. November 2014 der Münchner Journalisten Martin Kunz. Er thront nicht wie sein Vorgänger im 22. Stock des schönsten Hochhauses der Stadt am Heimeranplatz, sondern hat ein kleines Büro im vierten Stock bezogen, dort, wo auch die anderen „Motorwelt“-Redakteure arbeiten.

AZ: Herr Kunz, Sie sind in Zeiten großer Veränderung neuer Chefredakteur der „Motorwelt“ geworden. Was ist Ihr Auftrag?

MARTIN KUNZ: Der ist ziemlich klar umrissen: Zusammen mit der Redaktion mache ich aus der Motorwelt ein noch erfolgreicheres Clubmagazin. Das Mitglied steht im Mittelpunkt, besagt das neue Leitbild des ADAC. Ich möchte herausfinden, was die Mitglieder wirklich interessiert, wie man ihnen helfen kann, Probleme mit dem Auto oder im Verkehr allgemein zu lösen. Diese Themen werden in der Motorwelt journalistisch erstklassig und unterhaltsam präsentiert. Dabei ist die Papierausgabe die große Säule, wir werden aber künftig immer auch crossmedial denken und arbeiten, um mit dem Leser stärker in den Dialog zu treten. Es macht übrigens schon jetzt viel Vergnügen, sich die sehr aufwendige digitale Tabletausgabe der Motorwelt mit Videos und Animationen anzusehen.

Wie frei ist denn der Chefredakteur der „Motorwelt“?

Die Motorwelt ist das offizielle Mitteilungsmagazin des ADAC. Selbstverständlich wollen die Entscheider des Hauses wissen, was im nächsten Heft steht. Und eine Diskussion darüber, welches Titelbild oder Thema passend ist, gehört manchmal auch dazu. Weil der ADAC eine sehr große Firma ist, mit vielen Experten zu fast jedem Mobilitätsthema, ist es sinnvoll und notwendig, sich fachlich abzustimmen. Das können Fragen zu einem exklusiven ADAC-Crashtest sein oder knifflige Details bei der Rechtsberatung für Winterurlauber.

Sie wettern also im Heft beispielsweise nicht vehement gegen eine Forderung der Grünen für Tempo 30 auf dem Mittleren Ring?

Der neue ADAC wettert nicht. Wir liefern unseren Lesern Informationen, damit sie sich selbst eine Meinung bilden können. Bei kontroversen Themen, wie etwa dem Tempolimit oder der Maut, werden fachlich und wissenschaftlich fundierte Fakten veröffentlicht. Und künftig spielt die Mitgliedermeinung eine noch größere Rolle – repräsentative Umfrage-Ergebnisse werden dann einen solchen Maut- oder Tempolimit-Bericht beispielsweise ergänzen.

Kann der Chefredakteur der „Motorwelt“ zu Maut oder Tempolimit eine eigene Meinung haben?

Meine Privatmeinung zu solchen Themen ist ebenfalls von wissenschaftlichen Fakten getragen, sie ist aber für das Heft völlig unerheblich. Ich bin nicht derjenige, der jeden Monat im Editorial seine Mobilitätsfantasien absondert.

Wird jeder Leserbrief an die „Motorwelt“ gelesen?

Ja, aber nicht jeder von mir selbst. Wir haben eine eigene Leserbriefredaktion, und es sind – mit Zahlen bin ich jetzt lieber mal vorsichtig – rund 1000 Leserbriefe, die wir pro Heft bekommen.

Alle Printprodukte kämpfen um Auflage, Sie sind Chefredakteur des auflagenstärksten Mediums in ganz Europa.

Das stimmt, aber wir wollen, dass das Magazin auch in Zukunft von möglichst vielen Leuten möglichst lang und mit Vergnügen gelesen wird. Da müssen wir uns auch anstrengen. Das ist unsere Herausforderung.

Wenn Sie im technischen Bereich eine Aussage über ein Produkt treffen, kann das marktentscheidend sein. Wie gehen Sie mit dieser Verantwortung um?

Dieser Verantwortung können wir gut gerecht werden, weil wir extrem viel Know-how im Haus haben, zum Beispiel das große Test- und Technikzentrum in Landsberg. Wenn wir ein Auto testen, wird es dort umfassend auf den Prüfstand gestellt – zwei Wochen brauchen die Ingenieure, um alle 300 Einzelkriterien zu erfassen. So umfangreiche, unabhängige Tests kann kein anderes Medium leisten. Bei den ADAC-Verbraucherschutztests kann der Motorwelt-Leser sicher sein, dass von den Herstellern nicht Einfluss genommen wurde.

Sie haben mit den Zahlenmanipulationen Ihres Vorgängers bei der Wahl zum besten Auto des Jahres nichts zu tun. Die reale Beteiligung lag damals bei nur wenigen tausend Zuschriften. Ist diese dürftige Resonanz nicht beunruhigend?

Offenbar hatten nur relativ wenige Menschen Lust, an so einer Befragung teilzunehmen. Warum sollten sie das auch machen? Die bundesweite Mediaanalyse sagt uns hingegen ganz genau, dass wir monatlich über 16 Millionen Leser haben. Aus Studien wissen wir, dass die Motorwelt im Mittel etwa 20 bis 60 Minuten gelesen wird. Und noch ein erstaunliches Phänomen, dass ich jetzt jeden Monat erleben darf: Vor meinem Büro stapeln sich am Monatsanfang immer dutzende Postkisten. Wir bekommen etwa 50 000 Antworten auf das Kreuzworträtsel – ich freue mich immer sehr über so viel Post und E-Mails.

Welchen Wagen fahren Sie?

Ich fahre einen zehn Jahre alten Kombi, der hat schon 154 000 Kilometer auf dem Tacho und fährt noch mindestens 100 000 Kilometer.

Und die Marke nennen Sie jetzt bewusst nicht?

Genau, daran habe ich kein Interesse.

Sie haben als Ingenieur doch sicher Interesse an neuen, umweltschonenden Autos?

Ja, natürlich steige ich so oft es geht in ein neues Modell zur Probefahrt. Und früher sagte ich einschränkend: Lieber fünf Liter Verbrauch statt fünf Liter Hubraum! Heute ist das kein Widerspruch mehr, da auch Luxusautomobile sehr sparsam sein können. Privat nutze ich auch gern den Zug, die U-Bahn oder mein Fahrrad. Ich muss ja nicht jedem Klischee eines Chefredakteurs einer Autozeitschrift gerecht werden.

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