Maria Schrader: "Die Nacktszene war komisch"
Schauspielerin, Drehbuchautorin, Regisseurin - Maria Schrader ist ein filmisches Multitalent. Heute Abend ist sie im Film "Vergiss mein Ich" im Ersten zu sehen. Im Interview spricht sie über ihre Rolle und das Gefühl, nackt vor der Kamera zu stehen.
Eine Frau verliert ihr biografisches Gedächtnis und muss sich selbst völlig neu entdecken - das ist die aufreibende Geschichte von "Vergiss mein Ich" (2. August, 22:45 Uhr im Ersten). Hauptdarstellerin Maria Schrader (50, "Deutschland 83") hat im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verraten, warum Sie diesen Film unbedingt machen wollte. Außerdem spricht sie über ihre eigenen Regiearbeiten und das Gefühl, nackt vor der Kamera zu stehen.
Den Trailer zu "Vor der Morgenröte" von Maria Schrader sehen sie auf Clipfish
Frau Schrader, nach welchen Kriterien suchen Sie sich Ihre Projekte aus?
Maria Schrader: Für mich ist es bei einem Film maßgeblich, mit wem ich zusammenarbeite. Manchmal steht das sogar über dem Kriterium, ob ich sofort Zugang zu einer Rolle finde. Mir ist es wichtig, dass ich mit Menschen zusammenarbeite, denen ich künstlerisch vertraue. Das heißt aber nicht zwingend, dass sie schon wahnsinnig viel gemacht haben müssen.
Was hat Sie an "Vergiss mein Ich" gereizt?
Schrader: "Vergiss mein Ich" ist eines der wenigen Projekte in all den Jahren, bei dem es ein sofortiges und unbedingtes Ja in allen Bereichen gab. Es war eine große schauspielerische Herausforderung für mich. Dieser Film war im Besonderen etwas ganz Neues, da ich nicht aus einem Pool von eigenen Erlebnissen schöpfen konnte. Dieser Zustand, in den meine Figur Lena gerät, war mir natürlich unbekannt. Der Film erzählt dabei nicht nur eine pure Krankheitsgeschichte, sondern es geht auch um die Frage nach Identität: "Müssen wir die sein, die wir sind oder können wir uns auch neu erfinden?"
Ihre Rolle muss komplett neu zu sich selbst finden. Haben Sie auch schon einmal eine Art Selbstfindung durchgemacht?
Schrader: Nicht in dieser umfassenden Form, wie es Lena passiert. Aber natürlich gibt es immer wieder Einschnitte im Leben, wie etwa der Tod meines Vaters. Da habe ich mit Mitte 20 gespürt, wie sich das ganze Verhältnis zu meiner Familie ändert und ich plötzlich eine viel verantwortungsvollere Rolle meiner Mutter gegenüber übernahm. Ich war auf einmal kein Kind mehr. Sich immer wieder auszuprobieren, ist aber natürlich auch Teil meines Berufs und passiert im Kleinen bis hin zum Größeren in den interessantesten Projekten.
Sie sagten vorhin, dass Sie für diesen Film nicht aus den eigenen Erlebnissen schöpfen konnten. Wie haben Sie sich denn auf die Dreharbeiten vorbereitet?
Schrader: Die Vorbereitung war sehr intensiv und mehrspurig. Ich hatte unter anderem Zugang zum neurologischen Forschungszentrum der Charité und die Abteilung hat mir erlaubt, Videoaufnahmen von Patienten mit langfristiger und kurzfristiger Amnesie zu sehen. Das waren beispielsweise gefilmte erste Gespräche nach der Einlieferung, wo den Patienten genau das passiert ist. Das hat mich als Schauspielerin in gewisser Weise beruhigt, weil ich feststellte, dass es dabei kein Muster gibt. Jede Person geht damit anders um.
Für den Film standen Sie auch komplett nackt vor der Kamera. Wie war das für Sie?
Schrader: Ich kann körperliche Nacktheit gar nicht unbedingt von anderen Szenen, von emotionaler Nacktheit, unterscheiden. Es ist dann nicht meine private Nacktheit für die ich mich sozusagen "schäme". Der Körper gehört dann eben zu meiner Figur. Und die Nacktszene in "Vergiss mein Ich" war ja eher eine komische Szene, weil Lena den Sex mit einer fast kindlichen, wissenschaftlichen Neugier erkundet.
Mit "Vor der Morgenröte" kam im Juni ihre zweite eigene Regiearbeit in die Kinos. Woher kam der Wunsch, auch einmal auf der anderen Seite zu stehen?
Schrader: Ich habe mit Drehbuchschreiben begonnen, bevor ich das erste Mal vor einer Kamera stand. Nach ein paar Fernsehauftritten war "RobbyKallePaul" mein erster Film von Dani Levy. Wir haben viele Jahre zusammengearbeitet, ich habe einige Filme von der ersten Idee über die Finanzierung bis in den Schnitt begleitet. Die Rollen habe ich mir quasi selbst geschrieben, und das Spielen war in dem ganzen Prozess nur eine von vielen Aufgaben. Von Film zu Film wurde es eine gleichberechtigtere Arbeit, bei "Meschugge" waren Dani und ich Co-Regisseure. Das Regieführen ist in dem Sinne eher eine Weiterentwicklung und keine Kursänderung.
Wie kam es schließlich dazu, dass Sie erstmals eine Regie alleine übernommen haben?
Schrader: Bei meiner ersten eigenen Regiearbeit "Liebesleben" habe ich das Drehbuch geschrieben, nachdem mir die Autorin Zeruya Shalev eigentlich die Hauptrolle in der Verfilmung angeboten hatte. Stefan Arndt, der Produzent von "Liebesleben" und "Vor der Morgenröte" sagte damals, er würde den Film gerne machen, allerdings mit mir als Regisseurin. Und damit hatte er einen Wunsch ausgesprochen, der schon länger in mir gewachsen war.
Hat die Regiearbeit Auswirkungen auf Sie als Schauspielerin?
Schrader: Ich denke, ich bin als Schauspielerin einfach zu handhaben. Ich genieße die Abwechslung. In der Regie ist man ein Kopf auf zwei Beinen, man ist für alles verantwortlich. Als Schauspielerin gebe ich die Kontrolle über die größeren Zusammenhänge ab und konzentriere mich auf meinen begrenzten Bereich. Das kann ich genießen und das ist fürs Spielen auch essentiell. Aber durch die Erfahrungen, auf der anderen Seite zu stehen, weiß ich eben auch, wie viele Probleme die Regie zu schaukeln hat.