Kritik

Ludwigshafen-"Tatort: Marlon": Anstrengend, unspannend – und trotzdem stark

Der neue "Tatort: Marlon" aus Ludwigshafen ist nicht übermäßig spannend, überzeugt dafür jedoch durch seine Intensität. Vor allem, weil die Kleinsten hier im Fokus stehen. Die AZ-Kritik zum Krimi im Ersten.
von  Philipp Seidel
Traut sich der Schüler Pit (Finn Lehmann), Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) von seinem Streit mit Marlon zu erzählen?
Traut sich der Schüler Pit (Finn Lehmann), Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) von seinem Streit mit Marlon zu erzählen? © Christian Koch/SWR/dpa

Achtung, Spoiler! Diese TV-Kritik gibt mehr oder weniger konkrete Hinweise auf die Handlung des "Tatort: Marlon". Wenn Sie nichts verraten bekommen wollen, warten Sie mit der Lektüre des Textes, bis Sie den Film gesehen haben (Das Erste, 08.05.2022, 20.15 - 21.45 Uhr und in der ARD-Mediathek).


Natürlich ist diese Grundschule nach Wilhelm Busch benannt, der mit Max und Moritz die beiden bekanntesten schlimmen Kinder überhaupt erfunden hat.

An dieser Ludwigshafener Schule im ziemlich starken "Tatort: Marlon" (Buch: Karlotta Ehrenberg, Regie: Isabel Braak) treffen wir auch auf einige kleine Unkontrollierbare, die der arme Sozialarbeiter Anton Leu (Ludwig Trepte) nur mühsam bändigen kann, sich aber mit Herz und Hirn und großem Einsatz in die Aufgabe wirft.

"Tatort: Marlon": Jeder könnte als Mörder in Frage kommen

Nora Fingscheidt hat 2019 in ihrem Film "Systemsprenger" auf solche Kinder aufmerksam gemacht. Die explodieren immer wieder in Situationen, die andere Kinder souverän meistern. Alle könnten also auch als Mörder des titelgebenden Marlon (Lucas Herzog) in Frage kommen. Eltern, Lehrer, Mitschüler, Hausmeister – alle sind verzweifelt, viele hätten Gründe, Marlon nicht zu mögen, ihn vielleicht gar zu hassen. Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) suchen also hier und suchen also da und klappern die möglichen Täter der Reihe nach ab.

So entsteht ein nicht übermäßig spannender, aber durch seine Intensität dann doch sehr sehenswerter "Tatort". Die jungen Darsteller spielen toll (Hanna Lazarakopoulos als Marlons Freundin Madita, Finn Lehmann als sein Freund Pit).

Wenn aus Problemkindern Kinder mit Problemen werden

Schon das Anschauen im Krimi ist anstrengend. Man mag sich gar nicht vorstellen, wie nervenzehrend es sein muss, jeden Tag diesem Geschrei und Herumschlagen ausgesetzt zu sein. Aber wir haben jetzt gelernt: Es sind keine Problemkinder, sondern Kinder mit Problemen.

Der erstaunlichste Moment: Lena Odenthal betrachtet ein Gerade-mal-mehr-als-Strichmännchen-Kindergekrakel, das Madita zu Papier gebracht hat, und sagt: "Du hast dich und Marlon gemalt." Das hätten auch Ernie und Bert oder Maria und Josef sein können.

Aber man ist ja nicht umsonst die erfahrenste Ermittlerin in der "Tatort"-Welt.

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