Louis Klamroth konfrontiert "Hart aber fair"-Gäste mit AfD-Höhenflug: "Schlottern Ihnen da nicht die Knie?"

Bestehende Krisen und ständige Streitereien prägen die Ampelkoalition. Bei "Hart aber fair" zog Louis Klamroth mit seinen Gästen, unter anderem dem FDP-Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr, eine Zwischenbilanz. Wie viel Verantwortung trägt die Regierung an den hohen Umfragewerten der AfD?
Natascha Wittmann |
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Moderator Louis Klamroth wollte vom FDP-Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr wissen, ob der AfD-Höhenflug ihm Sorgen bereite.
Moderator Louis Klamroth wollte vom FDP-Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr wissen, ob der AfD-Höhenflug ihm Sorgen bereite. © Thomas Ernst / WDR

Zum Thema "Schwierige Halbzeitbilanz – verliert sich die Ampel im Dauerstreit" diskutierte Moderator Louis Klamroth am Montagabend mit seinen Gästen bei "Hart aber fair" über das bisherige Abschneiden der Regierungskoalition.

Die Direktorin der Akademie für Politische Bildung, Ursula Münch, zeigte sich zunächst versöhnlich. Sie räumte ein, dass man mit Blick auf die vergangenen zwei Jahre auch die schwierigen Rahmenbedingungen in Betracht ziehen müsse. "Ich würde schon Richtung 'befriedigend' gehen", stellte Münch der Ampel ein Zwischenzeugnis aus. Laut der Professorin für Politikwissenschaft sei durch unvorhersehbare Faktoren wie den russischen Angriffskrieg in der Ukraine der Druck auf die Regierung "enorm hoch".

FDP-Fraktionsvorsitzender kündigt bei "Hart aber fair" an: Es braucht mehr Reformen

Dem schloss sich der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr gerne an. Er kritisierte zwar zunächst die "reformunwillige" Vorgängerregierung, räumte dann aber auch Fehler in der Ampel ein. Dürr gab zu, dass vor allem "das 'Wie' der Kommunikation" sowie der Streit der vergangenen Monate völlig "überflüssig" gewesen seien. Mit ernstem Blick ergänzte der FDP-Politiker: "Wir sind in einer Situation, wo wir Krieg und Krise haben und merken, dass nach 20 Jahren in diesem Land zu wenig passiert ist." Jetzt brauche es mehr Reformen. "Einige haben wir angestoßen, mehr müssen noch kommen", so Dürr. Grünen-Politiker Michael Kellner gestand in der Debatte ebenfalls ein, dass sich die Ampelregierung trotz einiger Erfolge nicht nur mit Ruhm bekleckert habe: "Wir haben uns auch oft selber die Beine gestellt. Wir haben uns vielleicht zu sehr als Ampel am Fußball orientiert und zu wenig am Basketball." Heißt, man habe "zu wenig gemeinsam gespielt".

FDP-Politiker Christian Dürr und Michael Kellner von den Grünen, gestanden im ARD-Talk auch Fehler der Ampelregierung ein.
FDP-Politiker Christian Dürr und Michael Kellner von den Grünen, gestanden im ARD-Talk auch Fehler der Ampelregierung ein. © Thomas Ernst / WDR

Grund genug für Louis Klamroth, bei Dokumentarfilmer Stephan Lamby nachzuhaken, der für seinen ARD-Film "Ernstfall" Kanzler Olaf Scholz (SPD), Annalena Baerbock (Grüne) und weitere Vertreter der Ampelkoalition fast zwei Jahre lang hautnah begleiten durfte. "Herr Lamby, wie hat sich die Stimmung der Ampel in den letzten zwei Jahren verändert?", wollte Klamroth vom Journalisten wissen. Lamby antwortete, dass er "keine Haltungsnoten" verteilen wolle, aber den Streit der Regierung als "destruktiv" wahrgenommen habe: "Wenn über ein halbes Jahr die Regierung sich streitet, dann lähmt sie sich." Dem stimmte auch CDU-Politiker Ralph Brinkhaus zu und ergänzte: "Es ist ganz, ganz wichtig, dass wir einen neuen Weg finden." Daraufhin nickte auch Christian Dürr: "Die Menschen wollen, dass wir wieder Gas geben."

Dokumentarfilmer Stephan Lamby glaubt, dass die Bundesregierung nicht vorbereitet ist auf das, was in den kommenden zwei Jahren "kommen kann".
Dokumentarfilmer Stephan Lamby glaubt, dass die Bundesregierung nicht vorbereitet ist auf das, was in den kommenden zwei Jahren "kommen kann". © Thomas Ernst / WDR

Ralph Brinkhaus: "Sie haben die Bevölkerung massiv verunsichert"

Beim Stichwort Gas ging es auch ums viel diskutierte Heizungsgesetz. Louis Klamroth hakte mit Blick auf die vielen Streitereien nach: "Ist da was kaputtgegangen?" Stephan Lamby antwortete nüchtern: "Ich habe schon das Gefühl, dass da was gebrochen ist [...] nämlich Vertrauen." Auch Grünen-Politiker Kellner gab zu: "Was wir unterschätzt haben [...], war, dass wir die soziale Flanke zu lange offengelassen haben." Für Christian Dürr war im Nachhinein der zentrale Fehler, "dass man streitig aus dem Kabinett herausgekommen ist".

Während Klamroth dem FDP-Mann unterstellte, zu schwammig zu antworten, wetterte Ralph Brinkhaus: "Sie haben die Bevölkerung wirklich massiv verunsichert!" Laut des CDU-Politikers müsse man sich daher nicht wundern, "dass die Leute das Vertrauen in die Politik verlieren" und eine große Anzahl an Wählern "ganz rechts und ganz links" verloren gehen würde. Brinkhaus warnte in dem Zusammenhang vor einer zunehmend radikalisierten Gesellschaft und plädierte für eine Politik, die zeige, "dass sie handlungsfähig ist".

Louis Klamroth zeigte daraufhin: Falls aktuell eine Bundestagswahl anstehen würde, würden rund 22 Prozent der Bürger die AfD wählen. "Schlottern Ihnen da nicht als Regierungspartei die Knie?", fragte der Moderator in Richtung Dürr. Der FDP-Politiker erklärte, dass ein solches Ergebnis zwar "für Demokraten" nicht akzeptabel sei, doch die Regierung habe auch die kommenden zwei Jahre fest vor "Dinge anzustoßen", um einen Wahlerfolg der AfD abzuwenden.

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Das wollte Stephan Lamby nicht unkommentiert lassen und nahm die Ampelkoalition in die Pflicht: "Hinter den 22 Prozent steckt Angst und für die Angst tragen Sie eine Mitverantwortung." Es gebe laut Lamby Gründe für den Höhenflug der AfD, "insofern sollten Sie sich überlegen, was sie selber anders machen können".

Ursula Münch stimmte zwar zu, ergänzte jedoch, dass sie auch eine Mitschuld bei der CDU sehe. Viele unzufriedenen Wähler würden nicht bei der Union landen, "sondern sie gehen zu dieser destruktiven Opposition". Dabei handle es sich laut Münch um "ein neues Phänomen". CDU-Mann Brinkhaus nickte ernst: "Normalerweise müsste dieses Potenzial bei uns landen. Da müssen wir uns an die eigene Nase fassen." In diesem Zusammenhang plädierte Michael Kellner für eine politische Einheit – vor allem im Osten Deutschlands –, um die AfD kleinzuhalten. Zustimmung gab es von Christian Dürr: "Ich bin sehr für eine Brandmauer zu dieser Partei."

Abschließend wollte Louis Klamroth von Stephan Lamby wissen: "Hält die Ampelregierung noch zwei Jahre?" Der Journalist antwortete zuversichtlich: "Ja, da habe ich keine Zweifel." Dennoch warnte er: "Die haben ganz schön Bammel vor dem nächsten Jahr. Und das nächste Jahr wird für die amtierende Regierung noch mal schwieriger als das aktuelle Jahr." Der Journalist fügte, auch im Hinblick auf einen möglichen US-Präsidenten Donald Trump, hinzu: "Ich habe nicht den Eindruck, dass die Bundesregierung ausreichend – auch intellektuell – vorbereitet ist auf das, was da kommen kann, sowohl in Deutschland wie in den USA."

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8 Kommentare
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  • Chris_1860 am 12.09.2023 11:08 Uhr / Bewertung:

    Die AfD ist eine Partei ohne umsetzbare Pläne. Sie beschränkt sich auf das Einfachste, mit populären Parolen für den einfach gestrickten Bürger andere zu kritisieren, ohne selbst Lösungen parat zu haben. Eine AfD wäre nie in der Lage, effizient zu regieren, dazu fehlt's am konkreten Programm und an wirklich fähigen Köpfen.

    Aber wenn ihr Höhenflug dazu gut sein sollte, den Links-Grünen-Mainstream wieder auf den Boden der Tatsachen zurück in die Realität der arbeitenden Bevölkerung zu erden, anstatt diese fortwährend nur zu bevormunden, zu drangsalieren und zu gängeln, hat sie etwas erreicht und kann wieder verschwinden.

  • Sarah-Muc am 12.09.2023 15:08 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Chris_1860

    Das kann nicht funktionieren - denn die, die AfD wählen denken nicht nach - das ist pure Rache weil sie nicht bekommen, was sie meinen, es stehe ihnen zu. Die AfD würde diese Klientel nur bevormunden, gängeln und drangsalieren. Und die AfD in dem einzigen Programmpunkt den sie haben: raus aus der EU voll unterstützen.

  • Tonio am 12.09.2023 16:22 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Chris_1860

    Die linksgrüne Politik ist eine Gefahr für den Standort Deutschland und für den Wohlstand in Deutschland. So kann es nicht weitergehen. Hoffentlich gibt das Ergebnis der Landtagswahl in Bayern den Herrschaften in Berlin Anlass zum Nachdenken und Umsteuern!

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