Leben aus der Pillendose - Lisa Maria Potthoff über ihre Rolle in der Serie "Herzogpark"

München - AZ-Interview mit Lisa Maria Potthoff: Die 43-jährige Wahlberlinerin wuchs in München als Kind einer Ärztin und eines Psychologen auf.
Können Berliner über die Münchner Schickeria eine stimmige Satire drehen?
Schon während der Schauspielausbildung hatte sie erste Rollen in Fernsehserien. Hauptrollen waren dann in "Bittere Unschuld", "Blond: Eva Blond!", "Der Tod ist kein Beweis" und "Die Tochter des Kommissars". Seit Jahren spielt sie in der "Eberhofer"-Krimireihe und der Serie "Sarah Kohr".
Können Berliner über die Münchner Schickeria eine stimmige Satire drehen? Diese Frage darf man sich beim Mitarbeiterstab der RTL-Serie "Herzogpark" stellen.
Lisa Maria Potthoff karikiert den Klischee-Typus einer eiskalten Karrierefrau
Denn weder die federführende Autorin Annette Simon noch die Regisseure Jochen Alexander Freydank und Anca Miruna Lazarescu verbindet etwas mit der sogenannten Bussi-Bussi-Gesellschaft. Für den - auch sprachlich - nötigen Input zeichnet dann - neben der externen Beratung durch die Ex-"Bunte"-Chefin Patricia Riekel - auch Hauptdarstellerin Lisa Maria Potthoff verantwortlich.
Die Schauspielerin karikiert als Juristin Hannah in dem etwas oberflächlichen, aber gerade in den ersten Folgen amüsanten Sechsteiler gekonnt den Klischee-Typus einer eiskalten Karrierefrau. An ihrer Seite im High-Society-Kampf gegen den übergriffigen Immobilienhai (Heiner Lauterbach): das ehemalige Callgirl (Felicitas Woll), die hochverschuldete Elisabeth (Antje Traue) und Ex-Häftling Maria (Heike Makatsch).
"Hannah ist wahrscheinlich der Inbegriff eines modernen Menschen"
AZ: Frau Potthoff, das Credo Ihrer Figur lautet: "Bitte so wenig Beschwerden wie möglich, aber so gut aussehen wie möglich!" Woher kommt diese Haltung?
LISA MARIA POTTHOFF: Hannah hat das Gefühl, dass sie verfrüht in der Menopause ist. Sie hat ihr Leben im Griff, möchte also auch diesen nervigen biologischen Vorgang kontrollieren, will aber da, wie auch sonst im Leben, Prozesse optimieren. Das ist der Grund, warum sie zehn Nahrungsergänzungsmittel braucht, zum Einschlafen noch eine Schlaftablette nimmt und zum Wachwerden einen Coffein-Shot benötigt.
Ist für so eine kontrollierte, selbstoptimierte Frau die Konfrontation mit einer ungewollten Schwangerschaft besonders schwer?
Hannah ist wahrscheinlich der Inbegriff eines modernen Menschen, der sein ganzes Leben durchplant und optimiert. Und das schließt auch die Kinderfrage mit ein. Eine ungewollte Schwangerschaft ist für so eine Frau ein Lapsus sondergleichen. Im besten Fall ist eine Schwangerschaft ja auch an Bedingungen geknüpft, die zum Wohl des Kindes beitragen: kein Alkohol, keine Drogen. Diese Kompromissbereitschaft liegt Hannah einfach nicht.
Potthoff: "Wir drehen in der Serie das ganze #MeToo-Thema auch einmal um"
In der Kanzlei wird Hannah von ihrem übergriffigen Vorgesetzten, gespielt von Francis Fulton-Smith, unter Druck gesetzt. Hat sich nach #MeToo also doch nicht so viel getan?
Diese manchmal auch subtilen Übergriffigkeiten gibt es natürlich immer noch. Hannah kann mit dieser Form von Sexismus letztlich ganz gut umgehen, weil sie eben nicht auf den Mund gefallen nicht. Für andere Frauen ist aber genau dieser Nebenbei-Sexismus, der in einem Unternehmen mal eben so in der Kaffeeküche passiert, und den wir hier auch zeigen, schwerer zu verkraften.
Die Bissigkeit und Härte von Hannah äußert sich im Beruf aber nicht nur positiv.
Wir drehen in der Serie das ganze #MeToo-Thema auch einmal um. Sprich, den ganzen Sexismus, den Hannah in der Kanzlei sicher ertragen musste, gibt sie nach unten weiter. Und klar gibt es bei Frauen nicht nur Opfer, sondern auch Täterinnen im Ausüben von Macht.
"Für eine konservative Münchner Kanzlei sind Hannahs bauchfreie Tops wahrscheinlich undenkbar"
Wie haben Sie Ihre Figur auch in ihrem Auftreten entwickelt?
Ich habe jetzt keinen Insider aus dem Herzogpark hinzugezogen. Wichtig war mir herauszuarbeiten, was für eine Person diese Hannah ist. Auch im Kontrast zu den anderen Frauen. Wir haben ja ein Ensemble kreiert und uns bei Hannah gefragt: Spricht sie Münchnerisch oder Hochdeutsch? Wie kleidet sie sich? Was hat sie für eine Körperlichkeit? Wir erzählen sie als eine Frau, die gerne ihren Körper zeigt, manchmal fast provokativ. Immer auf Stilettos. Bestens gekleidet in Haute Couture. Für eine konservative Münchner Kanzlei sind Hannahs bauchfreie Tops wahrscheinlich undenkbar, aber diese Überhöhung macht letztlich auch den Witz der Serie aus.
Potthoff findet den Gedanken des "Gemeinsam sind wir stärker" besser
Auffallend bei Ihrer Figur im Verhältnis zu ihren Mitstreiterinnen ist der beschwerliche Weg zu einer Solidarität, einer gemeinsamen Aktion.
Hannah ist durch einen verbissenen, oft einsamen Kampf beruflich nach oben gekommen, nach dem Motto: Ich bin härter als jeder Mann. Anders als die Figur, die ich spiele, finde ich den Gedanken des "Gemeinsam sind wir stärker" besser. Und das gilt nicht nur für Frauen. Für mich gibt es keinen Mehrwert, wenn ich die Ellenbogen ausfahre und die anderen mit Gewalt überholen will. Die Vorteile einer auf Solidarität setzenden Denkweise hat mir auch die viermonatige Arbeit an "Herzogpark" gezeigt.
Sie gelten als Kampfsport-Fan. Was gibt Ihnen dieser Sport?
Als wir in München "Herzogpark" drehten, habe ich mir im Vorfeld Trainer gesucht und Jonny und Mike Keta von Kickboxen-Deutschland gefunden. Ich bin fast immer nach Drehschluss zum Thaibox-Training nach Schwabing, egal wie spät es war. Das soll nicht nur zeigen, wie wichtig mir der Kampfsport ist, sondern auch, wie viel Kraft ich daraus ziehen kann. Dennoch muss man gerade in meinem Beruf auch darauf achten, dass man Ruhephasen hat. Den ganzen Mai werde ich jetzt bis auf ein oder zwei Termine auch mal nichts machen.
Im Vorfeld wurde die in der Bussi-Bussi-Gesellschaft spielende Serie bereits mit "Kir Royal" verglichen. Was halten Sie von dieser Gegenüberstellung?
Ich bin ein Fan der Arbeiten von Helmut Dietl. Und deshalb finde ich auch, dass man sich mit diesen großen Serien wie auch der monumentalen Satire "Rossini", die auch noch Jahrzehnte später ihre Wirkung entfalten, nicht vergleichen sollte und darf.
Alle Folgen ab Dienstag, 3. Mai, auf RTL+, später im Jahr auf Vox