Kulturkampf im Radio

Es ist so einfach: Man holt das Radio aus der Schachtel und schaltet es ein. Das Gerät sucht die Sender. Aus dem Lautsprecher tönt es glasklar und ohne Rauschen. Das Display zeigt an, welches Musikstück läuft und wie das Wetter wird.
Digitalradio ist Radio 2.0. Man braucht dafür ein neues Gerät, das in einfacher Ausführung ab 30 Euro zu haben ist. Stereoanlagen lassen sich nachrüsten. Nur mit den vielen UKW-Altgeräten lässt es sich nicht empfangen. Da sich Otto Normalverbraucher zwar alle zehn Jahre den Fernseher durch eine besseres Gerät ersetzt, aber nie ein neues Radio, hat der Bayerische Rundfunk ein Problem.
Derzeit ist ein Kulturkampf um das Digitalradio entbrannt. [/INI_3]Ulrich Wilhelm, der Intendant des Bayerischen Rundfunks, will seine Klassikwelle ab 2016 nur noch digital ausstrahlen und die Frequenz der Jugendwelle „Puls“ übertragen. Die Pläne haben für lautstarke Kritik gesorgt – auch aus den eigenen Reihen.
Kürzungen bei der Klassik?
Mariss Jansons, der Chefdirigent des BR-Symphonieorchesters, kann das Vorhaben nicht verstehen. Viele Klassik-Fans fürchten, dass der Sender sich aus seiner kulturellen Verantwortung zurückzieht – die Zusammenlegung der Orchester beim SWR und die Dauerkritik der Rechnungshöfe an den Klangkörpern liegt als Drohung in der Luft, obwohl der BR mehrmals erklärt hat, an der Klassik nichts kürzen zu wollen.
Aber: Gilt das auch bei Hörerschwund? Die SPD-Landtagsfraktion wandte sich gegen die Pläne, Rechtsexperten halten sie für verfassungswidrig. Der Sender hält mit einem anderen Gutachten dagegen und verweist unter anderem stets darauf, dass BR Klassik schon heute der Sender mit dem höchsten Anteil an Digital-Hörern sei.
Der Bayerische Musikrat hat 50 000 Unterschriften für den Erhalt von BR Klassik auf der UKW gesammelt. Sein Präsident, Thomas Goppel, will die Petition „BR Klassik muss bleiben“ am Donnerstag dem Intendanten überreichen. Die Befürworter des Frequenztauschs haben lange süß geschlummert. Erst am vorigen Freitag kündigte der Bayerische Rockintendant Bernd Schweinar eine ähnlichen Petition an, die von den Grünen unterstützt wird.
Ängste bei den Privatradios
Das ist nicht ohne Ironie, weil es indirekt eine Grundannahme des Bayerischen Rundfunks bestätigt. Die angeblich tattrigen Klassikfans beherrschen die Mobilisierung per Internet und auf sozialen Netzwerken viel besser als die Fans junger Musik, die als Digital Natives eigentlich längst dem Dampfradio UKW entwachsen sein müssten.
Auch die Privatradios sind naturgemäß von einer neuen Jugendwelle auf UKW nicht begeistert. Sie würden durch die fallende Reichweite bei der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen jährlich rund 64 Millionen Euro Bruttowerbeeinnahmen verlieren.
In den nächsten Tagen wird sich die Debatte zuspitzen: Am 22. Mai berät das entscheidende Gremium über den Frequenztausch: der Rundfunkrat. Eine Niederlage dort wäre ein harter Schlag für Ulrich Wilhelm, der das gute alte Antennenradio in eine digitale Zukunft führen will.