Kritik zum Köln-"Tatort: Wie alle anderen auch": Der maximale Kontrast

Achtung, Spoiler! Diese TV-Kritik gibt mehr oder weniger konkrete Hinweise auf die Handlung des "Tatort: Wie alle anderen auch". Wenn Sie nichts verraten bekommen wollen, warten Sie mit der Lektüre des Textes, bis Sie den Film gesehen haben (Das Erste, 21.03.2020, 20.15 - 21.45 Uhr und in der ARD-Mediathek).
Diesem zwielichtigen Fast-Food-Tischabräumer Axel Fahl (Niklas Kohrt) würde man nicht mal den Lieblingshamster seines Erzfeindes zur Fütterung anvertrauen. Was also treibt Ella Jung (Ricarda Seifried), die gerade erst vor ihrem prügelnden Mann geflohen ist, ausgerechnet in die schäbige Wohnung dieses offensichtlich sozial gestörten Menschen?
Der Köln-"Tatort" startet brutal
Der Kölner "Tatort: Wie alle anderen auch" erzählt von den Problemen, speziell der Gewalt, den obdachlose Frauen ausgesetzt sind. Er macht das am Anfang sehr eindrucksvoll: Die ersten 15 Minuten sehen wir keinen Max Ballauf (Klaus J. Behrendt), keinen Freddy Schenk (Dietmar Bär). Wir sehen nur, wie Ella Jung nach einem blutigen, vermeintlich tödlichen Streit aus ihrem bisherigen Wohlstand flieht – und erstaunlicherweise sofort im Rundum-Straßen-Elend landet, wo ein Stück Seife zum umkämpften Statussymbol wird.
Das muss man als Zuschauer dem Film (Drehbuch: Jürgen Werner, Regie: Nina Wolfrum) erst einmal abkaufen, dass da überhaupt keine Familienmitglieder, keine Freunde, keine Bekannten sind, an die man sich wendet, bevor man auf der Straße schläft – oder eben Zuflucht beim vertrauensunwürdigsten Menschen sucht, den Köln zu bieten hat.
Die Polizei kommt ins Spiel, als die Frau, die sich des Straßen-Neulings Ella annimmt, in der Nacht angezündet wird und verbrennt.
Die Größe, die der Anfang verspricht, kann dieser "Tatort" mit dem sehr verehrten Duo Ballauf/Schenk dann nicht so ganz halten. Die Ermittlungen sind Krimi-Routine, die uns nacheinander alle Spielarten des Schicksals zum Thema Frauen und Obdachlosigkeit vorstellt.
Der "Tatort" wirft ein Licht auf ein verborgenes Problem
Die Büro-Seite der Handlung, die mit ihrer Sauberkeit und sozialen Sicherheit in stärkstem Kontrast zum Obdachlosenleben steht, nimmt dem Film etwas von der Wucht, die in diesem Thema sicherlich steckt. Was den Kölnern aber wieder einmal gelingt: Licht auf ein Problem zu werfen, das sonst nicht groß in die Öffentlichkeit kommt.
Die Auflösung droht dann noch einmal zur großen Tragödie zu werden, ausgerechnet der Mensch in diesem Figurenreigen, dem man nun wirklich nichts Böses wünscht, gerät ins Zentrum, und man hört sich selbst doch sehr erleichtert aufatmen, als es nicht zum Äußersten kommt. Es ist auch so schlimm genug.