Kritik: So ist der neue "Polizeiruf" des MDR
München – Anfangs freuten sich die Magdeburger über die Ehre, Halle als Sachsen-Anhalter „Polizeiruf“-Stadt nachfolgen zu dürfen. Dann protestierten Lokalpolitiker gegen das Drehbuch. Dass ein toter Afrikaner und glatzköpfige Neonazis eine Rolle spielen mussten, löste Sorge um das Image der Stadt aus.
„Der verlorene Sohn“ zeigt den Rechtsradikalismus nicht als glatzköpfige oder ewiggestrige Randerscheinung, sondern – viel beunruhigender – angekommen in der Mitte der Gesellschaft. Der rechte Rand beginnt schon im Umfeld von Behörden. Das ist ein unschönes, aber durchaus wirklichkeitsnahes Bild des Ostens.
Leider ist der Fall recht konstruiert mit dem Privatleben der Ermittlerin verknüpft: Der russischstämmmige Hauptverdächtige ist ihr Ex, und sie findet ihren verlorenen Sohn ausgerechnet in der Neonazi-Zelle wieder.
Claudia Michelsen benimmt sich als rauhbeinige Hauptkommissarin Doreen Barsch wie Schimanskis kleine Schwester. Sie rast mit dem Motorrad nach ein paar gekippten Schnäpsen über die Elbbrücken. Sylvester Groth als Hauptkommissar Jochen Drexler arbeitet dagegen im Stillen, nutzt öffentliche Verkehrsmittel und isst Salat aus der Tupperdose.
Ganz stimmig wirken die Nachfolger des Schnarchduos Jaecki Schwarz und Wolfgang Winkler noch nicht. Aber wenn Figuren gut weiterentwickelt werden, könnten Michelsen und Groth als ungleiches Paar die Lücke schließen, die der Abschied von Nina Kunzendorf und Joachim Król in die Reihen der „Tatort“-Kommissare gerissen hat.
- Themen: