Kritik zum Münster-Tatort "Propheteus": Wie viel Flachwitz verträgt die Querdenkerdebatte?
Achtung, Spoiler! Diese TV-Kritik gibt mehr oder weniger konkrete Hinweise auf die Handlung des Münsteraner "Tatort: Propheteus". Wenn Sie nichts verraten bekommen wollen, warten Sie mit der Lektüre des Textes bis Sie den Film gesehen haben (Das Erste, 06.03.2020, 20.15 - 21.45 Uhr und in der ARD-Mediathek).
Eins wird beim Münster-Tatort "Propheteus" sofort klar: Er wurde gedreht in einer Zeit, als die westliche Welt noch dachte, ein paar Schwurbler seien ihr größtes Problem. Fast.
Die Episode startet mit einem Beinahe-Knall: Kommissar Thiel (Axel Prahl) und Professor Boerne (Jan Josef Liefers) geraten in eine Geiselnahme. Nur ein Hund namens "Banane" kann verhindern, dass ein Attentäter auf dem Polizeipräsidium die Ermittler mit einem Sprengstoffgürtel in den Tod reisst. Banane packt zu – und stürzt den Mann vom Dach.

Münster-Tatort "Prophetheus": Klamaukiger Start mit Wadenbiss
Der Wadenbiss legt den Ton des Films fest, die ersten Bilder das Thema: Hinter dem Ohr der Leiche findet sich eine Narbe, die vom Einpflanzen eines Microchips stammt. Die Obduktion stößt das Tor auf zu einer obskuren Parallelrealität: Der Chip verbindet den Toten mit seinen gspinnerten Gesinnungsgenossen, die über eine Unterwanderung moderner Gesellschaften durch Außerirdische fantasieren.

Beim Messengerdienst "Bla" nennt sich die Truppe Sisuntus (Sie sind unter uns). Als Ort realer Zusammenkünfte haben sich die visionären Spalter einen biederen Retro-Traum ausgesucht: einen Bowlingclub. Zugang hat, wer sich den Chip implantieren lässt – dessen Reichweite so gering ist wie der intellektuelle Horizont von Sisuntus.
Statt Aluhut ist das "Volk der Erwachten" teils ganz in Alufolie gehüllt. Die Verblendeten skandieren Parolen in den Straßen. Videos auf Internetplattformen werden mit künstlicher Intelligenz so manipuliert, dass sich selbst Angela Merkel mit Aliens an den Verhandlungstisch setzt. Und so versponnen das Ganze vor drei Jahren noch gewirkt hätte: Heutzutage kommt es einem realitätsnah vor wie eine Ausgabe der Tagesschau.
Corona-Flachwitz in Tatort-Länge: Nur fast lustig
Die Verschränkung der Zeitebenen und einige Spezialideen im Drehbuch von Astrid Ströher garantieren Klamauk. Zum einen begleitet Hund Banane, der im rettenden Moment aus dem Nichts schießt wie ein Fabelwesen, Frank Thiel treu bis zur Fallauflösung und sorgt für dessen Wohl – etwa dafür, dass ein geklautes Fahrrad wieder auftaucht.
Zum anderen sind da zwei Beamte vom Verfassungsschutz, Herr Muster und Frau Mann (Melanie und Daniela Reichert). Die Staatsbediensteten gleichen sich bis auf die Haarlänge, spulen monoton ihre Fragen ab und verbreiten das Flair einer Aufbahrungshalle der Matrix-Metropole Zion (Regie: Sven Halfar).

Magischer Hund und Messengerdienst mit dämlichem Namen, Alumenschen, Beinahe-Aliens in schwarzer Kluft bilden hier also den Rahmen für die Querdenkerdebatte. Das ist schon eher schwer erträglich. Hätten wir uns vor zwei Wochen über den laxen Umgang mit den gefährlichen gesellschaftlichen Folgen der Pandemie geärgert? Vielleicht. Lachen wir inzwischen über einen Corona-Flachwitz in Tatort-Länge? Fast.