Jutta Speidel liest aus einem Buch über Suffragetten
Sie begeistert nicht nur Zuschauer vor den Bildschirmen, sondern auch Menschen auf der Straße: Schauspielerin Jutta Speidel unterstützt durch ihre mit dem Bundesverdienstkreuz aufgezeichneten Stiftung „Horizont e.V.“ obdachlose Kinder und Mütter in München. Anlässlich des heutigen Internationalen Frauentags liest Speidel aus Antonia Meiners’ Buch „Die Suffragetten. Sie wollten wählen – und wurden ausgelacht“.
AZ: Frau Speidel, warum ist es Ihnen wichtig, die Lesung zu den Suffragetten zu halten?
JUTTA SPEIDEL: Die Suffragetten sind jetzt nicht nur wegen des aktuellen Kinofilms relevant. Außerdem bin ich in das Buch versunken. Diese Suffragetten-Bewegung, so umstritten sie in Amerika oder in Europa auch gewesen sein mag, ist hochinteressant. Wir reden von unterdrückten, zwangsverheirateten Frauen, die hochintelligent und ambitioniert aus ihrer Not heraus etwas verändert haben.
Die Frauen waren vor der Suffragettenbewegung in England rechtlich wie Sklavinnen gestellt.
Damals wurden die Frauen in den Arbeiterfabriken behandelt wie die letzten Hunde hinterm Ofen. Es war notwendig, auf die Barrikaden zu gehen. Was wäre sonst aus den Frauen in Europa geworden!
Frauenrechtlerinnen klagen, dass Feminismus ein unbeliebter Begriff geworden ist, weil er häufig mit Männerhass gleichgesetzt wird.
Das ist ein Quatsch. Es ist auch nicht jede Suffragette gleich eine Lesbe gewesen. Natürlich gab es auch homosexuelle Frauen, aber das war ja damals auch unter Strafe gestellt.
Definieren Sie sich selbst als emanzipierte Frau?
Das bin ich auf alle Fälle. Aber ich bin immer eine autarke Frau gewesen. Mir war meine Freiheit und Unabhängigkeit seit ich denken kann wichtig. Ich habe schließlich schon mit 14 Jahren mein eigenes Geld verdient.
Sie sind Schauspielerin. Suchen Sie sich Ihre Filmrollen unter dem Aspekt, starke Frauen zu spielen, aus?
Ich bin mein eigener Agent und das seit über 20 Jahren. Am Anfang haben alle gesagt: „Bist du wahnsinnig? Da ruft dich doch kein Mensch mehr an!“ Meine Karriere ging von da an erst richtig los!
Mit Ihrer Initiative Horizont e.V. kümmern Sie sich um Frauen, die Hilfe benötigen.
Ich bin Frauen-Netzwerkerin und habe alleine über Horizont e.V. in den letzten 20 Jahren so viele interessante Frauen kennengelernt. Bei weitem mehr interessante Frauen als Männer. Viele haben sich aufgemacht auf einen Weg der Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Das ist bewundernswert.
Die Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai hat gesagt: „Feminismus ist ein anderes Wort für Gleichheit.“
Sie hat vollkommen Recht, Gleichheit ist Feminismus. Das haben damals schon die Suffragetten proklamiert. Warum sollte eine Frau weniger wert als ein Mann sein? In Ländern, die immer noch hinterherhinken und sich noch im Mittelalter befinden, was das Wort Frau angeht, ist das dringend notwendig.
Was muss in Deutschland noch getan werden?
Nach wie gibt es in den großen Vorstandsebenen weitaus mehr Männer, die auch mehr verdienen. Grundsätzlich ist es in den Köpfen von Arbeitgebern immer noch so, dass – wenn es nicht ein Frauenprojekt ist – ein Mann in ihren Augen ein klarer denkender und besser auftretender Mensch ist als eine Frau.
Was für eine Rolle spielen die Männer dann im Emanzipationsprozess der Frauen?
Wahnsinnig wichtig ist, dass die Männer ihr Selbstbewusstsein und ihr Selbstwertgefühl wieder richtig aufbauen. Das scheint irgendwo in der Emanzipationsbewegung verloren gegangen zu sein und die Männlichkeit ist in den Schatten gerückt.
Wie definieren Sie Männlichkeit?
Für mich bedeutet es, Verantwortung zu übernehmen, zu wissen, was im Leben wichtig ist und das unterstützend an die Familie weiterzugeben. Den Partner zu unterstützen und die Kinder mitzuerziehen, um ein Vorbild zu geben.
Ist das in unserer Gesellschaft verlorengegangen?
Ja. Ein wichtiger Aspekt ist, sich gegenseitig zu beschützen. Frauen beschützen ihre Männer ununterbrochen, ich habe das selber gemacht. In einer Partnerschaft bin ich wie eine Löwin. Es wäre schön, wenn Männer auch Löwen, und für ihre Frauen ein Fels in der Brandung sein könnten. Auf geht’s, Männer, steht euren Mann!
Von welcher Frau können wir viel lernen?
Bitte werten Sie das nicht parteipolitisch, aber als Person beeindruckt mich unsere Bundeskanzlerin. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die ihre Haltung als Sturheit bewerten. Es ist unsäglich, dass Europa nicht an einem Strang zieht und keine gemeinsame Perspektive bieten kann. Auch diese Grenzschließungen sind grauenhaft. Das ist nicht der Weg.
Was kann sich im Filmgeschäft zugunsten der Frauen noch verbessern?
Der Prozentsatz der Regisseurinnen und Produzentinnen ist verschwindend gering. Wenn Sie sich eine Woche lang Spielfilme angucken, sehen Sie 80 Prozent von Männern dominierte Filme. Die Frau wird sehr oft als die Betrogene und Verzweifelte dargestellt. Es gibt wahnsinnig viele spannende Frauengeschichten, die man verfilmen sollte. Es gibt leider nur in Ausnahmefilmen Frauen, die im Mittelpunkt stehen.
Wie sollten Ihrer Ansicht nach Frauen dargestellt werden?
Riskiobereit, mutig, couragiert. Liebe Frauen, lassen Sie sich nicht von Ihrem Bauchgefühl abbringen. Schärfen Sie Ihre Instinkte, handeln Sie nach Ihrem Ermessen und passen Sie sich nicht an irgendetwas an, das durch die Medien oder die Gesellschaft vordiktiert wird! Das ist das Beste, das Sie tun können.
Lesung heute, 19.30 Uhr in La Cantina, Elisabethstraße 53. Eintritt 7 Euro
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- Jutta Speidel