Imogen Kogge über ihre Rolle als Bundeskanzlerin

Imogen Kogge spielt im Dokudrama „Die Getriebenen“ die Bundeskanzlerin in der Stunde einer schweren Entscheidung
von  Matthias Hejny
Sigmar Gabriel (Timo Dierkes, l.), Angela Merkel (Imogen Kogge) und Frank-Walter Steinmeier (Walter Sittler) in einer Szene des Films „Die Getriebenen“ im Bundeskanzleramt.
Sigmar Gabriel (Timo Dierkes, l.), Angela Merkel (Imogen Kogge) und Frank-Walter Steinmeier (Walter Sittler) in einer Szene des Films „Die Getriebenen“ im Bundeskanzleramt. © Volker Roloff/rbb/carte blanche/ARD/dpa

Es ist eine der folgenreicheren Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Wir schaffen das“ kündigte die Bundeskanzlerin an, nachdem sie wegen ihrer Asylpolitik und vor allem der Entscheidung, die Grenzen der Bundesrepublik vor den andrängenden Flüchtlingen des syrischen Bürgerkriegs nicht zu schließen, heftig angegriffen worden war. Der Journalist Robin Alexander schrieb darüber 2017 „Die Getriebenen“, einen „Report aus dem Innern der Macht“. Florian Oeller (Drehbuch) und Stephan Wagner (Regie) verfilmten den Stoff für die ARD als Dokudrama, das heute ausgestrahlt wird. Die AZ sprach mit der Kanzlerinnen-Darstellerin Imogen Kogge.

AZ: Frau Kogge, wie sind Ihre eigenen Erinnerungen an die Ereignisse im Sommer 2015?
Imogen Kogge: Ich hatte ziemlich viel zu tun in diesem Sommer. Ich drehte, dann fuhr ich zum Theater in Zürich und nebenher lief das alles. Es wurde mit Freunden und Kollegen viel darüber gesprochen: Reinlassen oder nicht? Was ist zu tun? Und es wurden immer mehr. Das war aufrüttelnd und beschäftigte uns sehr. Die Schweizer Kollegen waren voll Bewunderung für Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Es gibt nur einen einzigen Moment im Film mit der inzwischen legendären Merkel-Raute.
Das wollte ich so. Es war mir zu einfach und zu äußerlich, sich hinzustellen, die Raute zu machen und zu sagen, das ist es nun. Das sollte nicht im Fokus stehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist keine Figur längst vergangener Geschichte, sondern unsere Zeitgenossin und noch im Amt. Wie erarbeitet sich eine Schauspielerin eine Person, die jeder zu kennen glaubt?
Das ist genau das Problem. Jeder kennt sie und empfindet sich als Merkel-Fachmann. Deshalb habe ich mir tatsächlich überlegt, ob ich das machen und mich derartig exponieren möchte. Als ich mich entschloss, das zu tun, habe ich Bundeskanzlerin Angela Merkel studiert. Das geht ganz gut, denn sie ist in den Medien gut vertreten. Wie bewegt sie sich? Wo liegt das Zentrum der Bewegung? Dann gibt es auch die ganz konkreten Szenen im Drehbuch, denen man folgt. So wuchs ich im Laufe der Zeit in den Merkel-Modus.

Wissen Sie jetzt, wie unsere Bundeskanzlerin tickt?
Nein. Woher sollte ich das wissen? Ich kenne sie gar nicht und alles, was da passiert, ist Fiktion, abgesehen von den nachgespielten dokumentarischen Szenen. Wir haben eine mögliche Merkel geschaffen. Vielleicht ist sie ganz anders als das öffentliche Gesicht, das sie uns zeigt.

Ein häufig erhobener Vorwurf gegen Merkel ist, die Probleme auszusitzen und wenig entscheidungsfreudig zu sein. In einer häuslichen Szene, während die Flüchtlinge im Fernsehen zu sehen sind, macht Ehemann Joachim Sauer ihr Vorwürfe.
Zumindest macht er darauf aufmerksam, was sie versäumt hat und dass ihr Anspruch im Gegensatz zu ihrem Tun steht. Er sagt ihr, wenn du so denkst, dann mach es auch. Er spornt sie an, sich zu trauen. Und das tut sie dann auch.

Können Sie das Motiv erklären, sich nicht nur gegen ihre eigene politische Strategie, sondern auch gegen die Staatsräson der Regierung zu stellen, deren Chefin sie ist?
Es ist nur eine Spekulation, aber man kennt ihre Biografie, weiß, dass sie in einem christlichen Haus aufwuchs und aus der DDR kam. Da treffen sich Nächstenliebe und das Recht auf Freiheit. Schon aus diesen beiden Begriffen, die eine große Rolle in ihrem Leben spielen dürften, lässt sich herleiten, dass es für sie wichtig war, Menschen in Not zu helfen und sie aufzunehmen.

Als eine tragische Nebenwirkung der Offenhaltung der Grenzen gilt der wachsende Zuspruch für die AfD. 2015 stand sie bei vier Prozent, jetzt wählt sie im Osten fast jeder Vierte. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Ich bin keine Politikexpertin und erkläre mir das so, wie die meisten von uns. Der Frust über unerfüllte Möglichkeiten wird benutzt. Es zeigt sich immer wieder, dass das rechte Gedankengut einfach da ist. Es war nur verdeckt, keineswegs besiegt. Früher waren es Juden, Zigeuner, Gastarbeiter, die als Sündenböcke herhalten mussten, wenn das eigene mickrige Leben nicht so berauschend war. Der Frust gebiert Neid, Häme und irgendwann den Hass. Das Flüchtlingsproblem trifft Deutschland nicht zum ersten Mal, wenn man an das Ende des Zweiten Weltkriegs denkt. Wer kommt denn nicht aus einer Flüchtlingsfamilie? Ich selbst stamme aus einer Flüchtlingsfamilie und Deutschland nahm uns auf.

ARD, 15. April, 20.15 Uhr
 

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