Hildebrandt und Hanitzsch mischen die Medien auf

Ziemlich beste Störenfriede: Die Kabarettlegende und der Karikaturist wollen ganz ohne Zwang, Intendanten und Redakteure senden
von  Robert Braunmüller
Kabarettist Dieter Hildebrandt (l.) und der Karikaturist Dieter Hanitzsch sind die Chefs des neuen Störsenders
Kabarettist Dieter Hildebrandt (l.) und der Karikaturist Dieter Hanitzsch sind die Chefs des neuen Störsenders

Ziemlich beste Störenfriede: Die Kabarettlegende und der Karikaturist wollen ganz ohne Zwang, Intendanten und Redakteure senden

Man möchte einmal in seinem Alter auch noch so rege sein wie Dieter Hildebrandt. Der Kabarettist sprüht vor Pointen und Energie. Und er fängt mit 85 Jahren noch was Neues an: Mit seinem Freund Dieter Hanitzsch und dessen Sohn startet er ein Internet-Projekt, das gestern in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft vorgestellt wurde. „Störsender.tv“ soll es heißen. Hildebrandt will sich dort alle zwei Wochen für eine halbe Stunde über Merkel, Seehofer und die anderen üblichen Verdächtigen aufregen.

Kollegen wie Frank-Markus Barwasser, Konstantin Wecker, Roger Willemsen oder Sigi Zimmerschied wollen ebenfalls mitmachen. Sogar der scheue Gerhard Polt hat zugesagt. Dieter Hanitzsch wird live zeichnen, während Hildebrandt ihn dabei mit seinen Kommentaren stört. Das Ganze will aber mehr sein als ein Stammtisch älterer Herren. „Der ,Störsender’' will da stören, wo er glaubt, stören zu müssen, der Ungerechtigkeit ins Handwerk pfuschen, der Demokratie Nutzen zufügen und der Korruption ein Bein stellen“, erläutert Hildebrandt. „Extremisten aller Couleur nimmt der ,Störsender’ aufs Korn, Politiker aller Parteien nimmt er auf den Arm, Störenfriede und Aktivisten aller Art nimmt er ins Programm.“ Hin und wieder soll auch unsere Nationalhymne abgesungen werden. Und ein gelegentliches Gedicht darf nicht fehlen. Jeder, der über einen Internetzugang verfügt, darf gebührenfrei zuschauen.

Neben politischem Kabarett will die neue Seite eine Gegenöffentlichkeit formen, Medienkritik üben und auf sonst ignorierte Fundstücke aufmerksam machen. Hildebrandt hat sich neulich darüber geärgert, dass außer dem Bayerischen Rundfunk niemand über einen Aktenfund berichtete, demzufolge der Verfassungsschutz die Münchner Polizei zehn Stunden vor der Geiselnahme bei den Olympischen Spielen von 1972 vor einem drohenden Anschlag gewarnt hatte – was ohne Folgen blieb. Hildebrandt begeistert besonders, „ohne die Behelligung von Menschen oder Redakteuren, die es besser wissen“, arbeiten zu können. Finanziert werden soll die Internetplattform über Spenden. Dazu wurde eine Crowdfunding-Kampagne auf der Plattform startnext.de gestartet, auf die ab dem Wochenende eingezahlt werden kann. Diese Finanzierungsform soll „die maximale redaktionelle und künstlerische Freiheit garantieren“.

Ab fünf Euro ist man dabei. Wenn die notwendigen 125000 Euro nicht zusammenkommen, gibt es das Geld wieder zurück. Alle Einzahler bilden zusammen eine Art Rundfunkrat, der eigene Anregungen einbringen und über Inhalte mitbestimmen darf. Es liegt in der Hand des Publikums, ob sich die Plattform mehr in Richtung Kabarett oder in Richtung politischen Journalismus entwickelt. Während der Pressekonferenz erklärte auch noch Urban Priol per Handy seine Mitwirkung. Hildebrandt geht übrigens nicht selber ins Internet: „Brauch’ ich nicht. Meine Frau macht das, und ich gucke mit rein.“ Er hat als Zeitungsmensch sieben Blätter abonniert. Hildebrandt arbeitet eben ganz modern crossmedial. Robert Braunmüller

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