Hier kracht's! Produzent Stefan Raiser über den RTL-Film "Helden" mit Heiner Lauterbach

Ein Riss geht in „Helden” durch Deutschland. Schuld daran hat diesmal aber „nur” ein Schwarzes Loch. Das erzeugen Wissenschaftler bei einem fatalen Urknall-Experiment in einem Genfer Forschungslabor. Was dann an Chaos folgt, sieht fast so aus wie in einem Katastrophenfilm von Roland Emmerich, stammt aber von der Münchner Firma Dreamtool und dem Produzenten Stefan Raiser. Mit seinem bisher aufwendigsten, starbesetzten (Hannes Jaenicke, Christiane Paul, Armin Rohde) Action-Trash-Spektakel „Helden” wird er polarisieren.
AZ: Herr Raiser, wie hoch ist der Quotendruck bei so einer aufwendigen TV-Produktion?
STEFAN RAISER: Zwar wird mir von RTL keine Hausnummer übermittelt, aber wenn der Marktanteil unter 20 Prozent liegen würde, wäre es ein gewaltiger Flop.
Mit Bezugnahme auf den Titel ihres Films - was ist für Sie denn ein „Held“?
Mir gefällt der Slogan „Die Kleinsten werden die Größten sein.“, sprich die Alltagshelden. Schauen wir doch auf die Jahrhundertflut in diesem Jahr. Wenn Leute da ihre Keller leerschaufeln und die Altstadt nicht zum ersten Mal von Schlamm befreien, dann sind das Helden für mich. Ich finde schon, dass unser Land hier etwas zu bieten hat.
Das klingt stolz und selbstbewusst. Eine ähnlich patriotische, für deutsche Produktionen ungewöhnliche Grundstimmung kennzeichnet auch die Machart ihres sehr amerikanisch wirkenden Films.
Ich komme aus einer Generation, in der Stichworte wie „Vaterlandsliebe“, „Heimatliebe“, „Patriotismus“ sehr mit Vorsicht zu genießen sind. Im Geschichtsunterricht haben wir gelernt, dass man „Ich bin stolz ein Deutscher zu sein“ besser nicht sagt. Das hat ein Geschmäckle, wie man in Schwaben sagt. Für mich war aber die WM 2006, die ich in allen Zügen genossen habe, ein prägendes Erlebnis. Hier hat mir auch unheimlich gefallen, dass sich jeder noch so brave Bürger plötzlich eine Deutschlandfahne über den Balkon gehängt hat oder Schwarz-Rot-Gold auf die Balkon gemalt hat, und zum Public Viewing ging. In diesen Tagen wurde die Nationalhymne mit einer Inbrunst gesungen, dass die Gläser gescheppert haben, aber hinterher eben auch. Plötzlich war da so ein Gefühl „Das darf man wieder“ und das kannte ich bis dahin nur aus den USA. Ich fand es angenehm, dass wir uns ein bisschen locker gemacht haben von diesem „Wir sind alle schuldig“, ohne das jetzt in eine falsche Ecke zu stellen.
Und warum wollten Sie diesen Patriotismus auch in „Helden“ unterbringen?
Das kennt man ja so nicht bei deutschen Filmen. Da fallen einem jede Menge amerikanischer Beispiele ein, die oft auch von deutschen Regisseuren gemacht wurden. „Air Force One“ von Wolfgang Petersen, „Independence Day“ von Roland Emmerich; mit traumhaften Ansprachen von amerikanischen Präsidenten, wenn alles den Bach heruntergeht. Mir hat das immer gefallen. Im deutschen Fernsehen verwalten wir so ein bisschen auch die Genrearmut. Wo sind reine Liebesfilme? Wo ist Science-Fiction? Wir machen viel Krimi, verfilmen die Aufreger der Tageszeitung oder die Chronik der deutschen Geschichte. Das soll auch so sein und machen wir auch gut, aber ein bisschen mehr Genrevielfalt sollte es schon geben. Das fand ich schon sehr mutig von RTL, so einen Science-Fiction-Film wie „Helden“ zu machen.
Vom Plot her liest sich ihr Film wie ein 150 Millionen-Dollar-Projekt. Sie mussten aber mit 8 Millionen Euro auskommen. Ist das bei so einem Stoff überhaupt möglich?
Wir fanden schon, aber man muss sich dann eben beschränken. Natürlich kann man da kein Spektakel wie das amerikanische Kino abfackeln, man konzentriert sich dann auf die großen Ikonen wie den Reichstag. Ich verstehe bis heute nicht, warum der im TV oder Kino bisher nicht würdig vernichtet wurde. Dann haben wir auch sehr viele Geschichten, die wir sehr verdichtet erzählen, das kann man mögen oder nicht. Am Ende ist es ein extrem unterhaltendes, buntes Spektakel geworden, in dem immer etwas passiert. Und genau das soll es ja sein.
Im Prolog heißt es: Wir sollen nicht Gott spielen und bei aller Forschung nicht unsere Menschlichkeit verlieren. Schwingt da als Botschaft eine gewisse Technologiefeindlichkeit mit?
Das schönste an solchen großen Unterhaltungsfilmen ist für mich, wenn man es schafft, doch noch ein Thema zu transportieren. Mit dem RTL-Eventfilm „Bermuda-Dreieck Nordsee“ ist uns ein großer Erfolg gelungen, Sonntags haben wir sogar den Tatort geschlagen. Und da war auch noch so ein Hauch von Thema drin, es ging um die CO2-Sequestrierung, die Verklappung von Kohlendioxid. So auch in „Helden“. Stichwort „Restrisiko“. Wir alle kennen das Wort, wir wissen, was es bedeutet, aber Bedeutung hat es für uns erst wieder seit Fukushima. Wir alle wussten, da passiert eh nix und so ähnlich ist es, wenn man nach CERN fährt und sich mit Wissenschaftlern über Schwarze Löcher unterhält. Da heißt es, die machen wir ständig, die zerfallen dann wieder und die Endzeittheoretiker im Internet sind alle Spinner. Ja, glaube ich auch, aber es gibt ein Restrisiko, das verneinen die dort auch nicht. Sie spielen Gott, es geht darum, den Urknall nachzustellen und keiner von ihnen kann genau sagen, was passiert, wenn es gelingt und dieser LHC-Teilchenbeschleuniger endlich auf Geschwindigkeit läuft. Dieses Gefühl darf im Film so einen Hauch mitschwingen, ohne jetzt träge, ernst und mit erhobenem Zeigefinger daherzukommen. Und vielleicht sind wir manchmal mit vielen Dingen, die uns die Wissenschaft ermöglicht, auch zu schnell, überholen uns links und schießen uns damit selbst ins Aus. Mir gefällt, wenn so etwas mitschwingt.
„Helden“ ist ein Unterhaltungsfilm, bei dem Freunde der Logik und Wahrscheinlichkeit sicher die Haare zu Berge stehen werden.
Dass das größte wissenschaftliche und auch teuerste Projekt der Welt in Genf einen Teilchenbeschleuniger hat und auch in riesigen Dimensionen funktioniert, ist ja bekannt. Wir haben ihn im Film halt Collider genannt. Es ist erstaunlich klar recherchiert, dass, wenn es ein Schwarzes Loch in dieser Größe gäbe, alles, was wir im Film zeigen – eine EMP-Welle, Verschiebung der Erdplatten, Zusammenbruch des Flugverkehrs – wirklich so geschehen würde. „Helden“ ist also wesentlich seriöser, als man denken mag, Aber natürlich bestreiten alle Wissenschaftler, dass jemals ein Schwarzes Loch in dieser Größenordnung entstehen könnte. Aber es sollte ja auch kein Dokumentarfilm werden.
Szenen, in denen ein Muslim und ein katholischer Priester gemeinsam das Brot brechen sind so plakativ, dass sie fast unfreiwillig komisch wirken.
Natürlich haben wir das ein oder andere Mal geschmunzelt, als wir zusammen das Drehbuch geschrieben haben. Wir wollten es aber ganz bewusst „dick“ und auch genauso symbolisch plakativ, dass man zusammenhalten soll und im Angesicht des Weltuntergangs vor Gott alle gleich sind. Man kann da auch weniger mit der Musik draufgehen, aber wir dachten, wenn schon plakativ-symbolisch, dann richtig.
Wie kam es zu der Idee, Christine Neubauer als Ruhrpott-Krankenschwester Rosi zu besetzen?
Ich bin einfach ein großer Fan von ihr. Christine Neubauer hat noch nie etwas für RTL gemacht und ich wollte sie einfach unbedingt – auch, wenn es nur eine kleine Nebenrolle ist – mit dabei haben.
In der Branche bezeichnet man Sie als auch despektierlich als „Bruckheimerle“, in Anlehnung an den Blockbuster-Produzent Jerry Bruckheimer aus den USA. Fühlen Sie sich da nicht ganz ernst genommen?
Ich störe mich nicht daran, weil ich mir ja selbst so eine Nische geschaffen habe. Dann darf man sich auch nicht darüber beschweren, wenn man so einen Spitznamen bekommt. Aber eine Stellung wie Jerry Bruckheimer zu erreichen, gehört zum größten, was in der Branche möglich ist und deshalb gibt es auch wesentlich schlimmere Vergleiche.
Sie haben mit ihrer Produktionsgesellschaft Dreamtool auch ein Büro in München, viele andere Produzenten sitzen in Berlin. Wie kommt’s?
Mein Partner Felix Zackor und ich, wir kennen uns seit Schulzeiten. Und einen Tag nach dem Diplom an der Filmakademie in Ludwigsburg sind wir – er kam aus Bochum – am frühen Morgen nach München umgezogen. Für uns war klar: Wenn wir Produzenten sein wollen, ist München die beste Basis dafür und das hat sich auch bewahrheitet. Über Berlin stimmt ja, was man sagt: Arm, aber sexy. Dafür kann ich mir nix kaufen und sexy bin ich auch so – sagt zumindest meine Frau. Spass beiseite. In München gab es einfach eine klare Struktur, die es jungen Produzenten ermöglicht, in der Branche Fuß zu fassen, sprich: das Bayerische Filmzentrum, der FFF Bayern, ein Stipendium der VGF. Ein Jahr das Büro umsonst zu haben im Bayerischen Filmzentrum auf dem Bavaria-Gelände. Das gab es in ganz Deutschland sonst nicht.
Warum haben Sie dann in Ludwigsburg und nicht an der HFF studiert?
Ich glaube einfach, dass Ludwigsburg die Gnade der späten Geburt hatte. Das war die letzte Filmhochschule, die von allen anderen lernen konnte, während die anderen, gerade in München und Berlin, ein bisschen satt, ein bisschen bräsig waren und sie hatte nicht diesen Autorenfilmer-Mief. In Ludwigsburg war alles frisch, marktorientiert, mehr Geld da und hatte einen ganz anderen Drive. Und da ich von meiner Einstellung her eh eher Bruckheimerle als Autorenfilmer war, war Ludwigsburg mir wesentlich näher.
Könnten Sie sich vorstellen, so einen Film wie „Helden“, der viele Sets benötigt, in den Bavaria Filmstudios zu drehen?
Für „Helden“ haben wir Sets errichtet, die so groß waren, dass wir zuerst gar keine Halle dafür gefunden haben. In den Bavaria Studios, aber auch in Babelsberg wäre das aus Kostengründen undenkbar gewesen. Hier ist es für uns einfach viel zu teuer, weil wir aus einem Euro immer mindestens 1,30 machen müssen. Sonst werden wir unserem Image nicht gerechnet, dass die Filme teurer aussehen als sie sind. Wir finden dann immer noch eine Abrisshalle in NRW, wo wir etwas wesentlich günstiger hinstellen können.
Wie stark konkurrieren Sie mit Nico Hoffmann und teamWorx um Sendeplätze?
Grundsätzlich ist es herausragend, was Nico Hofmann geleistet hat. Er hat im Alleingang das Fernseh-Event wieder erfunden. Aber natürlich konkurrieren wir um die gleichen Töpfe, Sendeplätze, Aufmerksamkeit, und da müssen wir gucken, wie wir uns schlagen. Gerade, weil es bei den Privaten zunehmend weniger Events und Sendeplätze geben wird. International verkauft sich „Helden“ aber sehr gut. Es gibt eine 120 Minuten Version, wo wir auf ein bisschen Rentner da, ein bisschen Penner hier verzichten und ganz auf Science-Fiction und Action gehen. Dennoch entwickeln wir seit Jahren auch immer mehr fürs Kino, und geben dort richtig Gas.
Stichwort Kino. Sie arbeiten an „Arminius“, eine Auseinandersetzung mit der Varusschlacht. Wird das Projekt ähnlich patriotisch wie „Helden“?
Nein, wir orientieren uns bei dieser englischsprachugen, internationalen Co-Produktion eher an Filmen wie „Braveheart“ oder „Gladiator“, also auch an keiner comichaften Überzeichnung wie bei „300“. Das ist mein absolutes Traumprojekt und mittlerweile kommen auch immer Bausteine für eine Realisierung zusammen, aber man braucht dafür auch ein ordentliches Budget. Einen Teil habe ich, einen anderen nicht. Jetzt schaun mer mal.
Und was macht es für sie interessant, diese Geschichte jetzt noch zu erzählen?
Arminius und Varusschlacht sind für mich universeller denn je. Allein bei der Expansion der Römer denkt man an die Amerikaner – die gehen in die entferntesten Länder, und versuchen denen die westliche Kultur aufzudrücken. Oft funktioniert das, aber damals ging diese Politik in die Hose. Da haben die Römer echt eine dicke Schlacht verloren. Spannend ist aber auch die Heldengeschichte des Arminius: Der Germane, der von den Römern zum besten Kriegsherrn erzogen wird und ihnen in einer unglaublich raffinierten Nummer in den Rücken fällt und ihnen die schmerzhafteste und erste Niederlage aller Zeiten zufügt. Auch war es die Schlacht, die Europa und die Grenzen Europas sortiert hat, was sehr viel mit uns zu tun hat. Aber vor allem hat das Projekt alle Elemente, die ich an „Braveheart“ und „Gladiator“ so sehr mag.
Tag der Deutschen Einheit, RTL, 20.15 Uhr