Heizungszoff eskaliert bei "Hart aber fair": "Jetzt machen Sie mal entspannt!"
Nach Mitleid klinge das für ihn nicht, meint Moderator Louis Klamroth am Montagabend bei "Hart aber fair". Tatsächlich fiel die Antwort von Christian Dürr, Fraktionsvorsitzender der FDP, auf die Skandale im Wirtschaftsministeriums seines Koalitionspartners Robert Habeck denkbar trocken aus. "Es ärgert, glaube ich, auch alle Menschen in Deutschland, wenn man den Eindruck hat, dass Politik sich mit sich selbst beschäftigt und nicht mit den Herausforderungen des Landes", kommentierte er den Rücktritt von Staatssekretär Patrick Graichen und die Untersuchung von Staatssekretär Udo Philipp zu "möglichen Interessenkonflikten".
Louis Klamroth über Heizgesetz: "So richtig klar ist da gar nichts"
An Herausforderungen mangelt es nicht. Eines davon ist das geplante neue Heizgesetz, das ab 1. 1. 2024 in Kraft treten und reine Öl- und Gasheizungen verbieten soll. Doch: "So richtig klar ist da gar nichts", bringt es Louis Klamroth auf den Punkt. Um eben diese Klarheit zu schaffen, möchte Katrin Göring-Eckardt, B’90/Grüne und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, den Gesetzesentwurfs noch vor der Sommerpause verabschieden: "Die Leute brauchen keine Hängepartie, kein Aussitzen und kein Abwarten", erklärt sie.
Neues Heizungsgesetz: Die FDP hat keine Eile
Gegenwind kommt ausgerechnet (auch) vom Koalitionspartner. Erst an diesem Vormittag hatte der FDP Generalsekretär Bijan Djir-Sarai einen Gesetzes-"Neustart" verlangt. Im aktuellen Entwurf fehle es an "echter Technologieoffenheit", betont im ARD-Studio auch Dürr und sieht den Bedarf an einer "parlamentarischen Überarbeitung": "Es ist nicht entscheidend, wann dieses Gesetz in diesem Jahr kommt, sondern dass es ein gutes Gesetz gibt", sieht er keine Eile.

Für ihn fehlt es derzeit an etwas Entscheidendem: "In Deutschland haben wir ein Gasnetz, das eine halbe Million Kilometer lang ist, das hat einen Wert von 270 Milliarden Euro. Meine Sorge beim aktuellen Gesetz ist, dass das Gasnetz außer Kraft gesetzt wird, und dann muss ein Stromnetz für mehrere Hunderte Milliarden Euro zugebaut werden. Das zahlt jemand, nämlich die privaten Haushalte." Sinnvoller wäre es, die Gasnetze beispielsweise mit Biogas oder Wasserstoff weiterzunutzen, meint er und fügt hinzu: "Das sagt nicht nur die FDP, sondern das sagt der Verband der kommunalen Unternehmen, das heißt alle Stadtwerke in Deutschland."
Markus Feldenkirchen: "Schuld sind alle hier am Tisch"
Grüner Wasserstoff habe aber einen verschwindend geringen Anteil an der Wärme in privaten Haushalten, zitiert dazu "Spiegel"-Journalist Markus Feldenkirchen eine Metastudie mit 40 Einzelstudien. Er verortet in Dürrs Argumenten eine Hinhaltetaktik: "Dass Sie das beherzt angehen wollen, den Eindruck vermitteln Sie nicht", zieht er die FDP in die Verantwortung und fügt hinzu: "Schuld sind alle hier am Tisch", meint der politische Experte und bezieht den Journalismus mit ein. Auch habe beispielsweise die Union über Jahre das Problem des Klimawandels hinweg ignoriert, sodass jetzt eine Aufholjagd stattfinden müsse.
Aus Oppositionsreihen übt Julia Klöckner, wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Kritik am Entwurf. Für sie liegt der Fokus zu stark auf dem Thema Wärmepumpen. "Das ist eine gute Erfindung, passt aber nicht überall", sagt sie und meint, dass "das Pferd falsch aufgesattelt wurde, nämlich von hinten". Zuerst brauche es eine kommunale Wärmeplanung und die Netze, damit Hausbesitzende entscheiden können: Welche Heizung passt zu welchem Wärmenetz? "Sie haben ein Gesetz vorgelegt, das den Leuten erzählt, es wird eine technische Engführung auf das Thema Wärmepumpen geben", zweifelt sie daran, dass politische Entscheidungen zum Wohle der Bürger getroffen werden.
Dass Klöckner selbst Kabinettsmitglied unter Bundeskanzlerin Angela Merkel war, hat am Tisch keiner vergessen, auch FDP-Mann Dürr nicht, der sich mit der Unionspolitikerin wiederholt wechselseitig ins Wort fällt (Klöckner: "Jetzt machen Sie mal entspannt!"). "Sie haben gar nichts gemacht!", blafft der Liberale die CDU-Frau an, die kontert: "Sie haben sich 'Fortschrittskoalition' genannt. Wenn ich so eine Fortschrittskoalition sehe, wünsche ich mir die alte zurück!" Louis Klamroth hat hier alle Mühe, die erregten Gemüter zu bändigen.

"Die Leute wollen wissen, wo ihre Förderung herkommt, verflixt noch mal"
"Der Entwurf ist schon wirklich technologieoffen", will Göring-Eckardt den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen. So werde von 65 Prozent erneuerbaren Energien ausgegangen, "ob es erreicht wird mit Hybridheizung, also mit einer kleineren Wärmepumpe, plus Gasheizung, ob es erreicht wird mit anderen Technologien – alles gut, alles richtig, alles möglich". Generell gehe es aber ohnehin nicht darum, dass alle Deutschen im nächsten Jahr eine Heizung neu bauen müssen. "Wir haben dafür Zeit. Das hätten wir von Anfang an deutlicher sagen müssen", gibt sie Mankos in der Kommunikation zu.
Jährlich würden bloß 0,7 Prozent und damit etwa 140.000 Heizungen kaputtgehen, nennt Hermann-Josef Tenhagen, Wirtschaftsjournalist und Chefredakteur des Verbraucher-Ratgebers "Finanztip", Zahlen. Als "Anwalt der Verbraucher" steht für ihn eine andere Frage im Vordergrund: "Die Leute wollen nur wissen, wo ihre Förderung herkommt und wie viel das ist, verflixt noch mal". Schließlich könne sich nicht jeder kann eine Wärmepumpe für rund 25.000 Euro leisten. Derzeit ist im Gesetzesentwurf von 30 bis 50 Prozent der Kosten die Rede.
Allerdings fordert die Opposition bereits eine Anpassung, und auch die Grünen wollen jetzt bis zu 80 Prozent Förderung für Geringverdiener und damit für Haushalte, die weniger als 20.000 Euro Einkommen pro Jahr haben. "Wir haben den Fehler gemacht, dass wir nicht von Vornherein mitgedacht haben, was das sozial, ökologisch und ökonomisch bedeutet", gesteht Göring-Eckardt. "Die soziale Frage mitzudenken, ist das A und O, wenn man solche großen Veränderungen plant."