Interview

Heino Ferch im Interview: Herzen in Rotationsturbulenzen

Heino Ferch über seine Rolle in dem ARD-Film "Liebe ist unberechenbar"- und was Frauen für ihn anziehend macht
von  Michael Stadler
Trio mit ein paar Fäusten: Leonard (Heino Ferch, Mitte) hat mit Judith (Tanja Wedhorn) und seinem Vater Franz (Michael Gwisdek in seiner letzten Rolle) ganz schön viel um die Ohren.
Trio mit ein paar Fäusten: Leonard (Heino Ferch, Mitte) hat mit Judith (Tanja Wedhorn) und seinem Vater Franz (Michael Gwisdek in seiner letzten Rolle) ganz schön viel um die Ohren. © ARD Degeto/Britta Krehl

In Zeiten des Lockdowns sind Interviews vis-à-vis kaum möglich, daher findet das Gespräch mit Heino Ferch per Telefon statt. Dabei spielt er in seinem neuen Film "Liebe ist unberechenbar" einen Mann, der anderen auch ganz ohne Epidemie lieber fern bleiben möchte: Mathematikprofessor Leonard leidet unter einer Sozialphobie, soll aber als Teil einer PR-Maßnahme junge Schüler vom Spaß am Rechnen überzeugen.

Als Hilfe bekommt er Judith zur Seite gestellt, die im Campuscafé jobbt. Von höherer Mathematik versteht sie wenig, kann aber mit ihrem lebenslustigen Naturell andere leicht für sich einnehmen. Auch den Professor? Während beide sich mit einigen privaten Problemen herumschlagen müssen, entsteht zwischen Judith (Tanja Wedhorn) und Leonard leise Zuneigung. Eine schöne Rolle für Heino Ferch, der den Professor als anrührend zurückhaltenden Mann spielt.

AZ: Herr Ferch, es war gar nicht so einfach, einen Interview-Termin mit Ihnen zu bekommen, weil Sie immer wieder drehen. Der Lockdown hat also kaum Auswirkungen auf Ihr Arbeitsleben gehabt?
HEINO FERCH: Der erste Lockdown im März schon, da ist erstmal für einige Zeit nichts mehr passiert. Aber viele meiner Projekte wurden ja nur um ein paar Monate verschoben - seit dem Sommer war ich dann praktisch ständig am Drehen. Ich habe es jetzt sogar endlich mal geschafft, dass ich fast von meinem Zuhause am Ammersee aus arbeiten kann.

Die große Corona-Depression hat Sie also nicht erfasst.
Im Sommer ließ es sich auf dem Land gut aushalten. Jetzt aber in dieser dunklen, trüben Zeit ist es doch ganz schön mühsam. Uns geht allen das Gemüt auf Grundeis, das ist einfach überall spürbar.

Ferch: "Ich hatte den Wunsch, mal eine ganz andere Rolle zu spielen"

In dem Fernsehfilm "Liebe ist unberechenbar" spielen Sie nun einen Mann, der sich von Grund auf sehr gerne zurückzieht. Es gibt Szenen, in denen er Menschenmassen auszuweichen versucht, was eigentlich genau so aussieht, wie wir das gerade alle wegen der Pandemie tun. Es fehlt nur noch die Maske.
Ja! Verrückterweise wäre es für Leonard gerade eine Hoch-Zeit. Der würde sich total wohl fühlen.

Hat Sie gerade das an dieser Figur gereizt, dass sie so introvertiert ist?
Ich habe mit Tanja Wedhorn vor gut zweieinhalb Jahren in "Liebe verjährt nicht" erstmals gedreht, und wir haben dabei wunderbar harmoniert, weshalb die Produzenten und der Sender nach einem Drehbuch gesucht haben, das einen ähnlich schönen Dialogwitz und ein ähnliches Tempo hat. Und ja, ich hatte den Wunsch, mal eine ganz andere Rolle zu spielen, jemanden, der vielleicht auch ein bisschen verhaltensauffällig und ein bisschen kauzig ist.

Haben Sie selbst auch eine Tendenz, sich von anderen zurückzuziehen?
Überhaupt nicht. Ich kann zwar schon auch mal auf Distanz gehen, aber ich fühle mich sehr wohl unter Menschen und genieße es, in Gesellschaft zu sein. Diese Figur ist schon sehr weit weg von mir.

Weit weg liegt wohl Ihnen und den meisten auch der wissenschaftliche Jargon, den Leonard pflegt. Begriffe wie "Rotationsturbulenztheorie" gehen ja nicht unbedingt leicht von der Zunge.
Nein, Leonard denkt in Begriffen und logischen Ketten, die einem Nicht-Mathematiker sicherlich fremd sind. Ich war in der Schule auch nicht gut in Mathe, insofern musste ich mir diese Fachsprache stark antrainieren. In den Szenen musste es ja so klingen, als ob meine Figur das aus dem Effeff kann.

Leonard hat eine eher verhaltene Körperlichkeit. Hatten Sie dafür reale Vorbilder?
Nein. Ich habe vorab einen Verhaltenspsychologen getroffen, der das Drehbuch gelesen hatte und sich mit Sozialphobie auskennt. Für mich war schon wichtig, dass Leonards Leiden sichtbar wird. Gleichzeitig versucht aber jeder, der so eine Verhaltensauffälligkeit hat, sie auch zu verbergen. Ich hatte also die Aufgabe, immer wieder diesen Grad des Verbergens für die Figur auszutarieren. Und doch… ein Vorbild fällt mir jetzt wieder ein: Robin Williams, der leider vor einigen Jahren gestorben ist. Er hat in den Achtzigern und Neunzigern einige Figuren mit ähnlichen Eigenheiten gespielt…

Ferch: "Ich empfand die Arbeit mit Michael Gwisdek als großes Geschenk"

…etwa in "Zeit des Erwachens", wo er einen leicht spleenigen Arzt nach realem Vorbild spielte…
…genau. In solchen Filmen habe ich vorab ein bisschen gestöbert.

Während der Dreharbeiten zu Ihrem Film ist ein anderer großer Schauspieler gestorben - Michael Gwisdek, der Leonards Vater spielt.
Ja, das war im Nachhinein seine letzte Rolle, und sein Tod hat mich sehr getroffen. Ich habe mit seinem Sohn Robert zwei Filme gedreht und mit Micha ebenfalls zwei, wir kannten uns also, auch wenn wir jetzt nicht eng befreundet waren. Ich empfand die Arbeit mit ihm als großes Geschenk: Er war ähnlich wie der Vater, den er spielt, ein Entertainer durch und durch, ein toller Schauspieler, der einen berührt und unterhält. Er hat immer wieder Anekdoten aus seinem Leben zum Besten gegeben, es war von morgens bis abends ein großer Spaß mit ihm.

Gegen Ende gibt es eine besonders berührende Szene zwischen Vater und Sohn.
Ja, bei dieser Begegnung haben wir improvisiert, die Szene finde ich auch sehr gelungen.

Die Probleme, die der Sohn mit seinem Vater hat, bekommt auch Judith mit, die ihm bei der Präsentation vor den Kindern helfen soll - eine absolut konträre Figur für die komödiantische Reibung. Wobei es dann schon einige Zeit braucht, bis die titelgebende Liebe im Ansatz aufkeimt.
Ja, Judith stößt ihn durch ihre Lautstärke und Quirligkeit erstmal ab. Im Laufe ihrer Konfrontationen ist es dann vor allem erstmal sie, die mit einer gewissen Sensibilität auf ihn schaut. Was er bemerkt. Er fasst dann Millimeter für Millimeter Vertrauen zu ihr und sie nähern sich immer mehr an.

Ferch: "Mir gefallen Frauen, die sich in ihrer Haut wohlfühlen"

Die Liebe entsteht auch dadurch, dass sie sich gegenseitig Einblicke in ihr Privatleben geben.
Ja, wenn man Vertrauen zueinander hat, gibt man sich eben auch preis. Das ist die Basis für Liebe.

Was finden Sie selbst denn an einer Frau attraktiv?
Wenn sie Lust am Essen hat.

Das ist nicht Ihr Ernst. Das kann es ja wohl nicht alleine sein.
Doch! Gut, tolle Augen, das ist etwas, was mich oft zuerst anzieht. Und ein schönes Lachen. Mir gefallen Frauen, die sich in ihrer Haut wohlfühlen. Die nicht zu dünn sind. Also: die lustvoll essen.


"Liebe ist unberechenbar", ARD, 15. Januar 2021, 20.15 Uhr

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