"Hart aber fair"-Moderator Louis Klamroth würgt Haushaltsplan-Diskussion ab: "Jetzt wird es kompliziert"

Kindergrundsicherung, Panzer für die Ukraine, Klimaschutz: Wird die deutsche Bevölkerung gefragt, wo die Bundesregierung einsparen und das durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts entstandene 60-Milliarden-Loch im Haushalt stopfen soll, ist sie überfragt. "Patentlösungen - wenn wir die hätten, säßen wir in Berlin und würden nicht durch Hamm laufen", meinte einer der Befragten. Dafür erntete er am Montagabend Gelächter vom "Hart aber fair"-Publikum. Nach fast 45-minütiger Diskussion war im ARD-Talk offensichtlich: "Es scheint fast so, als hätten die in Berlin auch nicht die Patentlösungen", musste sich Louis Klamroth mit einem Achselzucken eingestehen. "Wie kann das sein?"
"Das Urteil ist frisch", argumentierte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Dass sich die Bundesregierung ungenügend auf den "Clusterfuck" (O-Ton Klamroth) vorbereitet hätte, wollte er nicht auf sich sitzen lassen. Zusätzlich könne das Urteil, die zur Milderung der Corona-Folgen eingeplanten 60 Milliarden Euro aufgrund der schlechten Begründung der Notlage nicht in den Klima- und Transformationsfonds zu transferieren, auch den Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds betreffen. Damit wären weitere rund 200 Milliarden Euro gesperrt, warnte VWL-Professor Jens Südekum. Noch gäbe es allerdings keine "einheitliche Einschätzungslage", so Kühnert.

Klamroth: Einsparpotenzial beim Dienstwagenprivileg?
Wie stark die Meinungen innerhalb der Regierung auseinandergehen, zeigte die Diskussion deutlich. "Es geht darum, zu verhandeln: Muss weniger ausgegeben, müssen andere Einnahmequellen erschlossen werden, muss ein juristisch wasserdichterer Weg gefunden werden mit Sondervermögen zu arbeiten", bezog sich Kühnert bei Letzterem auf die Aufstockung des Bundeswehr-Budgets. Zudem müsste die Notlage besser begründet werden, um neue Finanzierungstöpfe aufzumachen. Auf solche wollte FDP-Politikerin Linda Teuteberg nicht zugreifen. Sie sah im Urteil eine Aufforderung, über Prioritäten neu zu sprechen. "445 Milliarden Euro, das ist das Volumen des Haushalts, sind nicht zu wenig", fand auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler.
"Warum macht man sich nicht an eine Liste, wo man wirklich kürzen kann?", meinte Journalistin Kristina Dunz mit Blick auf die drei Ampel-Parteien, dass "jeder Federn lassen" müsste. Die Frage kam für Klamroth wie gerufen. Als er darauf selbst beim dritten Anlauf von Teuteberg keine Antwort erhielt, half er nach: Streichung des Dienstwagenprivilegs und der Kerosin-Subventionen lauteten Vorschläge. Mehr als ein "gucken wir alles an" bekam er jedoch nicht.

Kühnert: Kein "Spielzeug von Habeck und Scholz"
Wenig freigiebig zeigten sich auch ihre Koalitionspartner: "Wir als Grüne sind dafür, die Projekte umzusetzen", machte sich Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge gegen den Vorschlag von Friedrich Merz (CDU) stark, das Kindergeld zu streichen. Sie wollte zudem die versprochenen Investitionen in Chipfabriken und grüne Technologie einhalten. "Da werden ja nicht Clownsnasen finanziert, sondern Sachen, die mit der öffentlichen Infrastruktur, mit der Zukunft des Wirtschaftsstandorts, mit Unabhängigkeit zusammenhängen", ergänzte Kühnert, "das ist nicht ein Spielzeug von Habeck und Scholz".
Genauso plausibel könne man andere Posten im Haushaltsplan erklären. Natürlich könnte man 60 Milliarden Euro einsparen, Kühnert nannte das viel debattierte Bürgergeld als Beispiel. Doch "der Preis dafür ist, dass Gesellschaft auseinander fliegt." Wie aufs Stichwort versuchte CDU-Politikerin Güler kurz darauf, die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme mit Rechenbeispielen zu widerlegen. Kommentar Louis Klamroth: "Jetzt wird es kompliziert." Als sie mehrfach wiederholte, die Regierung hätte den Mindestlohn nicht ausreichend erhöht, wurde es dem Moderator zu bunt: "Ich habe zum Publikum gemeint, dass ich nicht weiß, wie oft ich in die Mitte muss. Aber jetzt mache ich es einmal", würgte er die Diskussion dazu ab.
Wirtschaftsexperte Südekum fordert Reform der Schuldenbremse
Interessierter war Klamroth daran, ob das Milliarden-Loch durch Einsparungsmaßnahmen zu stopfen sei. "Technisch geht das", entgegnete Wirtschaftsexperte Südekum, gab aber zu bedenken: "Die Diskussion zeigt, wie das laufen würde." Zu kürzen oder Steuererhöhungen durchzuführen, würde vielleicht mittelfristig funktionieren. Kurzfristig wäre aber die Aufnahme von Kreditverfahren und eine Reform der Schuldenbremse der einzige Weg.
Für konstruktive Staatsausgaben mache die 2009 im Grundgesetz verankerte Regel Sinn, die von der Konjunktur unabhängige, staatliche Neuverschuldung für die Länder zu verbieten und für den Bund auf maximal 0,35 Prozent des nominellen Bruttoinlandsprodukts zu beschränken. Langfristige Ausgaben für Klimaschutz hingegen werden jetzt getätigt, ergeben aber in den nächsten Jahrzehnten Rendite und müssten anders behandelt werden. Ein Vorschlag, der bei Kühnert und Dröge auf offene Ohren stieß.
Stimmung bei der Ampel-Koalition im Eimer?
Wie sie die Stimmung in der Ampel-Koalition wahrnehme, wollte Klamroth gegen Ende der Sendung von Kristina Dunz wissen. "Sie ist im Eimer", meinte die Journalistin wie aus der Pistole geschossen.
"Die Ampel hat diese eine Chance, das in Ruhe zu regeln. Dann könne sie es bis Ende der Legislaturperiode schaffen", meinte sie. Eine "Politik ohne Geräusche [...] wäre keine gute, demokratische Debatte", verwies Kevin Kühnert hingegen auf aktuelle Herausforderungen.