"Hart aber fair": Moderator Louis Klamroth führt Klima-Aktivistin Carla Hinrichs vor

Im April 2023 waren Umweltschutz und Klimawandel laut ARD-Deutschlandtrend Problem Nummer eins der Bundesbürger. Ein halbes Jahr später landete es nur auf Platz zwei. "Frau Hinrichs, Sie kleben sich auf die Straße, um Menschen wachzurütteln und das Problembewusstsein zu stärken. Funktioniert die Methode noch?", wollte Moderator Louis Klamroth, dessen Beziehung mit Klimaschutz-Aktivistin Luisa Neubauer Anfang des Jahres bekannt wurde, bei "Hart aber fair" (ARD) von Carla Hinrichs ("Letzte Generation") wissen. "Die Frage führt am Thema vorbei", antwortete sie und dachte wohl eine Spur zu lange nach. "Das ist ein typischer Satz, den normalerweise Politiker sagen, wenn sie eine Frage nicht beantworten wollen", nutzte Klamroth die Gelegenheit für eine Pointe.
Louis Klamroth hält Klima-Aktivistin Carla Hinrichs Politiker-Spiegel vor
"Ich denke, es funktioniert ziemlich gut, ich sitze heute hier und kann meine Message an ein großes Publikum bringen", versuchte Hinrichs, die Situation zu retten. "Das heißt, Sie wollen nicht die Zustimmungsrate zum Klimaschutz stärken, sondern sie wollen einfach im Fernsehen sein?", konterte der Moderator. "Ich kann Ihnen gern die Frage beantworten, wenn Sie mich kurz ausholen lassen", gewann die Klimaaktivistin wieder ihre Fassung: Die Zustimmungswerte seien da, zitierte sie eine Studie der Adenauer-Stiftung aus der vergangenen Woche, sie würden auch für konkrete Maßnahmen wie Tempolimit oder 9-Euro-Ticket gelten. Und würde die Regierung diese nicht umsetzen, müsse man nachhelfen. "In der Demokratie funktioniert das über Druck, über Protest, über laut sein und auf die Straße gehen."

"Wir haben die Klimaschutzlücke, die uns die Koalition angeführt von der Union hinterlassen hat, massiv kleiner gemacht", ließ Julia Verlinden (Grüne) den Vorwurf der Untätigkeit nicht auf sich sitzen und machte gleichzeitig das, was an diesem Abend noch öfters passieren sollte: "Schwarze-Peter-Hin-und-Herschieberei", nannte es der ARD-Meterologe Sven Plöger. Erneuerbare Energien wären ausgebaut, die Weichen für die Heizungswende wären gelegt worden, die Ampel hätte beschlossen, "zig Milliarden Euro" zusätzlich in die Deutsche Bahn zu investieren, listete Verlinden auf. Sie teilte das Anliegen der Klimaaktivisten, "dass es beim Klimaschutz zahlreiche Maßnahmen gibt, die wir noch umsetzen müssen und wollen - auch in dieser Legislatur." Dass an diesen und anderen Inventionen - seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtshofs zum Ampel-Haushalt - "ein Fragezeichen dran" steht, daran musste sie Klamroth mehrfach erinnern.

Aktivistin Hinrichs bei "Hart aber fair": "Wir werden vera*scht – von der eigenen Regierung"
"Letzte Woche hat das eigene Gericht, das Oberverwaltungsgericht in Berlin-Brandenburg, diese Regierung verurteilt und gesagt, ihr haltet euch nicht an eure eigenen Gesetze", meinte Carla Hinrichs auf Klamroths Frage, ob sie Bundeskanzler Olaf Scholz seine feste Entschlossenheit abnehme, aus fossilen Energieträgern auszusteigen. Deutschland müsse sich schämen, auf internationalen Konferenzen wie der aktuellen Weltklimakonferenz in Dubai "große Töne zu spucken, wenn die eigenen Gerichte attestieren, dass es nicht reicht", erklärte sie. "Wir werden verarscht", setzte sie nach: "von der eigenen Regierung, den Entscheidungsträgern, die uns verkaufen wollen, dass das der große Coup ist, wenn man 100 Millionen in den Fonds steckt". Verlindens Klarstellung, dass es sich beim angesprochenen Loss and Damage-Fund nur um einen Teil der Klimafinanzierung handelt, ging unter.
Peter Altmaier: Verliert Deutschland die Glaubwürdigkeit?
Statt wie bisher einzelne Sektorenziele erreichen zu müssen, will die Bundesregierung künftig ein Ziel für alle Sektoren festlegen. "Das, was die Ampel vorhat, ist, dass man sich wieder den schwarzen Peter oder das faule Ei zuschieben kann", verteidigte der ehemalige Umwelt- und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Sektorenziele, die im Klimaschutzgesetz der großen Koalition eingeführt wurden.
Deutschland würde laut Altmaier auch auf internationalem Parkett jede Glaubwürdigkeit verlieren. Dass er dabei mit der "Letzten Generation" übereinstimmte, überraschte, hatte ihn Hinrichs doch beschuldigt, eine Zukunft voller Sorgen hinterlassen zu haben. Solche Ausflüge in die Vergangenheit fanden häufig statt, und Klamroth musste immer wieder "zu heute und in die Zukunft" lenken, zu den Sektorenzielen beispielsweise. "Ich glaube nicht, dass es am Ende zu weniger Klimaschutz führt, weil ja das Gesamtziel trotzdem erreicht werden muss", verteidigte Verlinden den Entschluss der Ampel.
Es wäre eine "vernünftige Entscheidung", unterstütze sie Ökonom Clemens Fuest, "man bräuchte einen Zertifikatehandel über Sektoren hinweg". Statt willkürliche Einsparungen in Sektoren anzukündigen, sollte man dort einsparen, "wo es am günstigsten ist" und die CO2-Preise erhöhen. Nationale Maßnahmen würden wenig bringen, verwies Fuest darauf, dass Klimawandel global bekämpft werden müsse. "Wir müssen anderen Ländern Technologien anbieten, die energiefreundliche Energieproduktion attraktiv machen", setzte der Präsident des ifo Instituts auf Deutschlands Einfluss als "relevante Technologiemacht". So könne der Ausstieg aus fossiler Energie für Entwicklungsländer interessant und für Ölstaaten ein spannendes Businessmodell werden: "Sonst ist es eine Illusion zu glauben, wir könnten durch eine Senkung der Nachfrage nach Öl und Kohle das Klima schützen."
Sven Plöger schwört auf "riesige Aufgabe" ein
Momentan befinde sich die Welt laut Meteorologe Sven Plöger auf einem 2,7 Grad-Kurs und würde das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Abkommens überschreiten. "Wir liegen noch weit weg neben der Spur", verwies Plöger auf eine weltweite Untersuchung von State of Climate Action, die 42 Sektoren untersucht hatten. "Wir haben eine riesige Aufgabe, alle zusammen", sagte er mit Hinblick auf die Klimakonferenz 2024. Und Klamroth meinte: "Dann sprechen wir uns in einem Jahr wieder."