"Hart aber fair"-Moderator Klamroth hat die Faxen dicke: "Unmöglich, dass Sie mich ständig abwürgen"

"Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland." Diese Passage über den Islam im geplanten neuen CDU-Grundsatzprogramm hatte in den vergangenen Tagen für kontroverse Debatten gesorgt. Daran änderte auch wenig, dass der Text mittlerweile paraphrasiert wurde: "Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland", heißt es jetzt im Grundsatzprogramm, über das die CDU an ihrem Parteitag vom 6. bis 8. Mai in Berlin abstimmt.
Andere Worte hatte Markus Söder schon 2012 gefunden: "Die jungen Türkinnen und Türken gehören mittlerweile zu dieser Stadt, und auch der Islam ist ein Teil von Bayern geworden," sagte er damals. Ob er das heute genauso formulieren würde, fragte "Hart aber fair"-Moderator Louis Klamroth den Bayrischen Ministerpräsidenten. Er hatte den Politiker vor der Talk-Show zum Thema "Rechtsruck oder Kurs der Mitte: Soll Deutschland konservativer werden?" in der Staatskanzlei in München besucht.
"Muslime und ihr Glaube sind Bestandteil der Realität, ganz klar", wollte sich Söder im Interview auf "Wortklaubereien" nicht einlassen, tat es dann aber doch: So "konstitutiv wie Weißwürste in Deutschland" und damit "kultureller Bestandteil" wäre der Islam jedoch nicht. In Bayern funktioniere das Integrationsprogramm besser als anderswo in Deutschland. Dort gäbe es zwar die "höchste Zuwanderung", aber auch "die niedrigste Arbeitslosigkeit, die niedrigste Kriminalität". Das läge daran, dass man Chancen schaffen würde für Menschen und deren Familien, ohne abhängig zu machen. "Deshalb ist der Bavarian dream of life nach wie vor sehr attraktiv und erfolgreich", schwärmte er, "wer den nicht will, kann woanders leben. Da sind wir sehr konsequent."
Markus Söder über AfD: "Früher haben sie sich als Patrioten bezeichnet, jetzt haben sie Spione von Despoten"

Dass trotz dieses "Bavarian dream (of) life" rechte Gruppierungen wie die AfD und die Partei Freie Wähler Bayern während Söders Amtszeit als Ministerpräsident erstarkt wären, wies er von sich: Die Tendenz gelte für ganz Deutschland. "Aber auch in Bayern", sagte Klamroth und gab damit den Anstoß für ein Geplänkel: "Ja, wir sind ja noch Teil von Deutschland", nahm Söder den Ball auf. "Manchmal hätten Sie es gerne anders", spielte der Moderator diesen zurück, worauf sein Gegenüber lachte: "Ja, das wäre für uns günstiger. Finanziell in jedem Fall."
Auf die leichte Schulter nehme Söder die AfD aber nicht. Hinsichtlich der bevorstehenden Landtagswahlen im Osten sprach er von einer "schwierigen Herausforderung", die zu meistern wäre. Die AfD bekomme aufgrund des "Skandals hoch 10" selbst Panik: "Früher haben sie sich als Patrioten bezeichnet, jetzt haben sie Spione von Despoten", bezog er sich auf die Korruptions- und Spionage-Affären der Partei.
Markus Söder: "Verlorenes Jahr für Deutschland"
Ob sich der Thüringer Kandidat Mario Voigt mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen lassen würde, beantwortete Söder mit einem klaren "Nein": "Alle müssen den demokratischen Kandidaten unterstützen." Dafür benötige Voigt eine stabile Mehrheit - und für die müsste man jetzt werben. "Lassen Sie uns zuerst ins Match gehen. Da ist alles drin", plädierte er und setzte dabei auf das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Ob mit diesem eine Zusammenarbeit möglich wäre, ließe sich im Moment schwer abschätzen. "Wagenknecht ist nach jetzigem Stand nicht die AfD", meinte er. Entscheiden müsse das aber letzten Endes die Bundesspitze, nicht er als CSU Bundesvorsitzender.
Ein Wörtchen mitzureden hat Söder hingegen bei der Kanzler-Frage der Union. Einen Machtkampf mit Merz schloss er aus. "Nicht nur wegen der Erfahrungen von 2021, wo der Ehrgeiz des Einen dominiert hätte", argumentierte er. "Welcher Ehrgeiz war das?", hakte Klamroth nach. "Meiner war das nicht", wich der Ministerpräsident aus. "Sondern?", wollte ihm sein Gegenüber einen Namen entlocken. Den Gefallen tat ihm der Politiker nicht. "Vom anderen, den jeder kennt", meinte er und sprach im gleichen Atemzug von einer "inhaltlichen Übereinstimmung zwischen CDU und CSU", die es seit 15 Jahren nicht gegeben hätte.
Juso-Vorsitzender: "Wenn Merz Kanzlerkandidat der Union wird, wird Angela Merkel SPD wählen"
Ob Söder noch Kanzlerkandidat werden will oder den Kampf aufgegeben hat - lautete entsprechend Louis Klamroth' Einstiegsfrage in der darauffolgenden Talk-Show: "Beides", antwortete Robin Alexander, stellvertretender Chefredakteur der "Welt". Sollte der Bundesvorsitzender der CDU einen Fehler machen oder die Wahl im Osten ein Misserfolg werden, wäre Söder "innerhalb von drei Sekunden" wieder da.
Eine noch gewagtere Prognose stellte der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer auf: "Wenn Friedrich Merz Kanzlerkandidat der Union wird, wird Angela Merkel SPD wählen", hatte er die Lacher auf seiner Seite. Nur Mario Voigt (CDU, Parteivorsitzender in Thüringen) fand das nicht witzig: Die Beschwörung funktioniere im JUSO-Basiscamp. Die CDU sei "die einzige bürgerlich-konservative Partei in Europa mit 30 Prozent", sagte er. Der "Zuspruch" ist für ihn der Beweis: "Die CDU ist zurück."
Von diesem Zuspruch war wenig zu spüren, als Klamroth die Islam-Passagen im Grundsatzprogramm vorlas. Khola Maryam Hübsch (Journalistin und Publizistin) kritisierte den "verkrampften Umgang mit dem Islam, bei dem alte Begriffe aus der Mottenkiste geholt" würden. Juso-Mann Türmer warnte davor, durch solche Aussagen "islamistischen Menschenfängern arme junge Muslime in die Arme zu treiben". Enissa Amani (Künstlerin und Aktivistin) fühlte sich von der Diskussion getriggert: "Ich wünsche mir, dass wir mit gleicher Effektivität darüber sprechen, dass Milliardäre mit zwei Prozent Steuern davonkommen."
Leitkultur? CDU-Mann fällt die "Bratwurst" ein
Den Gefallen konnte ihr Klamroth in dieser Sendung nicht tun. Stattdessen löste er mit einem weiteren Triggerwort aus dem Grundsatzprogramm die nächste Diskussion aus: "Leitkultur war schon vor 20 Jahren Thema. Welche Bräuche muss ich kennen?", fragte er Voigt. Neben dem Beherrschen der Nationalhymne gäbe es länderspezifische Brauchtümer. Für ihn als Thüringer wäre es die "Bratwurst", antwortete der CDU-Spitzenkandidat.
Brauchtümer könnten sich auch erweitern, wie das Beispiel eines in seinem Bundesland lebenden Türken zeigte. Der hatte einen Döner zum Aufbacken entwickelt - "das ist gelebte Integration". Ein Beispiel, das der JUSO-Vorsitzende nicht unkommentiert lassen konnte: "Sie wurden gefragt, was stellen Sie sich unter Leitkultur vor - da kam Bratwurst und Aufbackdöner. Das ist intellektueller Tiefflug", warf er der CDU vor, durch solche Diskussionen nur von wichtigeren Fragen abzulenken.
Eine davon wäre die Frage, wie fest die CDU als Brandmauer gegen die AfD stünde. Türmer habe "gerade in Thüringen begründete Zweifel", holte er eine Liste mit Beispielen hervor, wo die CDU in den letzten Jahren mit der AfD im Landtag kooperiert hätte. "Nirgendwo", negierte das Voigt.
Klamroth legt sich mit Sahra Wagenknecht an

Wer von beiden recht hatte, blieb offen. Stattdessen wollte Klamroth von Sahra Wagenknecht wissen, ob sie einen Ministerpräsidenten Voigt oder Höcke unterstützen würde. "Das ist die falsche Fragestellung", konnte die BSW-Vorsitzende damit nichts anfangen, "wir treten an in Thüringen, weil wir etwas verändern wollen". Klamroth unterbrach sie: "Sie finden die Frage doof, ich würde gerne eine Antwort bekommen." Als sie ihm Letztere schuldig blieb, griff der Moderator zu harten Bandagen: "Dann frage ich Herrn Alexander", meinte er und wandte ihr den Rücken zu.
"Ich finde es unmöglich, dass Sie mich ständig abwürgen", empörte sich Wagenknecht, "das machen Sie mit anderen nicht so." - "Ich gebe Ihnen noch eine Chance", erbarmte sich Klamroth, worauf Alexander schelmisch einwarf: "Jetzt nicht weich werden!" Applaus und Lachen waren die Folge. Erst recht, als sich erneut ein Wagenknecht'scher Redeschwall ergoss: "Man kann das nur an Inhalten festmachen und nicht pauschal", kam sie schließlich einer Antwort nahe.
Damit mussten sich die Live-Zuschauer von "hart aber fair" zufriedengeben. Im Studio selbst wurde noch weiter diskutiert. Die Aufzeichnung dieser Verlängerung steht in der Mediathek zur Verfügung.