"Hart aber Fair": Louis Klamroth steht zwischen verhärteten Fronten

Der Ukraine-Krieg geht ins dritte Jahr, in Europa tun sich tiefe Gräben auf - ebenso wie bei "Hart aber fair" (ARD). Leidenschaftlich wurde für das Für und Wider einer neuen Aufrüstung diskutiert. Moderator Louis Klamroth debattierte unter anderem mit einem emotionalen Anton Hofreiter (Grüne).
Doris Neubauer |
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Oberst André Wüstner, Serap Güler (CDU) und Anton Hofreiter (Grüne) bildeten bei Moderator Louis Klamroth (von links) das Lager der Aufrüstungs-Befürworter.
Oberst André Wüstner, Serap Güler (CDU) und Anton Hofreiter (Grüne) bildeten bei Moderator Louis Klamroth (von links) das Lager der Aufrüstungs-Befürworter. © ARD

Vier deutsche Luftwaffenoffiziere unterhielten sich vierzig Minuten lang über die Implikationen von Taurus-Lieferungen aus der Bundesrepublik. "Stell dir vor, es geht an die Presse", meinte einer - und genau das passierte. "Es ist Krieg, und das beide Seiten einander ausspionieren ist klar, die Bundeswehr macht das bestimmt genauso", nahm es Jan van Aken (Linkspartei) gelassen: "Putin hat Propaganda gelernt, und wir fallen alle drauf rein. Heute bei 'Hart aber fair' reden wir über Taurus." Er wolle lieber über eine Verhandlungslösung für den Ukraine-Krieg sprechen. "Es gibt genug Leute, die sagen, Taurus wäre ein Teil einer Lösung, deshalb sprechen wir heute darüber", lenkte Louis Klamroth ein, "wir reden aber auch grundsätzlicher darüber, versprochen".

Auf die Einhaltung dieses Versprechens mussten van Aken und das Publikum an diesem Montag noch etwas warten. Zuerst war Taurus das Thema Nummer eins, über das Klamroths Gäste - Anton Hofreiter (Grüne), Serap Güler (CDU), Jessica Rosenthal (SPD), der ehemalige Berufssoldat Ottogerd Karasch, Oberst André Wüstner und Daniel Untch, Referent für Friedensbildung im Zentrum Oekumene - diskutierten.

Bei "Hart aber fair" diskutierten über das Für und Wider der Aufrüstung: Oberst André Wüstner, Serap Güler (CDU), Anton Hofreiter (Grüne), Moderator Louis Klamroth, Jan van Aken (Linkspartei) und Jessica Rosenthal (SPD, von links).
Bei "Hart aber fair" diskutierten über das Für und Wider der Aufrüstung: Oberst André Wüstner, Serap Güler (CDU), Anton Hofreiter (Grüne), Moderator Louis Klamroth, Jan van Aken (Linkspartei) und Jessica Rosenthal (SPD, von links). © ARD

Ob van Aken die Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz gegen die Lieferu

ng der Marschflugkörper für richtig hielte, wollte der Moderator vom Experten der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu internationalen Krisen- und Konfliktgebieten wissen. "Er macht fast alles falsch", so van Aken, "aber Taurus sollte man nicht tun".

Serap Güler: Olaf Scholz ist ein "echtes Sicherheitsrisiko"

"Der Kanzler ist ein echtes Sicherheitsrisiko für unser Land", wiederholte CDU-Politikerin Güler hingegen den Standpunkt der Union. Er habe einerseits den britischen und französischen Verbündeten mit seinen Äußerungen "gegen das Schienbein getreten". Andererseits habe er seine Entscheidung gegen die Taurus-Lieferung damit begründet, dass deutsche Soldaten in die Ukraine zu schicken seien. Dass das nicht zwingend notwendig sei, beweise das Beispiel Südkorea - bekam sie von ihrem Sitznachbarn Anton Hofreiter Unterstützung: Dort gäbe es 260 Taurus und "keinen einzigen Bundeswehrsoldaten".

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Zudem sei das Bedenken unberechtigt, dass Taurus auf russisches Gebiet zielen könnte: Man könne den Marschflugkörper "geo-fencen" und vor der "Auslieferung so gestalten, dass Ziele in Russland nicht anzustreben sind", erklärte er. "Sie sagen, die Taurus sind nicht hackbar und die Soldaten dachten vermutlich auch, die Telefone sind nicht abhörbar", konterte Klamroth. "Aber als Kanzler kann man sich schon beim Hersteller informieren, dass das geht. Das ist nicht verboten", meinte Hofreiter. Dass der "Kanzler nicht vernünftig informiert ist, ist falsch", wies SPD-Frau Rosenthal die Kritik an ihrem Partei-Kollegen von sich. In der Sache könnte man streiten, aber das "permanente Misstrauen" müsse enden.

Hofreiter: "Man müsste eigentlich davonlaufen"

"Wie oft haben Sie in den letzten zwei Jahren gehört, dass sich Politiker genauso intensiv darüber streiten, wen kriegen wir für diplomatische Lösungen, wie kriegen wir Putin an den Verhandlungstisch?", versuchte van Aken erneut, den Fokus auf eine Verhandlungslösung zu richten. Als er darauf verwies, dass es schon einmal eine Bedrohung aus dem Osten gegeben und Kanzler Willy Brandt damals erfolgreich auf Entspannungspolitik gesetzt hatte, wurde es Anton Hofreiter zu bunt: Den imperialistischen "Putin mit der alten Sowjetunion zu vergleichen [...] ist fast bizarr falsch", meinte er und setzte hinzu: "Man müsste eigentlich davonlaufen". "Ich hoffe, Sie bleiben noch im Studio", konnte ihn Louis Klamroth gerade noch davon abhalten.

Nicht nur für Hofreiter hinkte van Akens Vergleich: "Kriegstüchtig bedeutet nicht kriegssüchtig, wie Sie das versuchen, darzustellen", konnte sich Güler im Stimmengewirr der Antwortenden durchsetzen. Keiner mache sich die Entscheidung leicht, ergänzte sie mit Seitenhieb auf Rosenthal, die sich zuvor schon gegen unbesonnene Waffenlieferungen ausgesprochen hatte. "Wenn Putin gerade dabei ist, ein Drittel seines Haushalts für Verteidigung auszugeben und auf Kriegswirtschaft umzuschalten, kann es nicht so sein, dass er nur die Ukraine als Ziel hat", argumentierte Güler.

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Hofreiter will Position Europas deutlich machen

"Putin will Europa dominieren und spalten", stimmte ihr Wüstner zu, und die Deutschen durch Desinformationen, Leaks, aber auch Drohungen mit Atombomben verunsichern.  Um das zu verhindern sei der "Zusammenhalt Europas gegen Putin [...] elementar", plädierte Wüstner, aktuelle "Irritationen" zu kitten. Dass "diese Woche eine Katastrophe für Europa und Deutschland war", gestand auch Hofreiter ein und appellierte "an alle Beteiligten, dass sich Deutschland, Frankreich und Großbritannien - im Idealfall mit Polen - zusammenraufen und deutlich machen, wo die Position von Europa ist. [...] Sonst ist das ein Fest für Putin."

Laut Wüstner müsse Deutschland auch mehr in die Ukraine und in die eigene "Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit" investieren. Das wollte van Aken so nicht stehen lassen und berief sich auf Fakten: So habe die Bundeswehr in den letzten zehn Jahren ihr Budget um 60 Prozent erhöht. Wüstner wollte das mit einem "simplen Beispiel" widerlegen: Es wäre so, als hätte die Kölner Feuerwehr alle Löschfahrzeuge verkauft und sich nur auf das Auspumpen von Kellern spezialisiert. Trotz hoher Investitionen wäre sie dann für das Löschen eines Brandherdes nicht ausgerüstet.

van Aken: "Der Bundeswehrsoldat ist kein Beruf wie jeder andere"

Neben einem verpflichtenden Gesellschaftsjahr, das jungen Menschen die Chance gebe, sich für Bereiche wie Rettungsdienste, Kindergärten, Klima- und Umweltverbände oder die Bundeswehr einzusetzen, wollte Güler die Bundeswehr vermehrt an Schulen bringen.

Jan van Aken von der Linkspartei forderte eine diplomatische Lösung und sprach sich gegen die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine aus
Jan van Aken von der Linkspartei forderte eine diplomatische Lösung und sprach sich gegen die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine aus © ARD

"Der Bundeswehrsoldat ist kein Beruf wie jeder andere", sprach sich van Aken vehement dagegen aus: "Als Klempner werde ich im Zweifelsfall nicht erschossen. Als Bundeswehrsoldat doch." Das war das Stichwort für den ehemaligen Berufssoldaten Karasch: "Dafür gibt es auch Soldaten, damit jemand Klempner sein kann oder Dachdecker", wurde er emotional: "Ich leiste meinen Eid und im Ernstfall gebe ich mein Leben, damit alle anderen, egal, was sie tun, ihr Leben leben können."

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10 Kommentare
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  • Tonio am 05.03.2024 12:39 Uhr / Bewertung:

    Toll! "Panzer-Toni" ist ja ein unglaublich kenntnisreicher Wehr- und Waffenexperte. 🙂 Unglaublich, was für ein Potential in einem ungedienten Grünen steckt. Mit solchen Leuten an der Ostfront fühle ich mich gut gesichert.

  • Geradeaus-Denker am 05.03.2024 16:31 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Tonio

    Bei der Bundeswehr ist fast alles grün. Haben sie Probleme damit?

  • freeman am 05.03.2024 12:31 Uhr / Bewertung:

    Eine Ansammlung und Verherrlichung von Kriegstreiber*innen zur besten Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Da kann man nur Otto von Bismarck zitieren: „Nie wird so viel gelogen wie nach der Jagd, im Krieg und vor Wahlen.“

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