"Wir haben alle Mikrofone, wir müssen nicht schreien": Louis Klamroth weist bei "Hart aber Fair" AfD-Abgeordneten Holm zurecht

"Zuhören, demonstrieren, verbieten?", welche Strategie hilft gegen die extremen Rechten? Diese Frage stellen sich derzeit viele. Mit Gästen der AfD, Grünen und Union setzte Louis Klamroth bei "Hart aber fair" (ARD) am Montag auf Ersteres. Gelingen wollte das Experiment aber nur mäßig.
von  Doris Neubauer, AZ
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Soll gegen die AfD ein Verbotsverfahren eingeleitet werden? Laut ARD-DeutschlandTrend halten das derzeit 37 Prozent aller Befragten für angemessen. Eine entsprechende Petition erhielt kürzlich 800.000 Unterschriften. Bei "Hart aber fair" (ARD) zeigte sich der AfD-Bundestagsabgeordnete Leif-Erik Holm von diesen Diskussionen unbeeindruckt: "Ich fürchte mich nicht", winkte er ab.

Dabei hatte Jurist Ulf Buermeyer noch Minuten zuvor die "großartige Idee" von Schauspielerin Collien Ulmen-Fernandes aufgegriffen und ein "flammendes Plädoyer" (so Moderator Louis Klamroth) dafür gehalten, mögliches belastendes Material zu sammeln und einen Verbotsantrag gegen Holms Partei vorzubereiten. "Das kann nicht durchgehen", zeigte sich der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion selbstsicher, "Wir sind eine Rechtsstaatspartei, die fest auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Schauen Sie in unser Programm!"

Klamroth: "Wir haben alle Mikrofone, wir müssen nicht schreien"

"Belügen Sie sich jetzt selbst?", nahm ihm Louis Klamroth das Argument nicht ab. Schließlich hatte der Verfassungsschutz drei Landesverbände der Partei als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. "Wir haben es leider mit einem Verfassungsschutz zu tun, der zum Regierungsschutz mutiert ist", reagierte Holm und betonte, die Demokratie verbessern zu wollen. "Das glauben aber nur Sie", kommentierte Lamya Kaddor (Grüne), Leiterin der Arbeitsgruppe Inneres und Heimat.

"Jetzt geht das schon wieder los", setzte Holm zum ersten - aber nicht letzten - emotionalen Wortgefechts des Abends an. Da musste sogar Klamroth öfters einschreiten: "Wir haben alle Mikrofone, wir müssen nicht schreien", wies er hin. "Aber es regt auf, wenn immer wieder diese Falschmeldungen kommen", wiederholte Holm: "Schauen Sie bitte unser Programm an."

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Dieser Hinweis auf das Parteiprogramm wäre laut Buermeyer nicht "wahnsinnig überzeugend": "Das Bundesverfassungsgericht knüpft natürlich bei seiner Prüfung am Parteiprogramm an, schaut aber darüber hinaus, wie die Partei agiert", sah er darin kein Argument gegen einen Verbotsantrag und zitierte doch tatsächlich die Bibel: "An Ihren Taten werdet ihr sie erkennen."

Vorsitzender CDU Thüringen: "Den Schwachsinn in der Sache auseinandernehmen"

"Den Schwachsinn, den muss man wirklich in der Sache auseinandernehmen", kam das Mario Voigt, Vorsitzender im CDU-Landesverband Thüringen, entgegen. Er nutzte die Gelegenheit, der Ampelregierung die Schuld am Erstarken der AfD zu geben: "Was die Ampel in Berlin macht, ist Konjunkturprogramm für den Frust der Bürger."

Von einem Verbotsantrag hielt der Politiker ebenso wenig wie Landrat Tino Schomann (CDU) aus dem Landkreis Nordwestmecklenburg. "Wir können mit guter Politik die Extremisten in diesem Land wieder klein kriegen, da brauchen wir keine Verbotsverfahren" setzte er auf inhaltliches Diskutieren. "Man hat es gerade bei Bauernprotesten gesehen: Was Höcke und Holm wollen, ist etwas anderes, als was sie im Programm schreiben oder offenlegen", nannte er ein Beispiel: "Sie wollen die Subventionen kürzen, das muss man inhaltlich diskutieren."

"Das funktioniert ja nicht. In Thüringen ist die AfD weit vorne", zweifelte Louis Klamroth an dieser Strategie - und setzte bei "Hart aber fair" selbst auf eben diese.

Kaddor: „Ich glaube Ihnen kein Wort"

Schon bei den Positionen der AfD zur Migrationspolitik gab es Ungereimtheiten: So wollte Holm das "Versprechen" seines Kollegen René Springers bei X ("Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach.") nicht präzisieren (Holm: "Es gibt jede Menge Menschen, die zu uns gewandert sind, die hier kein Aufenthaltsrecht haben. Um die geht es.") und distanzierte sich von dem "privaten Treffen" in Potsdam. Nicht ganz glaubhaft für Kaddor: "Egal, wie engagiert Sie das hier vorbringen, ich glaube Ihnen kein Wort. Ich höre im Deutschen Bundestag etwas völlig Anderes als das, was Sie hier sagen."

Dass sich auch das Europa-Wahlprogramm der AfD von Holms Positionen unterscheidet, zeigte sich in der Diskussion mit Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie: Ein "Dexit" wäre nur die "ultima ratio", um Druck aufzubauen und eine Reform der EU in die Wege zu leiten, erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher. "Ich lese das anders in Ihrem Wahlprogramm", korrigierte Klamroth. "Da steht nicht: wenn wir es nicht reformiert bekommen. Da steht: Die EU ist im Sinne der AfD nicht reformierbar. [...] Ist das EU-Wahlprogramm die Position, oder das, was Sie hier sagen?"

"Das, was ich hier sage, ist die Position", lautete Holms Antwort, und als Kaddor daraufhin einen von der AfD kolportieren Austritt aus der NATO ins Spiel brachte, wurde es ihm zu bunt. "Immer reihenweise Unwahrheiten verbreiten, das ist nicht in Ordnung", richtete er das Wort in ihre Richtung. "Natürlich, Sie sind der Einzige, der weiß, was die Wahrheit ist", war sie um einen Konter nicht verlegen.

Automobilverbands-Chefin: Dexit wäre eine "Katastrophe"

Ob Dexit, eine neue Deutsche Mark oder eine "strenge Vorrang- und Alternativprüfung" im Hinblick auf den Fachkräftemangel: "Das Betonen von Problemen heißt nicht, dass man die richtigen Lösungskonzepte hat", konnten weder das Programm der AfD noch die Aussagen Holms Hildegard Müller überzeugen. Vielmehr wäre etwa der Dexit "nicht nur für die deutsche Wirtschaft, sondern Deutschland insgesamt [...] eine wirkliche Katastrophe".

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Es brauche "Lösungen, die tatsächlich gehen", griff Voigt den Faden auf, "das, was Sie und Herr Höcke machen, das klingt ganz nett, wenn es in einer Veranstaltung präsentiert wird, es muss aber auch in der Realität der Menschen und im Portemonnaie ankommen." Das würde die Politik der AfD gerade nicht tun. 

Es sei spannend, dass Voigt so hart in die

Auseinandersetzung gehe: "Sie sind ja entscheidend in diesem Monat in Ihrem Wahlkampf in Thüringen", lenkte Klamroth die Diskussion auf die "Brandmaue

rfrage": Schließt die CDU eine Koalition und eine Zusammenarbeit mit der AfD aus? So klar Voigt zuvor war, auf diese Frage antwortete er ausweichend.

Doch der Moderator blieb hartnäckig. "Ich sage, dass ich mit der AfD keine Koalition bilde, auch keine Zusammenarbeit", konnte er dem CDU-Politiker schließlich ein Versprechen entlocken: "Dazu kann ich tatsächlich beitragen und stehen. Alles andere wäre unredlich."

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