Harald Krassnitzer: "Wir wollten kein 'Breaking Bad' machen"
Wien – Harald Krassnitzer (53) verkörpert schon seit 1999 den "Tatort"-Kommissar Moritz Eisner. In der aktuellen Folge "Paradies" (Das Erste) war er mit seiner Kollegin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) auf Schmugglerjagd im Altersheim. spot on news hat der Österreicher erzählt, was er selbst über das Älterwerden und über die Droge Crystal Meth denkt. Außerdem verriet er, wie er seine Sommerpause verbracht hat.
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Nach dem ersten "Polizeiruf 110" am vergangenen Sonntag, endet mit "Paradies" nun endlich auch die Sommerpause für den "Tatort". Wie war denn Ihre Sommerpause, Herr Krassnitzer?
Krassnitzer: Ich bin eigentlich immer noch in der Sommerpause und genieße das sehr. Wir hatten uns vorgenommen, diesen Sommer nicht wegzufahren, sondern zu Hause zu bleiben. Wir machen kleine Ausflüge nach Brüssel, Brügge oder Amsterdam - alles was uns gerade einfällt. Ansonsten sitzen wir einfach auch mal im Garten und lesen.
Sommer auf Balkonien also?
Krassnitzer: Ja, Balkonien ist total in und tut richtig gut. Ich lebe fast das ganze Jahr über aus dem Koffer und bin froh, wenn ich mal nicht packen muss und keine Dispo habe, sondern einfach in den Tag hinein leben kann.
In "Paradies" geht es um das Thema Altersarmut und Einsamkeit im Alter. Wie aktuell ist das für Sie?
Krassnitzer: Für mich ist es nicht aktuell, weil ich - wahrscheinlich wie viele andere auch - nicht genügend darüber nachdenke. Dennoch betrifft es viele und ist damit durchaus brisant. Für nicht wenige Menschen ist das kleine Stück Kuchen am Sonntag zur absoluten Luxusangelegenheit geworden. Wenn man die Schuhe für den Winter dann auch noch von der Caritas holen muss...
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Die Altersarmut betrifft auch Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben.
Krassnitzer: Das stimmt. Und sie konnten sich sicher nicht vorstellen, einmal in so eine Situation zu geraten. Auch wenn wir dieses Thema gerne verdrängen, so ist es doch ein fixer Bestandteil unserer sogenannten Wohlstandsgesellschaft. Ich finde es sehr beschämend, dass wir für so viele Dinge Geld haben und in diesem Bereich immer wieder diskutiert wird, ob man nicht noch mehr kürzen müsste.
Was wäre Ihrer Meinung nach die Lösung?
Krassnitzer: Ich hatte einmal ein spannendes Erlebnis in Tirol. Wir drehten dort gerade einen "Tatort" und der Bürgermeister sagte: "Ich habe 50 Prozent türkische Einwohner und 50 Prozent deutsche Einwohner. In unserm Altersheim und dem Pflegeheim ist jedoch kein einziger Türke." In den türkischen Familien sind die Alten einfach noch in die Familie integriert. Der Trend geht zwar auch bei uns zum Mehrgenerationen-Haus, aber das ist noch viel zu wenig im Bewusstsein. Weil die Menschen immer älter werden und Altersproblematik damit noch viel massiver werden dürfte, sollten wir verstärkt über alternative Lösungen diskutieren.
Sie spielen im "Tatort" unter anderem mit Peter Weck, der selbst schon über 80 Jahre alt ist. Ist er ein Vorbild für Sie?
Krassnitzer: Ja, Peter ist auf jeden Fall ein Vorbild. Ich fand zunächst die Art und Weise, wie er das gespielt hat, einfach sensationell. Er berührt und zeigt, was für ein toller Schauspieler er ist. Es zeigt mir aber auch, dass es in diesem Beruf möglich ist, selbst in so einem Alter noch zu arbeiten. Er hat sich sehr Freude über diese Rolle und für uns war er eine unglaubliche Bereicherung. Ein Kollege mit so einem Erfahrungsschatz, genau wie Gertrud Roll und Peter Fröhlich, das war einfach total spannend und schön.
Würden Sie auch gerne noch mit über 80 Jahren Filme machen?
Krassnitzer: Ich würde meinen Beruf gerne so lange wie möglich ausüben. Er macht mir sehr viel Spaß. Da ist man als Schauspieler vielleicht in einer privilegierten Position, es werden ja immer auch alte Darsteller gesucht.
Gibt es Dinge für Ihren eignen Ruhestand, auf die sich freuen oder vor denen Sie vielleicht auch Angst haben?
Krassnitzer: Dazu ist mir ist erst vor kurzem Peter Ustinov eingefallen, der so etwas sagte wie: "Man denkt das ganze Leben lang daran, was man noch alles machen möchte und dass man in der Rente endlich Zeit hat. Dann kommst du in so ein Alter und stellst plötzlich fest, dass das jetzt aber nicht die Generalprobe, sondern schon die Vorstellung war." Ich finde, man sollte daher nicht so viel auf das Alter hinausschieben.
Sie nehmen sich also lieber nichts Konkretes vor?
Krassnitzer: Doch, ich habe noch vieles vor, aber ich rede nicht darüber. Da bin ich sehr abergläubisch. Ich glaube, dass Träume und Wünsche die Kraft besitzen, einen voran zu treiben. Aber nur solange man sie nicht ausspricht. Ich möchte mir so die Energie bewahren, dass die Dinge, die ich mir vornehme, wirklich stattfinden.
Sie ermitteln seit 2010 mit Adele Neuhauser im "Tatort" und liefern sich dort gerne einen trockenen Schlagabtausch. Ist das Verhältnis hinter der Kamera genauso entspannt?
Krassnitzer: Ja total, das ist eigentlich der Grund, warum wir es vor der Kamera hinkriegen. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis. Adele ist eine wunderbare Bereicherung für das Team. Ich habe selten in meinem Leben mit Menschen zu tun gehabt, die mit so viel Humor, Mut und Spaß in eine Rolle hineingehen wie Adele und dabei noch so uneitel sind. Ich habe selten mit jemandem so viel gelacht wie mit ihr.
Ein anderes Thema in "Paradies" ist der Schmuggel mit Crystal Meth. Finden Sie, dass dem Thema genug Aufmerksamkeit geschenkt wird?
Krassnitzer: Ich glaube, dass die Droge durchaus im gesellschaftlichen Bewusstsein angekommen ist. Wir wissen doch alle mittlerweile, das diese "Breaking Bad"-Märchenstunde vom lustigen und sauberen Zeug nicht wahr ist. Gerade an dem Charakter des "Jesse" sieht man doch, wie die Droge jemanden kaputt machen kann.
Wollen Sie mit dem "Tatort" auch auf die Thematik aufmerksam machen?
Krassnitzer: Nein, wir wollten kein "Breaking Bad" machen. Es geht darum zu zeigen, welche Wege die alten Menschen einschlagen, um an Geld zu kommen, und wie sie sich an jedem Strohhalm festhalten.
Sie haben seit Juni eine neue Serie im Ersten: "Paul Kemp". Müssen wir etwa Angst haben, Sie als "Tatort"-Kommissar zu verlieren?
Krassnitzer: Nein auf keinen Fall. "Paul Kemp" ist ja etwas ganz anderes. Das Eine ist eine Familiengeschichte, das Andere ein Krimi. Das hat auch ganz andere Strukturen und bedeutet andere Herangehensweisen.
Sie haben in einem Interview gesagt, die Österreicher haben einen Hang zum Abgründigen. Was meinen Sie damit?
Krassnitzer: Damit meine ich den Hauch von schwarzem Humor, den wir Österreicher haben.
Was ist an Ihnen typisch österreichisch?
Krassnitzer: Ich denke die Art und Weise wie ich mich in Details verliere, darüber sinniere und vielleicht meine Gelassenheit. Auch meine Selbstironie würde ich als typisch bezeichnen.
Was verbindet Sie mit ihrer Heimat?
Krassnitzer: Ich mag die österreichische Kultur und die Menschen, auch wenn sie nicht immer die einfachsten sind. Ich liebe das Land zudem für seinen kreativen Anteil und die unglaubliche Landschaft. Ich fühle mich aber als österreichischer Europäer. Um mich herum finden so viele bunte, tolle Sachen statt und ich denke dann manchmal - Europa ist schon ein geiles Projekt.
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