Gut geklaut bei Bismarck
Die öffentlich-rechtlichen Sender hatten bei diesem Thema keinen Mut, so griff SAT.1 zu und zeigte den Aufstieg und Fall von Karl-Theodor zu Guttenberg als gelungene Satire
Sie hatte schon Wetten abgeschlossen, dass sich kein Sender für ihre Filmidee intressieren würde. Doch Drehbuchautorin Dorothee Schön verlor glücklicherweise. Filmproduzent Niko Hofmann fand ihren Entwurf für eine Satire über Aufstieg und Fall des Karl-Theodor zu Guttenberg so zwingend, dass er sich mit allem Elan hinter das Projekt stemmte. Gestern zeigte SAT.1 „Der Minister“.
AZ: Frau Schön, hat Herr Guttenberg kein Copyright auf sein Leben?
DOROTHEE SCHÖN: Er ist eine Person der Zeitgeschichte, er kann nicht verbieten, dass über ihn ein Film gemacht wird. Satire, solange sie als solche erkennbar ist, darf alles. Ich behaupte ja nicht, er hätte sich bei Frau Merkel hochgeschlafen. Das wäre dann wahrscheinlich schon ein Eingriff in seine Intimsphäre. Die Vorfälle, die ich beschreibe, haben ja so stattgefunden. Es ist herzlich wenig erfunden, außer natürlich der Figur von Max, dem Erzähler.
Hitler wird viel parodiert, Filmsatiren über lebende Politiker gibt es kaum. Im angelsächsischen Raum ist das sehr beliebt.
Bei uns gibt es Berührungsängste. Da ist die erste Frage immer: „Darf man das? Haben Sie Guttenberg gefragt?“ Mein Gott, wenn die „Titanic“ jedes Mal den Papst gefragt hätte, ob er aufs Cover will, hätte sie nicht erscheinen können.
Was war das größte Drehbuchproblem für Sie?
Bei Guttenberg bestand die Schwierigkeit eher darin, dass er ja immer alles so öffentlich gemacht hat und jeder diese Bilder kennt. Er hat sich als Verteidigungsminister auf einem Dinosaurier fotografieren lassen oder vor dem Eurofighter im Kampfanzug – was soll ich als Autor da noch erfinden? Man kann das nicht weiter übertreiben. Einfach hingegen waren die Szenen für Frau Merkel. Weil niemand irgendetwas Privates weiß oder sie in privaten Situationen gesehen hat, ist alles komisch, was man über sie erzählt. Egal, ob sie Buntwäsche und Feinwäsche sortiert, oder mit ihrem Mann Halma spielt.
Wer hätte denn aus der aktuellen Politik noch Potenzial für eine Satire?
Vielleicht wäre Seehofer noch eine Figur, aber beim Thema Wulff würde ich schon abwinken. Das ist doch eher traurig und tragisch und kein Stoff für Satire. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel kann ich mir nach diesem Film nur noch vorstellen in der Figur von Katharina Thalbach. Für die würde ich sofort eine Weekly schreiben: „Meine Woche mit Angela“ – das wäre ein Vergnügen. Aber am Ende bin ich dann noch schuld, wenn Merkel wiedergewählt wird, weil die Thalbach so lustig und sympathisch rüberkommt.
Wie verlief Ihre Recherche?
Ich habe alles von ihm und über ihn gelesen. Und ich kann zur allgemeinen Erheiterung nur empfehlen, auf Youtube die Vertonung des Vorworts seiner Doktorarbeit anzuhören. Das hat er sicher selbst geschrieben. Darüber hat sich die Wissenschaftsgemeinde schon schlapp gelacht, bevor klar wurde, dass die Arbeit ein Plagiat war. So verschwurbelt wie er schreibt, das ist Realsatire. Versatzstücke habe ich verwendet.
Sie haben abgeschrieben?
Nicht nur bei Guttenberg, ich habe auch Witze über ihn, die im Netz rumschwirrten, zitiert und hoffe, niemanden bestohlen zu haben. Mein persönlicher Drehbuchgott ist Aaron Sorkin. In einer Szene in „The West Wing“ heißt es: „Zwei Dinge gibt es, von denen die Menschen nicht wissen wollen, wie sie gemacht werden: Gesetze und Wurst.“ Den Spruch fand ich cool, konnte ihn aber schlecht von Sorkin klauen, bis ich herausfand, dass der ihn von Bismarck geklaut hat. So bastelt man sich als Drehbuchautor Dialoge.
Erwarten Sie jetzt einen Brief von Guttenberg, der sich bei Ihnen bedankt, weil er sich doch köstlich amüsiert hat?
Nein, ich fand es auch verständlich, dass er nicht zur Premiere nach Berlin kam, auch wenn Niko Hofmann ihn eingeladen hatte. Ich glaube, er wird schweigen. Was ich mir aber durch den Film erhoffe, ist, dass der Mut für andere Genres zunimmt. Wir werden im Fernsehen ertränkt mit Krimis und Rosamunde Pilcher, alles andere findet kaum statt.
Glauben Sie ganz persönlich an ein politisches Comeback von Guttenberg?
Ehrlich gesagt nicht. Aber ich konnte vorher den Hype ja auch nicht verstehen. Er war nie mein Typ, auch nicht als Mann. Aber er hat ganz bestimmt noch viele Anhänger. In Kulmbach jedenfalls brauche ich mich in der nächsten Zeit sicher nicht blicken zu lassen.