Gottschalk vs. Lanz: Die TV-Kritik der AZ

Das neue Konzept von „Wetten, dass…?“ ist schneller als früher, will aber zu viel. Die AZ-Kritik zum Kampf der Titanen Lanz gegen Gottschalk, "Wetten, dass..?" gegen "Das Supertalent"
von  Mathias Hejny

Das war er: Der Kampf der Titanen. Nicht zwischen Obama und Romney. Nicht zwischen Merkel und Steinbrück oder Heynckes und Sammer. Mit Thomas Gottschalk gegen Markus Lanz wetteiferten der gut bürgerliche bunte Abend der Öffentlich-Rechtlichen und Trash aus dem Kommerzkanal.

Das Gute-Laune-Gummibärchen aus „Wetten, dass…?“ tritt in seinem neuen Job als Sidekick des gewohnheitsmäßig schlecht erzogenen Dieter Bohlen in „Das Supertalent“, dem schrillen RTL-Talentschuppen der Schadenfreude, gegen seine eigene Legende an, den traditionsgesättigten Supertank der ZDF-Unterhaltung.

So wars: Zwei Minuten und zehn Sekunden dauerte der Begrüßungsapplaus für Lanz in Düsseldorf. Das schafft Gottschalk natürlich im Jury-Trio nicht, zumal RTL nur mit einer zusammengeschnippelten Konserve aus verschiedenen Castings in den Ring kletterte.

Es gab die erwartbare Mischung aus echten Könnern ihres Hobbys und schrägen Totalversagern. Wo Bohlen mit einem altjüngferlich blockflötenden Zwillingspärchen im Messdienergewand über Sex zu plaudern versuchte, versteckte sich Gottschalk peinlich berührt hinter seinem Skript und und forderte indigniert „Musik jetzt!“. Nur leicht vergiftet dagegen ist Bohlens Lob für eine pummelige Soul-Sängerin, die 25 Kilo abgespeckt hatte: „Würde ich so viel Gewicht verlieren, blieben von von mir nur noch die Haare und die Geschlechtsteile.“

Zeitgleich bewunderte im Zweiten Karl Lagerfeld die barocke Erscheingung Cindy von Marzahns als „schweren Brummer“. Sie ist die überraschende Nachfolgerin von Michelle Hunziker, die jetzt wiederum den Platz von Sylvie van der Vaart bei RTL einimmt - und die war mit ihrem Mann, dem HSV-Kicker Rafael van der Vaart bei „Wetten, dass…?“

Die wirklichen Stars sitzen nach wie vor dort auf dem neu gestylten und nun mobilen Sofa und nicht bei den Supertalenten-Fahndern: Jennifer Lopez, Campino, Cro, Rolando Villazón, der kühl entspannte Karl Lagerfeld oder, fürs Politische, die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, um nur einige zu nennen.

War was?: Der erste Kandidat der Lanz-Ära verlor seine Wette. Aber das macht den Unterschied zu den „Supertalenten“. Hier pöbelt das Publikum nicht, sondern der Kandidat, der daran scheiterte, auf einem frei schwebenden Seil durch Fallrückzieher Tore zu schießen, wird am Ende für seinen spektakulären Auftritt zum Wettkandidaten gekürt.

Den spontanen Thomas Gottschalk, der auch mal Peinliches nicht nur in Kleidungsfragen riskiert, fehlt hier wie dort. Wo ist der Thommy, der freimütig zugibt, sich nicht auf seine Gäste vorzubereiten und aus der frechen Improvisation manchmal mehr erreicht als mit einem handwerklich sauberen Interview?

Das neue Konzept von „Wetten, dass…?“ ist schneller als früher, will aber zu viel. Mehr Quoten sollen unter jugendlichem Publikum erzielt werden, ohne die Älteren zu erschrecken. Schon das Sofa erscheint heillos überladen: Ein Wartezimmer für Talkgäste, die bis zu drei Stunden auf ihren Einsatz warten müssen.

Überziehen, immerhin, kann der nette Herr Lanz schon. Aber an seine Seriosität muss man sich auf diesem Sendeplatz erst einmal gewöhnen.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.