Götz George - ein kraftvoller Seelenmensch
Berlin - Eine zerklüftete Gesichtslandschaft, aus der zwei wasserblaue Augen leuchten. Breite Stirn, kräftige Nase und ein Lächeln um den Mund, von dem man nicht so genau weiß, ob das nun freundlich gemeint ist oder den nächsten Wutausbruch ankündigt. Er hat noch jede Menge Wut im Bauch, dieser Götz George, der heute 75 Jahre alt wird. Ein Schauspieler seiner Extraklasse kann und will sich nicht mit jedem und jeglichem arrangieren. Der geht seinen Weg, auch wenn er hart und steinig ist.
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Gegenwärtig prasselt es wieder auf ihn ein. Götz George spielt im Doku-Drama "George", Mittwoch 21.45 Uhr ARD, seinen eigenen Vater Heinrich George (1893-1946). Der galt als der größte deutschsprachige Schauspieler seiner Zeit, ein legendärer Darsteller des "Götz von Berlichingen", dessen Vornamen er seinem Sohn gab. Heinrich George drehte in der Nazi-Zeit die Propagandafilme "Hitlerjunge Quex", "Jud Süß" und "Kolberg". Andererseits nahm er als Intendant des Berliner Schillertheaters auch Kollegen auf, die im NS-Regime unerwünscht waren.
Nach Kriegsende kam er in ein sowjetisches Lager in Sachsenhausen, wo mit nur 52 Jahren starb. Da war sein Sohn Götz sechs Jahre alt. Der wuchs mit dem Verständnis auf, dass der Vater eine schauspielerische und charakterliche Überfigur war, die niemand erreichen könne - auch er selbst nicht. Zudem war die Familie davon überzeugt, dass Heinrich George kein Nazi und zu Unrecht in sowjetische Haft geraten war. Tatsächlich wurde er 1998 von den Russen voll rehabilitiert.
Nun stellt Götz den übermächtigen Vater dar, was die einen als bravouröse Leitung loben, den anderen aber überhaupt nicht gefällt. Auf Arte lockte die Vorpremiere von "George" 800.000 Zuschauer vor den Fernseher, mit einer Quote von 3,3 Prozent ein Erfolg für den Sender. Der Berliner Filmproduzent Artur Brauner (94) kritisiert im "Focus" allerdings, dass Götz George seinen Vater glorifizieren wolle. Wesentlich heftiger wird der TV-Kritiker Hans Hoff auf "DWDL.de". Er schreibt: "Man sieht Heinrich George, wie er ungeheuer wandlungsfähig agiert, wie er seine Stimme spielen lässt, mal weich, mal schroff.... Und dann spielt Götz die Rolle des Heinrich... Götz röchelt, heisert und nuschelt sich durch die Szenen. Ohne eine besondere Variation im Ausdruck bleibt er immer der Götz George, der sich bemüht, jemand anders zu sein. Es quillt das Pathos aus allen Poren, und man spürt, wie dieser Götz manchmal vor lauter Selbstbesoffenheit kaum noch laufen kann."
So etwas musste George wohl noch nie über sich lesen. Längst hat er das Erbe seiner Eltern - auch die Mutter Bertha Drews war eine begnadete Schauspielerin - angetreten. Seit Jahrzehnten gilt er als einer der besten deutschen Schauspieler. Seit 1981 lieben ihn viele Millionen TV-Zuschauern in der Rolle des Polizei-Rabauken Horst Schimanski, der freilich ein goldenes Herz hat - die Kultfigur der "Tatort-Reihe". Götz George ist Schimanski weit über das Pensionsalter hinaus. Morgen Abend zeigt ihn die ARD (20.15 Uhr) in einer Wiederholung. Gerade hat George die 48. Episode, mittlerweile als alternder Ruhrpott-Ermittler, abgedreht; sie wird im Herbst gesendet.
Die Mutter hat nach dem frühen tragischen Tod des Vaters die beiden Söhne großgezogen. Der ältere Jan wurde Fotograf und Filmer, sein Bruder Götz Schauspieler. Schon als Kind stand er auf der Theaterbühne. Unerreichbarer Maßstab war, wie er es selbst häufig sagte, der tote Vater. Nach Aufführungen fragte er die Mutter: "War ich so gut wie Heinrich?"
Er absolvierte eine solide Theaterausbildung und kam früh zum Film. Für seine Rolle in "Jacqueline" (1959) wurde er als bester Nachwuchsschauspieler ausgezeichnet, außerdem erhielt er den Preis der deutschen Filmkritik. In den 1960er-Jahren wirkte Götz George in einigen Karl-May-Filmen mit. Die Stunts machte der athletische junge Mann selbst. Seine erste große Charakterrolle im Kino hatte er 1977 in dem Film "Aus einem deutschen Leben", in dem er den Kommandanten des KZ Auschwitz verkörperte.
Götz George hat viele Rollen gespielt und unterschiedlichen, oft sehr zwielichtigen Figuren sein Gesicht gegeben. Er brillierte als Alzheimer-Kranker in "Mein Vater" und als Massenmörder Fritz Haarmann in "Der Totmacher", er war der Literat und vermeintliche Serienkiller Henry Kupfer in "Der Sandmann". Er spielte den NS-Arzt Josef Mengele in "Nichts als die Wahrheit" und einen abgehalfterten, gebrochenen Boxer in "Die Bubi Scholz-Story".
Sein komödiantisches Talent zeigte er in den Filmen von Helmut Dietl, z.B. als Reporter Hermann Willié in "Schtonk!" und als Regisseur Uhu Zigeuner in "Rossini - oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief".
Im Gegensatz zur robusten Figur des Horst Schimanski ist Götz George, der mit der Hamburger Jounalistin Marika Ullrich in Berlin und auf Sardinien lebt und eine Tochter aus seiner geschiedenen Ehe mit Loni von Friedl hat, ein empfindsamer, hochsensibler und öffentlichkeitsscheuer Mann, dem trotz aller Überzeugungskraft die meisten seiner Rollen fremd bleiben. Der Zeitung "Tagesspiegel" sagte er in Bezug auf Schimanski: "Bin ich jemals durch die Tür gesprungen, hab ich jemals einem anderen die Nase gebrochen? Nie!"
Gern gibt er zu, dass er knorrig und schwierig ist. "Darauf bestehe ich", sagt er mal in einem Interview. "Ein Mensch, der stolz darauf ist, pflegeleicht zu sein, ist doch nur stolz auf seine Verkrümmungen. Wobei wir hier über die Arbeit reden, nicht über Allüren außerhalb. Charakter ist ein Arbeitsinstrument."
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