"Galileo Spezial"-Moderator Stefan Gödde berichtet von seiner Iran-Reise
Der Iran ist ein Land voller Widersprüche und Ungereimtheiten. Das ProSieben-Format "Galileo Spezial" wagte sich nun in das ehemalige Persien. Moderator Stefan Gödde berichtete vor der Ausstrahlung von der spektakulären Reise.
Die ProSieben-Dokureihe "Galileo Spezial" geht erneut einen unbequemen Weg. In der Folge "Hinter dem Schleier - So lebt die Jugend im Iran" (Sonntag, den 11. Dezember ab 19:05 Uhr) reiste Moderator Stefan Gödde (40, "Extrem: Unser Körper am Limit") durch das ehemalige Persien und stellte sich und seinen Protagonisten die Frage, wie junge Menschen dort ihr Leben bestreiten - trotz Restriktionen eines Gottesstaates und extremer Unterdrückung von Menschenrechten.
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Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news sprach Gödde über die Beschwerlichkeiten des Drehs, die Widersprüchlichkeit der dortigen Gesellschaft und die subtile Rebellion der dortigen Jugend.
Herr Gödde, war es überhaupt leicht, eine Dokumentation im Iran zu drehen?
Stefan Gödde: Es war für uns als Journalisten eine Odyssee, überhaupt erstmal in das Land zu kommen. Wir haben über ein halbes Jahr auf unser Drehvisum gewartet. Vor Ort ging es aber weniger strikt zu als erwartet. Wir hatten zwar immer jemanden bei uns, solange wir aber nicht das Militär gefilmt haben, wurden wir ziemlich in Ruhe gelassen.
War es für Sie das abenteuerlichste Land, das Sie bislang bereist haben?
Stefan Gödde vor einer Fake-McDonalds-Filiale im Iran Foto:ProSieben
Gödde: Es ist sehr fremd und vor allem spannend. Es gibt wenige Länder auf dieser Welt, die einen Übergang von einem vollkommen abgeschotteten Gottesstaat hin zu einer freiheitlichen Gesellschaft so sichtbar machen. Der Iran ist ein Land im Umbruch.
Was ist für einen Jugendlichen im Iran anders, als für junge Menschen in Deutschland?
Gödde: Die absurdeste Vorstellung für Jugendliche in Deutschland ist mit Sicherheit, dass es keine Diskos und keinen Alkohol gibt. Man darf auch auf der Straße nicht Händchenhalten, außer man ist verheiratet - geschweige denn Küssen. Frauen dürfen ihre Haare nicht zeigen. Es ist eine islamische Republik, das heißt: Amüsement in der Öffentlichkeit ist verboten.
Aber das ist ja hinreichend bekannt. Was ist Ihr Ansatz für die Doku?
Gödde: Wir wollten genau hinter diese Fassade blicken, wissen, wie der Alltag im Iran abläuft. Wir führen zum Beispiel ein Interview mit einer jungen Frau, die uns verrät, wie man dort an Alkohol kommt und Partys feiert.
Verschleierte Frauen gehören im Iran zum normalen Bild dazu Foto:ProSieben
Klingt nach einer ziemlich verlogenen Gesellschaft...
Gödde: Ja, zumindest ist sie sehr widersprüchlich. Aber eben spannend zu sehen, dass es zum Beispiel relativ üblich ist, dass die Jugendlichen dort auch Alkohol trinken und natürlich auch Partys feiern. Da unterscheiden sich die Iraner nur augenscheinlich von westlichen jungen Menschen. Aber es findet eben alles im Verborgenen statt. Es ist alles illegal und kann zu drastischen Strafen führen, bis hin zur Hinrichtung.
Und auf der Straße spielen alle das Spiel vom Gottesstaat mit?
Gödde: Naja, in der Hauptstadt Teheran versuchen sich die Frauen schon an die Grenzen heranzutasten. Da sieht man dann schon Haare hervorblitzen und der Hijab fällt manchmal fast hinten vom Kopf runter.
Stimmt die Geschichte von der Moralpolizei im Iran?
Gödde: Ja, das stimmt tatsächlich. Natürlich gibt es auch immer wieder Mythen aus solchen Ländern, die nicht der Realität entsprechen. Aber wir haben Interviews auf der Straße geführt mit Menschen, die bereits von der Moralpolizei gemaßregelt wurden.
Was fanden Sie persönlich am faszinierendsten?
Gödde: Dass die Menschen dort zwei Leben führen. Das eine findet öffentlich statt und ist geprägt von Verboten und Sittenwächtern. Das andere findet zwar hinter verschlossenen Türen statt, unterscheidet sich aber jetzt nicht so wahnsinnig von dem, wie wir es im Westen kennen und gewohnt sind.
Wissen das die religiösen Führer denn nicht?
Gödde: Doch, klar. Wir haben sogar mit einem Ajatollah gesprochen. Der meinte, dass der Islam sich den Gelegenheiten anpassen könne und müsse. Dass also ein westliches Leben mit der islamischen Religion vereinbar sei. Allerdings war das natürlich ein sehr liberaler Ajatollah, da gibt es auch ganz andere Haltungen.
Stefan Gödde wagt immer wieder Reisen an ungewöhnliche Orte Foto:ProSieben
Sie sprachen von einem Wandel. Ist das alles nicht nur der Versuch einer kleinen Minderheit, einen totalitären Staat im Untergrund zu umgehen?
Gödde: Schwierige Frage. Die Leute dort nehmen das sicherlich unterschiedlich war. Gebildete, junge Menschen, so mein Eindruck, sind dort sehr hoffnungsvoll und glauben fest daran, dass sich ihr Land öffnet. In dieser Gruppe spürt man definitiv einen Wandel.
Sind die Jugendlichen auch politisch motiviert, wollen sie also ein anderes Regime, ein anderes Land? Oder flüchten viele nur aus privaten Gründen im Kleinen aus der Umklammerung des Staates?
Gödde: Ich habe den Besitzer eines Skateboard-Ladens genau diese Frage gestellt und er meinte sinngemäß: 'Leute, wir wollen einfach nur skaten, Spaß haben und unser Leben leben!' Ich hatte nicht den Eindruck, dass es eine Jugend ist, die protestiert und auf die Straße geht. Es ist keine echte politische Rebellion, sondern ein sanfter Wandel der Gesellschaft hin zu einem freiheitlicheren Leben.
Läuft solch eine Doku nicht Gefahr, ein schreckliches Regime zu verharmlosen?
Gödde: Die Waage im Gleichgewicht zu halten, ist natürlich wahnsinnig schwer, das ist klar. Ich muss natürlich zugeben, dass es für uns nicht möglich ist, in zehn Tagen ein Land mit 80 Millionen Einwohnern in seiner Gänze und Vielfalt objektiv abzubilden. Das geht logischerweise nicht.
Aber dennoch wollen Sie sicher einen Film machen, der nicht tendenziös ist. Wie schaffen Sie das?
Gödde: Unser Ansatz ist es, so viele Menschen wie möglich zu treffen und zu Wort kommen zu lassen - aus den verschiedensten Milieus und mit unterschiedlichsten, teilweise konträren Ansichten. Wir versuchen mit ihnen den Alltag zu teilen und basteln daraus ein Mosaik aus Meinungen und Stimmungen. Ich glaube, man hat den Iran zuvor - zumindest in Deutschland - so nicht gesehen oder wahrnehmen können, wie in diesem "Galileo Spezial".