Fuchsberger, Vogel, Rütting: Rat der Weisen in der ARD
Der erste Eindruck: Die Herren gehen am Stock, während die Damen selbst im deutlich höheren Alter noch ganz schön charmant rüberkommen. Der zweite Eindruck: Die Damen und Herren haben was zu sagen! Und zwar immer noch und das Jung und Alt.
Es ist eine ungewöhnliche Münchner Runde, die sich am Dienstagabend um 22.45 Uhr bei Sandra Maischberger in der ARD trifft: Die Jüngste, Barbara Rütting, ist 86 Jahre alt. Die Älteste, Hildegard Hamm-Brücher, wird in drei Wochen 93. Münchens Alt-OB Hans-Jochen Vogel ist dabei – er ist gerade 88 Jahre alt geworden. Und Joachim Fuchsberger vor sechs Wochen 87. „So viel Leben, Erfahrung und Weisheit hatten wir selten“, begrüßt Moderatorin Sandra Maischberger ihre Gäste – die AZ hat sich die Sendung angeschaut.
Das sind die Höhepunkte aus der einmaligen Tagung des Rats der Weisen – das Quartett über:
Liebe und Ehe: Seit 60 Jahren ist Joachim Fuchsberger mit seiner Gundel verheiratet – er nennt sie scherzhaft nur „seine Regierung“. Es ist seine zweite Ehe, zuvor war er zweieinhalb Jahre mit der Sängerin Gitta Lind verheiratet. Mit Gundel war es Liebe auf den ersten Blick – im Alter „ist es eine andere Liebe geworden“, sagt „Blacky“. „Am Anfang steht ja auch die physische Anziehungskraft des anderen Geschlechts. Das hört irgendwann mal auf“, erzählt er: „Ist das so“, fragt Sandra Maischberger. „Ja, bei mir hat das vor einiger Zeit aufgehört. Und dann gibt es eine Umwandlung: Die Liebe vertieft sich.“
Ein rührender Moment – mit handfestem Ratgeber-Charakter: Joachim Fuchsberger rät, sich in einer Partnerschaft nicht von althergebrachten Geschlechterrollen leiten zu lassen. Dann empfiehlt er seine vier großen V: Verstehen, Vertrauen, Verzeihen, Verzicht. Das sei sein Erfolgsrezept für eine glückliche Ehe, das er auch in seinem heute erscheinenden Buch „Zielgerade“ empfiehlt.
Geld: Pleiten, Pech und Pannen – davon haben Fuchsberger und seine Schauspiel-Kollegin Barbara Rütting einiges erlebt. Beide gingen mit Bauprojekten pleite. Aber statt sich wie andere in den Offenbarungseid oder in die Privatinsolvenz zu flüchten, standen sie für ihre Schulden gerade. Blacky nach eigenen Angaben für die Verbindlichkeiten aus einem Siedlungsprojekt in Eichenau, Rütting für ein Mehrgenerationenhaus in Österreich. „Ich war mehrmals pleite und musste immer wieder bei null anfangen“, erzählt die Frau, die als Geierwally vor fast 60 Jahren berühmt wurde. „Dann hieß es: Pellkartoffeln und Kohlsuppe. Aber ich bin ein Kriegskind, ich komm damit klar. Und zur Not kann ich immer noch putzen gehen.“
Hans-Jochen Vogel bezeichnet sein Verhältnis zum Geld als „distanziert und selbstbewusst“. Immerhin habe er sein ganzes Leben im Öffentlichen Dienst gearbeitet. Als er sein Amt als Münchner Oberbürgermeister antrat, ließ er sich im Vergleich zum Vorgänger Thomas Wimmer um eine Besoldungsstufe herabsetzen, weil er sonst zu viel verdient hätte.
Niederlagen: Es war Hildegard Hamm-Brücher, die 1982 dem Machtwechsel von Schmidt zu Kohl – von Maischberger zu Unrecht als „Intrige“ gewertet – im Bundestag mit mutigen (und richtigen) Worten entgegentrat. „Diese Rede hat mir Helmut Kohl nie verziehen“, erinnert sich die ehemalige Münchner Stadträtin und Landtagsabgeordnete. Das fand Hamm-Brücher „kleinkariert“ – aber an eine politische Karriere war seitdem nicht mehr zu denken.
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Tod und Verlust: „Der Tod ist ein selbstverständlicher Bestandteil des Lebens“ – diese Erkenntnis gewinnt mit zunehmendem Alter an Bedeutung, genauso wie der religiöse Aspekt, sagt Katholik Hans-Jochen Vogel. Das sehen die anderen Diskutanten ähnlich – bis auf die Gretchenfrage: Barbara Rütting, sonst eher spirituell, hat mit Religion nichts am Hut. Und Joachim Fuchsberger nach den Feldgottesdiensten an der Ostfront auch nicht.
Beide plädieren für Sterbehilfe: „Wenn ich dement werde, würde ich mir helfen lassen. Das halte ich nicht aus, dann mache ich Schluss“, sagt die Schauspielerin. „Wenn ich nicht sanfter in die andere Dimension komme, würde ich Sterbehilfe in Anspruch nehmen“, sagt die 86-Jährige.
„Ich bin auf der Seite von Barbara“, pflichtet Blacky ihr bei. „Ich blicke dem Tod außerordentlich gelassen entgegen.“ Ohne seine Frau zu leben, allein zu sein, das sei für ihn unvorstellbar. Dann würde er „versuchen, diesem Zustand möglichst schnell ein Ende zu bereiten. Ich bin sicher: Da fällt mir was ein.“
Das Leben zu verkürzen, das kommt für Vogel nicht in Frage. Und Hildegard Hamm-Brücher schweigt zur Sterbehilfe. Sie sagt nur: „Ich will nicht ins Heim. Die Idee: ,Wo kann ich mich nützlich machen?’ stirbt ja, wenn einem alles abgenommen wird.“
Was bleibt von diesem außergewöhnlichen Gipfeltreffen?
Zum einen Fuchsbergers Appell an seine Altersgenossen: „Wir Alten sollten nicht über das lamentieren, was nicht mehr geht, sondern uns über das Freude, was noch geht.“ Zum anderen der Aufruf von Hans-Jochen Vogel an Alt und Jung: „Wir sind derzeit geneigt, den Frieden in Europa für eine Selbstverständlichkeit zu halten. Unsere Generation, die den Krieg noch erlebt hat, ist aufgerufen, den Jungen zu erklären, dass dem nicht so ist. Verbunden mit dem Aufruf: Engagiert euch, damit dieser Zustand erhalten bleibt!“