Frontal-Angriff bei "Hart aber fair": Louis Klamroth watscht stammelnde Bauministerin Klara Geywitz ab

Die Wohnungsnot in Deutschland war am Montag Thema in der neuesten Ausgabe von "Hart aber fair" mit Moderator Louis Klamroth. Die Gründe für die Misere sind vielschichtig.
von  Ann-Kathrin Kapteinat
"Hart aber fair"-Moderator Louis Klamroth in der Diskussion mit Bauministerin Klara Geywitz.
"Hart aber fair"-Moderator Louis Klamroth in der Diskussion mit Bauministerin Klara Geywitz. © Screenshot ARD

Absurd hohe Mieten, unbezahlbare Zinssätze und Bodenpreise, die durch die Decke gehen: Wohnen ist teuer und die Wohnungssuche gleicht in vielen deutschen Städten einer Odyssee. Bezahlbare Wohnungen locken teilweise Hunderte Interessenten an, wie etwa in Berlin vor einigen Wochen. Stundenlange Wartezeiten und hoffnungsvolles Bangen gehören für Wohnungssuchende mittlerweile zum Alltag.

Scholz versprach 400.000 Wohnungen pro Jahr

Dabei versprach Olaf Scholz, der selbsternannte "Kanzler für bezahlbares Wohnen", vor der Wahl noch Besserung. Die SPD wollte 400.000 Wohnungen pro Jahr bauen. Daraus ist bisher nichts geworden. Wie viele genau im vergangenen Jahr entstanden sind, werden die Zahlen, die Ende Mai veröffentlicht werden, zeigen. Laut einer Schätzung, die Klamroth vorliegt, sind es etwa 280.000.

Louis Klamroth über Klara Geywitz: Wie Fußballer, der schlechtem Platz die schuld gibt

Auf Spekulationen will sich Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen der SPD, allerdings nicht einlassen. Auch für das Verfehlen des Ziels hat sie eine Erklärung: "Wissen Sie, wir haben einen historischen Zinssprung gehabt." Man hätte sagen können, es ist nicht machbar und es einfach dabei belassen. Sie wolle aber nicht aufgeben und das Ziel weiter anstreben. "Das ist wie so ein Fußballer, der nach dem verlorenen Spiel sagt: 'Der schlechte Platz war schuld'", kontert Klamroth. "Die Schuld bei sich selber, die sehen Sie nicht?" Geywitz muss kurz schlucken – und überlegen. Sie stammelt: "Was die billigen Zinsen die ganze Zeit überdeckt haben, war ein Riesen-Reformstau auch auf der politischen Ebene."

Haussuche im Bremer Umland: "In keiner Weise bezahlbar"

Familienvater Erdal Balci sucht seit Jahren ein Haus im Umland von Bremen. Das Problem: Die Angebote seien "komplett überteuert, renovierungsbedürftig und in keiner Weise bezahlbar." Inzwischen hat die Familie den Traum vom Eigenheim aufgegeben, unter anderem aufgrund der gestiegenen Zinssätze und Baukosten. Jetzt wohnen sie zur Miete in einer Doppelhaushälfte. Eine langfristige Lösung sei das aber auch nicht.

Sind also die Zinsen schuld an den Mietpreisexplosionen? Architektur-Journalist Gerhard Matzig sieht das anders: "Wir hatten eine historische Niedrigzinsphase. Wir sind jetzt da, wo ich vor 15 Jahren war. Das Bauen als solches und der Boden sind zu teuer. Grund dafür sind unter anderem all die Normen und Vorgaben, die es beim Bau zu beachten gibt. So wird etwa immer mehr gedämmt und auch der Klimaschutz spielt eine immer größere Rolle."

Der sogenannte Trittschall ist etwa verantwortlich dafür, wie viel die Nachbarn mitbekommen – oder eben nicht. Für Matzig ist das zu viel des Guten. Auf Klamroths Frage, was man denn machen solle, wenn die Nachbarn feiern, erwidert der Journalist: "Dann feiert man im Idealfall mit oder ruft die Polizei. Ich finde, dass wir mehr verkraften können."

Zuwanderung: "Dieses Land hat komplett den Faden verloren"

Die große Frage bleibt: Wer ist jetzt eigentlich schuld an der deutschen Wohnungsmisere? Es wäre leicht, mit dem Finger auf Klara Geywitz zu zeigen. Immerhin ist die Ministerin ja für das Thema Wohnen und Bauen verantwortlich. Bauunternehmer Dirk Salewski stellt aber klar, dass Geywitz nur einen begrenzten Handlungsspielraum habe. Die meisten Entscheidungen in diesen Bereichen träfen die Landesregierungen und Gemeinden. 

Erdal Balci sieht auch in der Zuwanderung ein Problem für den Wohnungsmarkt. Immer mehr Menschen bei zu wenig Wohnraum – das könne nicht funktionieren. "Wenn ich in meinem Unternehmen neue Leute einstelle, stelle ich nicht 200 ein, die ich gleichzeitig einarbeiten muss. Ich stelle zwei ein und wenn die eingearbeitet sind kommen die nächsten." Ein ähnliches Vorgehen wünsche er sich auch für die Zuwanderung. "Dieses Land hat komplett den Faden verloren", fügt er hinzu.

Wohnungsnot ist kein Großstadtproblem

Wer in München, Berlin oder Hamburg eine Wohnung sucht, braucht starke Nerven und einen belastbaren Geldbeutel. Der Wohnraum ist hart umkämpft und selbst Minimalisten müssen für ihr Zimmer tief in die Tasche greifen. Lohnt sich da die Flucht raus aus Deutschlands Metropolen? Die Antwort ist ebenso kurz wie ernüchternd: nein. Zwar ist es in anderen Städten vergleichsweise noch um einiges einfacher, eine passende Wohnung zu finden, die Preise steigen aber überall.

Matzig ist in seinem Leben schon oft umgezogen: "Ich kenne diesen demütigenden Prozess der Wohnungssuche." Inzwischen seien auch kleinere Städte wie Passau und Flensburg zu teuer. "Party, Bildung und Verkehr", wie Salewski es ausdrückt, sind Auslöser für die Problematik. In Städten, die junge Menschen etwa durch das Studienangebot anziehen, steigen die Mieten.

"Wohnungen für Bedürftige und Millionäre – alles andere bleibt liegen"

"Elf Millionen Menschen in Deutschland haben Anspruch auf eine Sozialwohnung", erklärt Caren Lay (Die Linke). In der Praxis gibt es viel zu wenige. Es sollen mehr Sozialwohnungen entstehen – das verspricht die Politik. Aber wie sieht es mit den Menschen aus, die keinen Wohnberechtigungsschein haben?

Für Salewski steht fest: Man kümmere sich um "Wohnungen für Bedürftige und Millionäre – alles andere bleibt liegen". Doch auch die Mittelschicht und vor allem die, die gerade so über die Runden kommen, können sich die Mietpreise nicht mehr leisten.

Für Salewski und sein Unternehmen kommt der Bedarf an Sozialwohnungen gerade Recht: "Wir werden uns mit dem sozialen Wohnungsbau retten." Damit verdiene er zwar nicht das große Geld, könne aber die Firma vor der Pleite bewahren. "Ich muss arbeiten und will vor allem meine guten Leute nicht verlieren", erklärt der Bauunternehmer.

Balcis Mitleid für den Bauunternehmer hält sich in Grenzen. Immerhin verdienten Bauunternehmer in den vergangenen Jahren nicht schlecht, wie er aus eigener Erfahrung weiß. "Die haben uns ausgelacht", erzählt er. "Wenn Sie es nicht kaufen, kommt der nächste. Wir wollten ein Haus, mehr nicht."

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