Kritik

Franken-"Tatort: Warum": Eindringliche Seelenstudie statt klassischer Krimi

Der neue Franken-"Tatort: Warum" startet gemächlich, wird dann aber ergreifend-wuchtig. Die AZ-Kritik zum Krimi im Ersten.
Philipp Seidel
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Kriminalhauptkommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) stellt im neuen "Tatort: Warum" seine Berufung in Frage.
Kriminalhauptkommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) stellt im neuen "Tatort: Warum" seine Berufung in Frage. © Hagen Keller/BR/Hager Moss Film/ARD/dpa

Achtung, Spoiler! Diese TV-Kritik gibt mehr oder weniger konkrete Hinweise auf die Handlung des "Tatort: Warum". Wenn Sie nichts verraten bekommen wollen, warten Sie mit der Lektüre des Textes, bis Sie den Film gesehen haben (Das Erste, 01.05.2022, 20.15 - 21.45 Uhr und in der ARD-Mediathek).


Das Telefonat zwischen Mutter und Sohn klingt wie aus einer 90er-Jahre-Werbung, berstend vor Harmonie und Liebe. Dieser Lukas Keller (Caspar Schuchmann) sieht aus wie der strahlende Lieblingssohn: beliebt, erfolgreich, sexy Freundin. Alles fein, alles gut, alles dynamisch. Dann wird er bestialisch ermordet. Wir begegnen ihm im Franken-"Tatort" mit dem etwas langweiligen, aber treffenden Titel "Warum" (Buch: Max Färberböck, Catharina Schuchmann, Regie: Max Färberböck) noch in zahlreichen Rückblenden.

Seine Mutter (Valentina Sauca) wird von einem Moment auf den nächsten zu einer verloren durch die Welt taumelnden Frau, mit leerem Blick und druckloser Stimme, die über den Schmerz und die Frage nach dem Warum allmählich den Verstand zu verlieren droht. Der Mord bringt sie immerhin ihrem Ex-Mann (Karl Markovics) wieder näher. Das Ex-Paar ist vereint im Schmerz.

"Tatort: Warum": Die Täter bleiben im Hintergrund

Dieser "Tatort" beginnt recht gemächlich – und baut dann eine ergreifende Wucht auf. Die Täter – Pharmamafia, Bulgarien, bisschen egal – bleiben im Hintergrund. Im Zentrum stehen die trauernden Eltern.

Und der sonst stets freundliche und verständnisvolle Ermittler Felix Voss (Fabian Hinrichs): Der zweifelt an seinem Beruf und wird regelrecht sarkastisch: "Tritte ins Gesicht eines Toten. Das passt so gut, nicht?" "Wozu?", fragt seine Kollegin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel). "Zu unserer Zeit." Als er alles hinschmeißen will, weil er seinem moralischen Kompass nicht mehr traut, muss seine Kollegin ihn anfahren wie die legendäre käffchenservierende Sekretärin in Hape Kerkelings großartigem Film "Kein Pardon".

Wir erfahren, warum die sexy Freundin und alleinerziehende Mutter Mia (Julie Engelbrecht) nicht zur Polizei geht. Und wir treffen am Ende auf weitere Gestalten, die einer Strahlefamilien-Werbung entsprungen sein könnten.

Götz Otto spielt im neuen "Tatort" mit

Und die ganze Zeit denkt man: Das Gesicht dieses Oberstrahlers kennt man doch! Tatsächlich: Es ist Götz Otto, der Assistenz-Bösewicht aus dem James-Bond-Film "Der Morgen stirbt nie" (1997) – elegant ergraut, mit längerem Haar. Anders als beim ermordeten Lukas zeigt sich aber bald, dass sein Strahlen nur Oberfläche ist.

Schauspieler Götz Otto als Karl-Heinz Weinhardt in einer Szene aus "Warum".
Schauspieler Götz Otto als Karl-Heinz Weinhardt in einer Szene aus "Warum". © Hagen Keller/Hager Moss Film GmbH, BR/dpa

Wer einen klassischen Krimi sucht, wird bei "Warum" bald einschlafen. Wer eine eindringliche Seelenstudie sehen möchte, wird angetan von der Darstellung sein.

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