Erster Auftritt bei Markus Lanz – und Hubert Aiwanger redet sich um Kopf und Kragen

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger war am Dienstagabend bei Markus Lanz zu Gast – und redete sich um Kopf und Kragen. Besonders kritisiert wurde er für seine unpräzise Sprache und Tonalität. Ist dies eines stellvertretenden Ministerpräsidenten würdig und angemessen?
von  AZ
Hubert Aiwanger (r.) im hitzigen Dialog mit Moderator Markus Lanz.
Hubert Aiwanger (r.) im hitzigen Dialog mit Moderator Markus Lanz. © AZ-Screenshot: ZDF

Hubert Aiwanger durfte sich am Dienstagabend in der ZDF-Talkshow nach der umstrittenen Rede auf der Demo gegen das Heizungsgesetz der Ampel in Erding erklären – und bekam dafür auch die meiste Sendezeit. Erstmals war der 52-jährige bayerische Wirtschaftsminister bei Markus Lanz in Hamburg zu Gast. Es sollte ein denkwürdiger Abend werden. Drei gegen eins. Ebenfalls zu Gast waren Politologin Ursula Münch und Journalist Florian Flade.

Bayerns Vize-Ministerpräsident Hubert Aiwanger war erstmals Talkshow-Gast bei Lanz

Gleich zu Beginn knöpft sich Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger die Ampel-Regierung in Berlin vor. Als Aufhänger nimmt er den jüngsten Vorfall in Essen. In NRW gab es brutale Ausschreitungen zwischen verfeindeten Großfamilien, "wo sich libanesische und syrische Gangs zu Hunderten geprügelt haben. Wo ein Friedensrichter diese Herrschaften wieder zur Mäßigung gebracht hat. Und nicht die deutsche Justiz und die Polizei." Und dann verwundert der stellvertretende Ministerpräsident Bayerns mit einem Satz, der Lanz aufhorchen und schockiert nachfragen lässt.

Hubert Aiwanger schockiert Markus Lanz mit "diese Syrer"

Aiwanger ist verärgert über "diese Syrer, die seit acht Jahren bei uns sind". Es sei "ein großer Fehler dieser Ampel, dass man jetzt einbürgert, bevor Integration funktioniert hat". Moderator Markus Lanz unterbricht den bayerischen Wirtschaftsminister sofort. "'Diese Syrer' haben Sie gerade gesagt? Alle?" Aiwanger redet sich raus und will "diese Syrer, sie seit 2015 unter Merkel gekommen sind", gemeint haben. Dass Aiwanger so alle geflüchteten Syrer über einen Kamm schert, hat auch Politologin Ursula Münch so verstanden. Aiwanger fällt ihr ins Wort und redet sich um Kopf und Kragen. Über "diese Syrer" sagt er weiter: "Sie bekommen momentan sehr großzügig die deutschen Pässe, sind aber noch nicht unbedingt im Arbeitsmarkt integriert. Ich sehe es als politischen Fehler, denen zu schnell mit dem Pass hinterherzulaufen."

Ursula Münch kann Wording von Aiwanger nicht fassen: "Also Herr Aiwanger"

Ursula Münch probiert es noch einmal mit einem Redebeitrag: "Niemand läuft hier einem hinterher. Also Herr Aiwanger." Weil Münch von Aiwanger ignoriert wird, fragt Lanz mit ernster Miene. "Ich finde das eine schwierige Formulierung. Wer läuft wem mit dem deutschen Pass hinterher?" Darauf antwortet Aiwanger: "Die Ampel!" Es gebe ein "zu liberales Aushändigen unserer Pässe". Zudem fühlt sich Aiwanger von Lanz absichtlich missverstanden: "Das kann man jetzt drei Mal drehen, dann ist das ein besonders böses Wort."

Markus Lanz giftet: "Finden Sie, das ist eine adäquate Formulierung?"

Gastgeber Markus Lanz reicht es und formuliert klar: "Nein, nein, nein, das läuft so nicht. Sie machen das häufiger. Sie hauen einen raus, dann sagen Sie, da wird einem direkt wieder das Wort im Mund umgedreht. Es hat doch jeder gehört, was Sie gesagt haben. An der Diagnose haben Sie an einigen Stellen definitiv recht, ich teile auch Ihre Auffassung, dass wir uns schwertun über die Probleme der Integration ehrlich und klar zu sprechen, aber die Formulierung 'diese Syrer' und 'denen wir mit dem deutschen Pass hinterhergelaufen'. Finden Sie, das ist eine adäquate Formulierung?"

Aiwanger kontert Lanz: "Machen wir jetzt eine Sprachdebatte?"

Aiwanger weiß keinen Ausweg mehr und attackiert Lanz: "Machen wir jetzt eine Sprachdebatte? Ich glaube, es geht um die Sachverhalte. Sie lenken von der inhaltlichen Debatte jetzt schon ins Wording ab. Ich meinte nicht alle Syrer dieser Welt." Politologin Münch versucht es ziemlich nüchtern: "Sie stellen es da, als würden alle den deutschen Pass haben wollen. Es ist um Grunde so, dass wir eigentlich niedrige Einbürgerungszahlen haben. Nicht alle Syrer, die 2015 und 2016 zu uns gekommen sind, sind in Schlachten mit Libanesen."

Florian Flade: Aiwangers Sprache erinnert an AfD-Sprech

Der bayerische Vize-Ministerpräsident bleibt bei seiner Sprachwahl: "Wollen wir die Dinge beim Namen nennen oder wollen wir Wording-Debatten führen?" Journalist Florian Flade unterstellt Aiwanger, dass seine Sprache, die der AfD ähnele. "Es ist nicht egal, auch nicht im politischen Umgang, welche Worte man wählt." Und weiter: "Das kann gefährlich werden." Dem stimmt auch Markus Lanz zu. Der Moderator spricht Zuschauer mit Migrationshintergrund an, die sich durch Aiwangers Wortwahl verletzt fühlen: "Ich tue mir schwer, mit dieser sehr generalistischen Ansage."

Lanz zu Aiwanger: "Sie haben einen komischen Verfolgungswahn"

Der Freie-Wähler-Chef will sich darauf nicht einlassen und unterstellt Lanz, seine Sätze in einen falschen Kontext zu setzen. "Mit der Masche kriegen Sie mich nicht. (...) Sie sagen, ich hätte etwas gegen Ausländer." Der Moderator poltert: "Sie haben einen komischen Verfolgungswahn. Welche Angst haben Sie denn? Sie sind wahnsinnig misstrauisch, weil Sie merken, mit der Art und Weise, wie Sie reden, kann man was anfangen." Aiwanger genervt: "Weil ich einfach merke, dass Sie mir das Wort im Mund umdrehen."

"Anti-Ausländerstimmung": Aiwanger gibt sich tölpelhaft 

Lanz meint, Aiwanger befeuere die "Anti-Ausländerstimmung". Der Niederbayer will einen "Beweis" dafür von Lanz erfahren. Der Gastgeber versucht es erneut: "Sie haben recht, wir sind sehr sehr schlecht darin, die Leute in den Arbeitsmarkt zu kriegen. Mein Problem ist, wenn Sie sagen, dass 50 Prozent der Erwerbsfähigen nicht im Arbeitsmarkt sind, ist es der Sound! Denn umgekehrt bedeute es doch, "dass jeder Zweite arbeitet". Immer wieder kritisiert Lanz den bayerischen Wirtschaftsminister auch für feine sprachliche Details: "Lassen Sie uns versuchen, präzise bei der Sprache zu sein."

Kritik nach Anti-Heizungsdemo in Erding für Hubert Aiwanger

Und auch beim Heizungsgesetz der Ampel und der Demo in Erding geht es in der Talkshow von Markus Lanz immer wieder um die Wortwahl von Aiwanger. Auf der Anti-Heizungsgesetz-Demo machte Hubert Aiwanger durch eine populistische Rede bundesweit auf sich aufmerksam, in der er forderte, man müsse sich "die Demokratie" zurückholen. Lanz hält das für "die Verrohung der Sprache" und unterstellt Aiwanger, dass seine Zitate denen von Alexander Gauland (AfD) und Ex-US-Präsident Donald Trump ähneln. "Was ist das für eine Art zu reden für einen stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten?"

Politologin Münch ist der Meinung, Aiwanger habe die Stimmung bei den Demo-Teilnehmern unnötig aufgeheizt. "Politik eines stellvertretenden Ministerpräsidenten ist nicht aufstacheln." Aiwanger antwortet nüchtern: "Politik eines stellvertretenden Ministerpräsidenten ist es auf alle Fälle zu verhindern, dass die Leute frustriert heimfahren und dann die AfD wählen. Sondern die Leute abzuholen, wo sie sind. Und sie ernst nehmen."

Aiwanger fordert Toleranz: Mehrheit wisse nicht, was man noch sagen darf

"Sie verstehen sich als Lautsprecher für Sätze, die sich sonst keiner zu sagen traut", meint Lanz. Aiwanger bejaht: "Wenn eine immer größere Mehrheit der Bevölkerung verunsichert ist, was sie sagen darf, dann müssen wir etwas toleranter werden." Münch muss schmunzeln: "Aber zu Toleranz haben sie in Erding nicht aufgerufen." Und Journalist Flade meint: "Sie kämpfen um Wähler, die weiter rechts stehen."

Aiwanger über Ampel-Regierung ohne Zustimmung: "Das ist eine Demokratie. Formal"

Aiwanger findet, dass die Ampel "gegen die Mehrheit der Bevölkerung" regiere. "80 Prozent sagen, dass das Heizungsgesetz Unsinn sei. Die Ampel sagt, uns egal, wir haben die parlamentarische Mehrheit." Ob es dann keine Demokratie mehr sei, fragt Lanz rhetorisch. Aiwanger schnauft und sagt: "Das ist eine Demokratie. Formal. Die Vorgehensweise der Ampel ist für mich in diesem Punkt undemokratisch, weil sie gegen die Mehrheit der Bevölkerung Politik macht."

Politologin Ursula Münch versucht es mit einer Erklärung – direkt an Hubert Aiwanger adressiert: "Es bedeutet aber nicht, dass eine Regierung im ständigen Einklang mit der Bevölkerung sein muss. Eine Politik, die das ständig machen würde, was sie demoskopisch abfragt, das ist zwar demokratisch, aber keine handlungsfähige Politik. Herr Aiwanger, das machen Sie doch auch nicht."

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