Ein gefundenes Fressen
Der Typ kann ein Kotzbrocken sein. Takt-, rücksichts- und respektlos, macht er sich Verdächtige und Kollegen zum Feind. Peter Faber, der am Sonntag im ersten Dortmunder „Tatort” ermittelt, wird wohl auch beim Publikum erst einmal anecken. Ganz anders sein Schauspieler Jörg Hartmann: Der 43-Jährige, der in der ARD-Serie „Weissensee” als Stasi-Offizier erstmals ein größeres Publikum auf sich aufmerksam machte, hat seinen Spaß an schwierigen Charakteren.
AZ: Herr Hartmann, Kommissar Faber wird vom WDR als „Sausack” angekündigt.
JÖRG HARTMANN: Ich kann das gar nicht mehr hören.
So schlimm ist er also nicht?
Nein. Ich sehe ihn als einen absolut verletzlichen, verletzten Menschen, der einiges mit sich auszutragen hat. Er hat von Natur aus Antennen und nimmt dadurch vieles wahr, gerade am Tatort. Er ist natürlich ein Einzelgänger und schwer teamkompatibel. Aber alles in allem sehe ich ihn natürlich nicht als Arschloch.
Die Ernennung zum „Tatort”-Kommissar ist ein Ritterschlag.
Ich hatte zwei ganz konträre Gefühle dazu. Zum einen Freude, ich fühlte mich geehrt. Aber bei aller Freude habe ich auch gedacht: Jesusmaria, wir haben so viele Krimis im deutschen Fernsehen. Da wollte ich dann doch lieber das Exposé abwarten, wie sich das entwickelt, was Faber für eine Figur ist.
Sie hatten zuerst die Rolle, und dann ist sie entstanden?
Erst zwei Monate später habe ich das Exposé erhalten. Da war dann klarer gezeichnet, in welche Richtung es gehen wird. Aber so lange habe ich abgewartet. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Faber durch seine Art zu ermitteln, durch dieses Abtauchen in die Welt des Täters, sich in ihr auch mal selbst verliert. Das hat nicht unbedingt mit realistischer Polizeiarbeit zu tun, aber für die Dramaturgie wäre es ein gefundenes Fressen.
In Dortmund ist man ziemlich stolz auf den eigenen „Tatort”.
Es ist wirklich ganz rührend, wie glücklich die da alle sind. Einmal wollte ich auch mit einem alten Schulkollegen in ein Dortmunder Restaurant gehen. Da war eine Frau, die mich gleich erkannte: „Ach, da isser! Unser Kommissar! Komm her, lass’ dich mal drücken.” Die umarmte mich sofort. So was passiert nur im Ruhrpott.
Sie kommen ja selbst aus Herdecke. Aus erster Hand: Was hat der Pott zu bieten?
Einen direkten, humorvollen Menschenschlag. Und diese gigantische, von Menschenhand geformte Industrielandschaft, die ist wirklich was Besonderes. Das muss man sehen. Es sind ja nicht nur Zechen, es sind ja auch Kokereien, Halden, Stahlwerke. Es ist halt keine Gegend, die mit einer pittoresken Innenstadt aufwartet. Man weiß ja nicht einmal genau, ob es viele Städte sind oder eine einzige Riesenstadt. Und für alle, die es immer noch nicht kapiert haben: Es ist unglaublich grün da!
Wie schafft denn der Ruhrpott Ihrer Meinung nach den Spagat zwischen Tradition und Moderne?
Glücklicherweise hat man kapiert, dass diese alten Relikte genutzt und umgewandelt werden sollten. Die waren alle kurz vorm Abriss! Das wäre fatal gewesen. Man erkennt die Arbeitersiedlungen noch. Aber natürlich hat Dortmund mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie andere Großstädte auch.
Die wären?
Die nichtssagenden Gewerbegebiete mit Discountern und riesigen Parkplätzen davor. Ich bin auch kein Fan von diesen Einkaufspassagen, die man in die Innenstädte knallt. Dadurch sterben die anderen Läden. Wenn das Leben nicht mehr in öffentlichen Räumen, auf freien Plätzen stattfindet, sondern in gesichtslosen, klimatisierten Shoppingmalls, dann geht bei mir die Hutschnur hoch. Aber Shoppingmalls und Discounter sind kein Dortmund-spezifisches Problem.
Wobei gerade im Ruhrgebiet derzeit die sogenannten Büdchen aussterben.
Die sind was Besonderes. Nicht nur visuell, sondern das war auch ein sozialer Treffpunkt. Eigentlich wollte man nur kurz raus, eine Zeitung holen, und blieb dann eine ganze Weile da. Im Ruhrpott kommt man eben immer schnell ins Quasseln. Meine Familie hatte in Herdecke ja sogar eine Pommesbude.
Mit einer eigenen Pommesbude waren Sie doch bestimmt der King in der Grundschule!
Nein, war ich nicht. Ich war immer wahnsinnig schüchtern.
Vom schüchternen Jungen zum Star ist es dann doch ein weiter Weg...
... und das ganz ohne Pommesbude!
Was hat sich denn da in der Zwischenzeit getan?
Naja, irgendwann taut man eben auf. Die Liebe zum Clownesken und zum Theater habe ich noch auf der Grundschule entdeckt.
Und jetzt?
Jetzt sind die ersten zwei Filme gedreht, und ich kann mich zurücklehnen und schauen, wie’s denn so ankommt. Ich bin gespannt, denn der „Tatort” kommt nicht so ranschmeißerisch daher. Außerdem wollen wir einige kontinuierliche Bögen erzählen. Nicht nur in der Entwicklung der Figuren, sondern auch in der Handlung. Wobei natürlich weiterhin jede Folge für sich selbst stehen wird.
Soll mit dem neuen Konzept auch ein jüngeres Publikum angesprochen werden?
Ich hoffe natürlich, dass auch die Älteren nicht abschalten! Aber durch das Viererteam und das Tempo, durch die etwas andere Bildästhetik hoffe ich, dass dieser „Tatort” auch Jüngere anspricht.
Sonntag, 23. September 2012, 20.15 Uhr, ARD
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