Diskussionsthema bei "Hart aber fair" verfehlt: Moderator Louis Klamroth tadelt Polit-Gäste

Über 58 Minuten lang hat Moderator Louis Klamroth das politische Hickhack bei der heutigen Sendung zum Thema: "Die Wirtschaft lahmt: Wie wird Deutschland wieder spitze?" mit Humor genommen. Jetzt aber steht der "Hart aber fair"-Moderator mit entschlossener Miene vor dem Podium. "Ich glaube, wir sind alle gut beraten, vor allen Dingen die Politik, wenn wir eine Bürgerin da haben, dass wir über ihre Probleme sprechen und nicht die Probleme innerhalb der Politik", unterbricht er FDP-Vize Johannes Vogel.
Dieser hatte eben ausgeholt, um einen provozierenden Einwurf von Jens Spahn (CDU) über die Uneinigkeit zwischen den Regierungspartnern ("wie immer") mit Vorwürfen gegen die ehemalige CDU-Regierung zu kontern. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Vogel mit "Jens" oder auch seiner Regierungskollegin, der "lieben Katharina" – Grünen-Fraktionsvorsitzende Dröge – einen regen Schlagabtausch liefert. Diesmal wird das Stimmengewirr durch den zustimmenden Applaus des Publikums aber im Keim erstickt."
"Wenn man so weitermacht, gibt es bald nur noch Industriebrötchen"
Auslöser für Klamroths deutliche Worte ist das Gespräch mit Caterina Künne. Sie ist Inhaberin von sieben Bäckerei-Filialen in Hannover, die mit 60 Mitarbeitenden zu den "kleinen mittelständischen Unternehmen" zählt. 130.000 Euro hat der Betrieb pro Jahr für Energie gezahlt, jetzt sind es 260.000 Euro jährlich. "Die müssen wir schlucken", sagt sie mit sichtlich feuchten Augen, "wenn man so weitermacht, gibt es bald nur noch Industriebrötchen."

Auf Klamroths Frage, ob ihre Bäckerei als kleines mittelständisches Unternehmen bei der von Wirtschaftsminister Robert Habeck vorgeschlagenen Industrie-Strompreisdeckelung von sechs Cent je Kilowattstunde für die nächsten fünf Jahre durchfällt, hat Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge eine eher unbefriedigende Antwort. Unter zwei Voraussetzungen bekämen auch mittelständische Unternehmen den reduzierten Preis: Wenn es sich um einen energieintensiven Betrieb handele, oder er im internationalen Wettbewerb stehe. "Das bin ich jetzt leider nicht", platzt Künne heraus und das Lachen bleibt ihr fast im Hals stecken. "Entschuldigen Sie, dann ist Ihre Regierung dafür, dass es nur noch große Bäckereien gibt, die international da sind, und den kleinen Handwerksbäcker um die Ecke gibt es nicht mehr."
Auch FDP-Vize Vogel macht bei seiner Antwort auf die Frage, welche Unterstützung der Mittelstand bekomme, anfangs keine gute Figur. Erst als Klamroth einschreitet, kommen ein paar Punkte: Statt die Strompreisdeckelung für die Industrie mit 150 Milliarden Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds zu finanzieren oder Chip-Firmen wie Intel mit Subventionen von Milliarden an Euro an den Standort Deutschland zu locken, plädiert er für bessere Rahmenbedingungen für Innovationskraft. Außerdem kann er sich eine Senkung der Stromkosten für alle und vor allem der Stromsteuer vorstellen. "Alles, was gesenkt wird, würde helfen", meint Künne, insbesondere, weil sie ab dem nächsten Jahr ohnehin wieder durch die Wiederaufnahme der CO2-Steuer "mit Kosten überschüttet" werde."
Wenn Grüne nach FDP klingen: "Hart aber fair"-Moderator verwundert
Dass die Grünen "die Großindustrie mit einem günstigen Strompreis ködern" wollen, überrascht Klamroth genauso wie Dröges Antwort, damit Arbeitsplätze retten und die Wirtschaft wettbewerbsfähig machen zu wollen. Klamroth: "Das könnte auch von der FDP sein!"
Christian Kullmann, als Vorstandsvorsitzender der Evonik Industries AG einer der potenziellen Profiteure der Strompreisdeckelung, freut sich hingegen, dass die Grünen "auf diesem Weg gehen, und ich bin sicher, dass auch die FDP noch auf den Pfad kommen wird." Weder Vogel noch Dröge können sich das Grinsen verkneifen. Dass seine Partei allerdings eine Kehrtwende mache, dementiert der FDP-Politiker.
Mit der Wasserpistole gegen Godzilla
Eingefahren scheinen die Positionen auch beim Wachstumschancengesetz zu sein: Klamroths Frage, ob Dröge über das Veto ihrer Parteifreundin und Familienministerin Paus im Voraus Bescheid wusste, lässt die Politikerin zwar unbeantwortet, spricht aber von einer "gemeinsamen Position" zum Schutz vor Kinderarmut. Vogel hingegen hält das Aufhalten durch die Grünen für einen "ernsthaften Fehler, der schnell korrigiert werden sollte".

Der Meinung, dass es sich dabei um ein "gutes Instrument" handelt, sind auch Unternehmer Kullmann und Ökonom Jens Südekum, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Doch sie sind der Meinung: Die geplanten sechs Milliarden Euro sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein. "Bevor das wirksam ist, ist es im Vergleich zu den geplanten Investitionen der US-amerikanischen Wirtschaft so, als würden wir mit der Wasserpistole gegen Godzilla angehen, das reicht nicht", plädiert Kullmann und zeigt dabei ähnliche rhetorische Fähigkeiten, wie die, die er den Politikern der Diskussionsrunde immer wieder vorwirft. 100 Millionen Euro zusätzliche Investitionen pro Jahr seien seiner Meinung nach genauso notwendig wie schnellere Verfahren und Bürokratieabbau, um die Transformation zu schaffen und in die Forschung und gute Arbeitskräfte zu investieren.
Wachstumschancengesetz soll demnächst durchgeboxt werden
Kurz gestreift werden auch die Sinnhaftigkeit der Schuldenbremse oder die Frage, wie eine Abwanderung von Investitionen verhindert werden kann. "Die Herausforderungen sind so groß, da sollten wir es nicht so einfach machen", fasst Johannes Vogel die Diskussion zusammen. Eine klare Antwort erhält Klamroth immerhin auf die Frage, ob das Wachstumschancengesetz demnächst durchgeboxt wird. "Ja, muss es", meint der FPD-Politiker und erhält diesmal sogar Zustimmung von seiner Koalitionspartnerin Dröge. "Wir bleiben dran", verspricht Klamroth abschließend."