„Die Spiegel-Affäre“ in der AZ-Kritik

Duell der Alphatiere: Der TV-Film „Die Spiegel-Affäre“ stilisiert ein wichtiges politisches Ereignis der jungen Bundesrepublik zu einem packenden Duell zwischen Rudolf Augstein und Franz Josef Strauß
von  Matthias Maus
Francis Fulton-Smith als Verteidigungsminister Franz Josef Strauß.
Francis Fulton-Smith als Verteidigungsminister Franz Josef Strauß. © BR/Wiedemann & Berg/Stephan Rabold

Die zwei Söhne sind da, der Max und der Franz Georg, vier Enkel plus Freundinnen, ein zünftiges Strauß-Familientreffen ist das im Gloria-Palast! Und die sind alle gekommen, um den berühmten Opa als bösen Buben vorgeführt zu bekommen? Iwo! Das steht nicht zu befürchten, wenn man den Bayerischen Rundfunk die „Spiegel-Affäre“ aufarbeiten lässt.

In diesem, einem der heikelsten deutschen Nachkriegs-Kapitel zwischen Landesverrat, Rechtsstaat und Pressefreiheit, hat Franz Josef Strauß zwar gemeinhin eine Schurkenrolle. Im bemerkenswerten Fernsehfilm aber hat selbst der Choleriker Strauß (Francis Fulton-Smith), der von der Atommacht Deutschland träumt und der das Parlament belügt, das Herz immer am rechten Fleck, an gscheiten Durscht und immer ein lateinisches Zitat parat. Er ist halt ein barocker Mensch.

Die Doppelmoral, das Verbissene, das Durchtriebene, das ist im Norden zuhause, in Hamburg. Dort, wo der „Spiegel“-Gründer Rudolf Augstein von seiner persönlichen Fehde mit Strauß besessen ist. Sebastian Rudolph blickt als Augstein meist magenkrank drein, wenn er nicht gerade die eigene Frau betrügt – während sich Franz Josef daheim mit Marianne ein Weißbier aufmacht.

Stark: Francis Fulton-Smith als FJS

Nein, es ist kein schlechter Film, den das Premieren-Publikum drei Tage vor dem Arte-Zuschauer gezeigt bekommt. Die ARD-Degeto-Arte Produktion lebt von der Spannung, von der filmischen Professionalität (Regie: Roland Suso Richter) und der überraschend starken Präsenz von Fulton-Smith in der Rolle des Franz Josef Strauß.

Der schafft es wenige Sequenzen wirklich, so etwas wie Sympathie zu erwecken für den Strauß Ende der Fünfziger, Anfang der Sechziger Jahre: für einen Minister, der seine Macht für einen persönlichen Rachefeldzug nutzt.

Man muss tatsächlich lange die Luft anhalten, bis der Film die Kurve kriegt und zeigt, was vor 52 Jahren wirklich auf dem Spiel stand. Pressefreiheit gegen Obrigkeitsstaat. Und dass Rudolf Augstein keineswegs so falsch lag mit seiner Einschätzung und seinem Ziel: „Dieser Mann darf niemals Kanzler werden.“

Franz Josef Strauß als Bösewicht? „Mit der ,Spiegel’-Durchsuchung hatte der Papa nichts zu tun“, sagt Franz Georg (52). Und auch Max Strauß, mit 54 der Älteste und von der Physiognomie dem Vater am ähnlichsten, sieht den Alten entlastet: „Das sieht man doch historisch jetzt differenzierter.“ Die Affäre sei „nur zu verstehen vor dem Hintergrund der Kuba-Krise“ und der allgemeinen Paranoia der Zeit.

Bleibend aktuell

Sicher: Dass der Papa persönlich dem „Spiegel“-Journalisten Conrad Ahlers (David Rott) die Franco-Schergen auf den Hals hetzte, das war nicht fein: „Da hat er sich in was reintreiben lassen“, sagt Max. „Es war halt eine irrsinnige Zeit.“

Noch immer hochaktuell sei die Affäre, sagt Ex-„Spiegel“-Chef Stefan Aust, der die Autoren beriet: „Darf man Staatsgeheimnisse verraten? Darf man Staatsgeheimnisse haben?“

Diese Fragen stellen sich vor dem Hintergrund der Edward-Snowden-Affäre heute erneut. Strauß-Sohn Max sieht die Bedeutung der Affäre in einer Reihe mit der Achtundsechziger Bewegung: „Es hat sich herausgestellt, dass der Staat nicht alles darf.“

„Die Spiegel-Affäre“ läuft am 2. Mai auf Arte und am 7. Mai in der ARD, jeweils um 20.15 Uhr

 

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.