"Die letzte Wiesn": TV-Kritik zum "Tatort" aus München

Ein München-Tatort zwischen entrückter Seligkeit und Kotz-Abgrund. "Die letzte Wiesn" mit Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec in der TV-Kritik der AZ.
Ponkie, dpa, az |
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Udo Wachtveitl als Kriminalhauptkommissar Franz Leitmayr, Mavie Hörbiger als Ina, Ferdinand Hofer als Kalli und Miroslav Nemec als Kriminalhauptkommissar .
BR/Bernd Schuller Udo Wachtveitl als Kriminalhauptkommissar Franz Leitmayr, Mavie Hörbiger als Ina, Ferdinand Hofer als Kalli und Miroslav Nemec als Kriminalhauptkommissar .

München - Das Oktoberfest ist laut, bunt, überbordend - und im neuen "Tatort" mörderisch. Zum ersten Mal in ihrer fast 25-jährigen Karriere als Kommissare in der ARD-Reihe ermitteln Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) mitten auf dem größten Volksfest der Welt. Die Episode "A gmahde Wiesn" von 2007 spielte zwar während der Wiesn-Vorbereitungen, doch dieses Mal geht es erstmals wirklich rein ins wahnwitzige Treiben.

"Ich bin die ersten zehn Jahre meines Lebens bei der Oma aufgewachsen. Mein Cousin und ich haben immer genau ausgerechnet, was wir mit unserem schmalen Budget auf der Wiesn überhaupt machen konnten. Tief hängengeblieben ist die große Enttäuschung als ich das erste Vogelpfeiferl gekauft hatte und es sich langsam im Mund auflöste. Die sind ja aus Pappe", erinnert sich Udo Wachtveitl im großen AZ-Doppel-Interview an das Oktobertest seiner Kindheit. Und Miroslav Nemec erzählt, wie er als Mitglied einer Rockband einmal keine Übernachtungsmöglichkeit in München hatte und eben auf die Wiesn gegangen sei. "Wir haben dort getrunken und uns nach Wiesnschluss unter die draußen gestapelten Bänke gelegt. Und in der früh, so um halb sechs, kam die Polizei mit den Hunden. Die haben uns dann verscheucht".

Die Handlung

"Die letzte Wiesn" ist eine Geschichte irgendwo zwischen Zombie-Film und Gesellschaftsstudie. Bei den tausenden Menschen, die zum Oktoberfest orientierungslos durch die Stadt fallen, kann einem wirklich angst und bange werden. Weil das auch Kommissar Leitmayr weiß, haut er ab zur Wiesn-Zeit und überlässt seine Wohnung zwei hübschen jungen Schwedinnen. "Happy Beer Drinking" wünscht er seinen Untermieterinnen, bevor er in die Toskana entschwindet. In der U-Bahn findet er einen hilf- und orientierungslosen italienischen Wiesn-Besucher, der sich aber auch nicht helfen lassen will. In der Toskana dann der Anruf: Der Italiener ist tot - und auf seinem Geldbeutel befinden sich Leitmayrs Fingerabdrücke. Das war's mit der Flucht vor dem Italiener-Wochenende nach Italien und Leitmayr muss nach München zurückkehren.

Bald stellt sich heraus, dass der Italiener gar nicht so betrunken war, wie er schien. Laut Obduktionsbericht hatte er nur 0,7 Promille im Blut. "Viel haben sie ja noch nie vertragen, unsere italienischen Freunde." Allerdings findet sich bei der Obduktion noch etwas: GHB, Liquid Ecstasy. In Verbindung mit Alkohol kann das tödlich sein. Und offensichtlich ist der Italiener nicht das einzige Opfer - immer mehr Männer fallen im fiktiven Amperbräuzelt mit GHB im Blut von der Bierbank. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis es den nächsten Toten gibt. Doch Batic und Leitmayr kämpfen nicht nur gegen die Zeit, sondern auch gegen die Profitgier des Freistaates und der Wiesn-Wirtin Moosrieder (Gisela Schneeberger). Die hübsche Kellnerin (Mavie Hörbiger) scheint eine der wenigen zu sein, die den Kommissaren keine Steine in den Weg legen will.

Die TV-Kritik von Ponkie

Es wogen die Bierzelt-Massen, die Blasmusik dröhnt, die Saufgesänge lassen die Klotüren erzittern, und die Kommissare Batic & Leitmayr (Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl) blicken leicht melancholisch in den plärrenden Frohsinn, der ihnen eine Extasy-Leiche uund scharenweise Notarztfälle einbrigt. Der prächtig echte Keifton einer Bierzelt-Bräuwirtin (jeder Zoll eine Gisela Schneeberger!) schrillt schikanös das Dienstpersonal nieder, und was dem einen sein Touristenglück, das ist dem anderen sein Knochenjob.

Der Tatortkrimi „Die letzte Wiesn“ (Buch: Stefan Holtz, Regie: Marvin Kren, ARD/BR) nutzt das Gemütsgefälle der Suff-mit-Frohsinn-Stimmung zwischen entrückter Seligkeit und Kotz-Abgrund: Die Kommissare bändigen Besoffene - und kriegen einen sentimentalen Rappell, wenn Batics Tante aus Kroatien anreist oder wenn ein Kind vom Jugendamt in Gewahrsam genommen wird, weil die Mutter (Marvie Hörbiger) sich zu einem Drogen-Deal hat erpressen lassen. So landen wir wieder auf dem Boden der schäbigen Wirklichkeit, während die Glücksucher von der Achterbahn herüberjohlen.

Darauf eine Zuckerwatte!

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