Der Karajan unserer Tage

Die ARD singt ein Heldenlied auf Christian Thielemann
Er ist designierter Chef der Staatskapelle Dresden, Liebling der Wiener Philharmoniker, musikalischer Berater der Bayreuther Festspiele und ab 2013 künstlerischer Leiter der Salzburger Osterfestspiele. Christian Thielemann hat mit 53 Jahren fast alles erreicht: Er ist der berühmteste unter den deutschen Kapellmeistern – der Karajan unserer Tage.
Der gebürtige Berliner wird von Sängern und Orchestermusikern geliebt, aber er ist auch umstritten. – die Würze jeder Karriere. Von ihr ist in der Reihe „Deutschland, deine Künstler“ wenig zu schmecken – deshalb bleiben die 45 Minuten Kulturfernsehen recht fad.
Der Münchner Krach zwischen dem Dirigenten, Teilen der Philharmonikern und dem Stadtrat kommt nur ganz verschwommen vor. Auch andere Skandale fegt Thielemann im Gespräch jovial wie das Staubkorn vom Frack. Nachgefragt wird nicht. „SZ“-Redakteur Reinhard J. Brembeck darf zwar den Anfang seiner These von den zwei Thielemännern entwickeln und den Klangsinn sowie die Opernbegleitungskunst loben. Das in der Luft liegende „aber“ bleibt unausgesprochen, weil Mathias Sieberts Doku hastig weitereilen muss.
Dafür wird das Heldenlied geschmettert: Der Konzertmeister der Staatskapelle und die Sopranistin Renée Fleming beschreiben den Ausgleich zwischen Spontaneität und Kontrolle, die Thielemanns Dirigieren auszeichnet. Der Kapellmeister lobt sein Vorbild Furtwängler, stapft mit Springer-Chef Mathias Döpfner durch masurische Alleen und lässt sich bei einer Privatführung durch eine Ausstellung über den alten Fritz über die Schulter gucken. Ob Christian Thielemanns privater Preussen-Konservatismus auch seine musikalische Entsprechung hat, übergeht der Film: Künstlerische Streit- und Geschmacksfragen sind nicht fernsehtauglich.
Der Autor lobt die „ungepolsterten Holzstühle“ im Bayreuther Festspielhaus, die es seit Jahren nicht mehr gibt. Auch eine Ensemble- und die Klavierhauptprobe geraten ihm durcheinander. Sehenswert ist der Schluss, wenn sich am Ende der Strauss-Oper „Ariadne auf Naxos“ die Hochspannung im Gesicht des Dirigenten langsam löst. Davon hätte man gern mehr gesehen.
ARD, Mittwoch, 22.45 Uhr