"Das verkaufte Lächeln": Der München-Tatort in der AZ-Kritik
Die Kommissare Leitmayr und Batic bewegen sich im Tatort "Das verkaufte Lächeln auf einem Philosophen-Trip. Die AZ-Kritik von Ponkie.
Wesentliche Tatortkrimi-Ziele sind immer Zeitgeist und Lokalkolorit. Im Münchner Krimi „Das verkaufte Lächeln“ (Buch: Holger Joos, Regie: Andreas Senn, ARD/BR) steckt eine zentrale Verhaltensänderung durch die elektronisch durchorganisierte Lebensweise: Der Selfie-Exhibitionismus im Netz. Jugendliche übertragen ihre Existenz auf die Finger ihrer Computer-Tastatur, reduzieren ihre Wirklichkeits-Wahrnehmung auf den Computer. Ich surfe, also bin ich. Ich werde gesehen, also bin ich.
Die Kommissare Leitmayr & Batic (Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec), die Real-Pessimisten für individuelle Abgründe, entdecken die Netz-Fallen, in denen sich pubertäre Spaß-Anwärter auf der Jagd nach dem ganz großen Kick einsafteln lassen. Und die Kripo-Kommissare, technisch immer hinter den Chef-Informatikern herstolpernd, stehen fassungslos vor der Betonwand eines nur auf Fassadenwahrnehmung fixierten Bewusstseins.
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Für den Tatortkrimi bedeutet das freilich eine Abstraktion – eine Reduzierung auf Bildschirm-Fakten. Auf Festplatten-Strategien – und auf den Büro-Zorn. Auf die grundsätzliche Kriminalität des Denkens und den Geltungsdrang als Massenphänomen. Die Tatort-Psychologen auf dem Philosophen-Trip.
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- Udo Wachtveitl