"Das 'Tatort'-Aus macht mir keine Angst"

Mutig nähert sich der junge Johann Wolfgang von Goethe einer hübschen Dame: "Darf ich's wagen?" Die Frau ist wenig angetan: "Ach, Herr Johann Wolfgang von Goethe, mit dieser Kleidung und dieser Frisur, da haben sie doch schon sehr viel gewagt." David Maiers Hörspiel "Der junge Goethe" (Der Audio Verlag, 1 CD, 9,99 Euro) stellt einen Johann Wolfgang von Goethe vor, wie man ihn noch nicht gehört hat. Gesprochen wird der junge Dichter-Star von Maxim Mehmet (39, "Fleisch ist mein Gemüse", "Männerherzen"). Wie er selbst zu Johann Wolfgang von Goethe steht und wie er vom Aus des Leipziger "Tatort"-Teams, in dem er den Kriminaltechniker Wolfgang Menzel spielt, erfahren hat, erzählt er im Interview mit spot on news.
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In "Der junge Goethe" wird auf eine sehr lustige, moderne Art mit dem Thema gespielt...
Maxim Mehmet: Ja, das ist eine frische Herangehensweise von David Maier. Diese humorvolle und saftige Art, sich dem Thema zu nähern, ist bisher wohl einzigartig. Viele Schüler finden Johann Wolfgang von Goethe wahrscheinlich vor allem trocken.
Wie fanden Sie Goethe als Schüler?
Mehmet: Ich mochte ihn eigentlich immer ganz gerne. Für mich hatten seine Werke wie der "Faust" und "die Leiden des jungen Werther" eine gewisse Faszination. Nach der Schauspielschule habe ich mich aber früh für die Film- und Fernsehlaufbahn entschieden und war nur wenig am Theater, deswegen bin ich nie in den Genuss gekommen, Johann Wolfgang von Goethe zu spielen.
Im Hörspiel kommt der junge Dichter bei seinen Mitschülern nicht besonders gut an... Wie war das bei Ihnen?
Mehmet: Verprügelt worden bin ich zum Glück nie. Ich war auch nie ein Außenseiter. Ich habe damals aber mit meinen etwas alternativ angehauchten Eltern auf einem Bauernhof gewohnt und entsprechend war ich auch gekleidet. Als die anderen schon schicke Sneakers trugen, bin ich noch in Birkenstock-Sandalen rumgelaufen. Dafür bin ich dann schon mal gehänselt worden. Aber dabei blieb es auch.
Was bedeutet Ihnen Mode heute?
Mehmet: Ich achte schon darauf, was ich anziehe und mache mich gerne schick. Vor allem Anzüge mag ich sehr. Trotzdem spielt Mode in meinem Leben keine zentrale Rolle, ich bin kein Mode-Fetischist.
Goethe muss nach dem Willen seines Vaters Anwalt werden. Waren Ihre Eltern immer mit Ihrem Berufswunsch einverstanden?
Mehmet: Da hatte ich großes Glück. Ich bin Einzelkind und meine Eltern haben mir immer alle Freiheiten gelassen. Allerdings habe ich relativ lange gesucht, bis ich beim Schauspiel angekommen bin. Davor gab es ein angebrochenes Studium der Theaterwissenschaften, ein Foto-Praktikum und ein Praktikum beim Film im Bereich der Aufnahmeleitung, auch ins Kultur-Management habe ich reingeschnuppert. Irgendwann sind meine Eltern doch unruhig geworden. Dann habe ich aber glücklicherweise das Schauspiel für mich entdeckt.
Und inzwischen gibt es einige große Filme, in denen Sie mitgespielt haben. In David Maiers Werk wird der Nachwuchs-Dichter von den Kritikern runtergeputzt. Wie gehen Sie mit sowas um?
Mehmet: Nach einer meiner ersten Premieren am Theater - wir haben Schillers "Räuber" gespielt - hat mir einer meiner älteren Kollegen geraten, ich solle die Kritiken mit Vorsicht genießen und sie nicht an mich heranlassen. Das war ein sehr guter Rat. Die Kritiken zu dieser Premiere fielen miserabel aus. Damals ist mir das noch ziemlich nahe gegangen. Danach habe ich aber versucht, das so leicht wie möglich zu nehmen und Kritiken als eine Meinung zu betrachten. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, als Schauspieler ist man ja auch abhängig von der öffentlichen Meinung.
Sie gehörten auch zum Leipziger "Tatort"-Team, dessen Aus Anfang des Jahres beschlossen wurde.
Mehmet: Wir hatten gerade das Abschlussfest nach sieben Jahren gemeinsamer Arbeit. Das war im Anschluss an den letzten Drehtag unseres Teams. Zwei Episoden aus Leipzig sind abgedreht und werden noch ausgestrahlt, dann kommt das neue Team aus Dresden.
Wie war die Stimmung auf dem Abschlussfest?
Mehmet: Gemischt. Es gibt Leute, die weit über diese sieben Jahre hinaus dabei waren, und schon mit Peter Sodann und Bernd Michael Lade gearbeitet haben. Für die war das natürlich ein gravierender Einschnitt. Ich persönlich sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Man ist natürlich als Team zusammengewachsen, es war sehr familiär. Auf der anderen Seite habe ich aber gespürt, dass es auch mal wieder Zeit ist für etwas Neues. Und war deshalb auch nicht so böse um den Abschied.
Wie haben Sie von dem Aus für das Team erfahren?
Mehmet: Einen Tag vor der Pressemitteilung bekam ich den Anruf vom Produzenten. Der war selbst ganz überrascht. Bei den Kommissaren muss es ähnlich gewesen sein, die wurden ebenfalls vor vollendete Tatsachen gestellt.
Der junge Goethe blickt mit 28 auf sein Leben zurück. Sie werden nächstes Jahr 40. Wie fällt Ihr Fazit bisher aus?
Mehmet: Ich hatte bislang ein glückliches und sehr unbeschwertes Leben. Mal abgesehen von den persönlichen Problemen, die jeder mit sich austrägt, hatte ich nie mit großen Schicksalsschlägen zu kämpfen. Ich komme aus einem bürgerlichen Haus und war sozial immer abgesichert. Mein Vater war Lehrer, meine Mutter Sozialarbeiterin. Wir waren nicht reich, hatten aber auch nie Geldprobleme. Und ich habe einen tollen und spannenden Beruf gefunden, der mich auch immer wieder fordert. Man muss sich immer wieder auf neue Figuren einlassen und Interesse an Menschen haben. Ich liebe Veränderungen und hoffe, dass ich auch in Zukunft nicht zu eingefahren und bequem werde. Ich will weiter das Abenteuer suchen.
Nur wenige Schauspieler können wirklich von ihrem Beruf leben. Kennen Sie Existenzängste?
Mehmet: Ich mache mir keine Sorgen. Das bringt nichts. Man muss ein gewisses Grundvertrauen mitbringen. Tatsächlich ist aber das Schwierige an diesem Job, dass man sehr von anderen abhängig ist. Wenn man allerdings in einem bestimmten Kreis von Leuten ist, kann man schon damit rechnen, dass man immer wieder Jobs bekommt. Der "Tatort" war da natürlich ein sehr gutes Zubrot und auch eine sichere Bank. Zehn Drehtage im Jahr hatte ich dadurch sicher. Das fällt jetzt weg, das hat mir aber bisher keine Angst gemacht.
Welche Projekte stehen bei Ihnen gerade an?
Mehmet: Im Moment stehe ich für eine Neuverfilmung von "Heidi" vor der Kamera, die der junge Schweizer Regisseur Alain Gsponer dreht. Es ist eine deutsch-Schweizer Co-Produktion und sicher ein großer Kinofilm, der durchaus auch für Erwachsene sehenswert ist. Ich spiele Herrn Sesemann, Klaras Vater, einen jungen Witwer, der es zu Hause nicht aushält, weil er da an seine tote Frau erinnert wird. Bruno Ganz gibt den Almöhi, Hannelore Hoger spielt meine Mutter.
In jedem von uns steckt ein kleiner Dichter, sagt Goethe am Ende des Hörspiels. Haben Sie schon mal etwas gedichtet?
Mehmet: Ein Liebesgedicht habe ich zuletzt als Jugendlicher verfasst. Ich schreibe aber seit einiger Zeit Tagebuch, richtig handschriftlich. Das ist zwar nicht Schreiben im künstlerischen Sinn, aber es ist auch ein Festhalten von Erlebtem.