Das Ende einer Epoche?
Das TV-Mittelalter ist vorbei. Endlich. Was sich schon nach dem dritten Teil der „Wanderhure“ andeutete, ist für die Fernsehmacher nun Gewissheit: Ein Genre wurde zu Tode geritten. Das Publikum macht nicht mehr mit. Nur 4,07 Millionen verfolgten am Montag bei Sat.1 den ersten Teil der Ken Follett-Verfilmung „Die Tore der Welt“. Beim ersten Teil der „Säulen der Erde“-Verfilmung waren es noch über acht Millionen Zuschauer.
Das Ergebnis vom Montag ist für den Sender zwar eine überdurchschnittliche Quote, bleibt aber weit hinter dem Interesse zurück, das diese internationale, rund 46 Millionen Dollar teure Produktion eigentlich hätte erreichen müssen. Schließlich ist es auch erst gute zwei Jahre her, dass Sat.1 mit Alexandra Neldel als „Die Wanderhure“ (Teil 1) fast zehn Millionen Zuschauer verführte. Der Eskapismus, die Flucht aus der hochtechnisierten Welt in die vermeintlich einfache der Vergangenheit, gilt als einer der Gründe für die Mittelalter-Faszination. Follett reichert seine Geschichten zudem wohldosiert mit Sex, Action und Intrigen an.
Was auf dem Buchmarkt schon Jahrzehnte lang sehr erfolgreich funktionierte, hat für die Sender und Filmproduzenten allerdings einen Haken. Historienfilme sind grundsätzlich sehr teuer oder sie sehen komplett lächerlich aus. Die Verfilmung „Der Name der Rose“ (1986) nach dem sechs Jahre zuvor erschienenen Roman von Umberto Eco war zwar ein Welterfolg, blieb aber ein eher singulärer Kraftakt, da nicht alle Nationen so mittelalterversessen wie die Deutschen waren – und Hollywoodproduzenten schon gleich gar nicht. Dort beginnt bekanntlich die Geschichte der Menschheit mit dem Western, der allerdings trotz gelegentlicher Wiederbelebungsversuche (Brad Pitt als Jesse James) sein Pulver fast verschossen hat. Es sei denn, Quentin Tarantino gelingt mit „Django Unchained“ (ab Januar im Kino) eine Renaissance.
Hollywood wählt nach den Teenievampiren nun verstärkt den Weg zurück in die Zukunft und setzt wieder auf Science-fiction. So sicherte sich Disney die „Star Wars“-Saga, Tom Cruise kommt im April mit „Oblivion“ und Steven Spielberg dreht „Robopocalypse“. Mit vielen deutschen Produktionsmillionen taucht hingegen die UFA Cinema tief ab ins 11. Jahrhundert. Noah Gordons Weltbestseller „Der Medicus“ aus dem Jahr 1986 wurde erst in diesem Sommer sehr aufwändig abgedreht, vielleicht zu spät, wenn der negative Trend anhält.
Ken Follett scheint dies geahnt zu haben. Denn er selbst hat das Mittelalter thematisch seit Jahren verlassen und setzt nun in seiner aktuellen Trilogie, deren zweiter Band „Winter der Welt“ gerade ein Weihnachtsbestseller ist, konsequent auf das zwanzigste Jahrhundert.