Darum ist der Zeitpunkt für einen Abschied perfekt
München - "Du darfst nicht gehen" oder "Bitte bleib!": Ob auf Twitter, der "TV total"-Facebook-Seite oder bei sonstigen Plattformen im Netz, der Grundtenor ist, dass Stefan Raab (48) doch bitte sein Karriere-Ende noch einmal überdenken solle.
Aber wenn der erste Schock über die Ankündigung des Moderators verflogen ist, muss nüchtern betrachtet festgestellt werden, dass Raab wohl den perfekten Zeitpunkt für seinen Abgang gefunden hat.
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Nur solide Quoten sind ihm nicht genug
Eines gleich vorweg: Hinsichtlich der Quoten ist seine Samstagabend-Show "Schlag den Raab" auch nach nunmehr 52 Ausgaben über jeden Zweifel erhaben. Aber die Tage, an denen der Wettbewerb zwischen Kandidat und Killerplauze Raab unangefochten den Quotensieg bei der Zuschauergunst einfuhr, sind schon länger vorbei. So musste sich die 51. Folge im Januar dieses Jahres gleich mehreren Sendungen beugen. Der ZDF-Krimi "Kommissarin Heller - Querschläger" erreichte mit 6,29 Millionen Zuschauer sogar über doppelt so viele Zuschauer wie Raab. Selbst Florian Silbereisen (33) und sein "Großes Fest der Besten" machte an jenem Samstag deutlich mehr Quote. Seine zahlreichen anderen Formate - ob die "Wok-WM" oder das "TV total Turmspringen" - hatten zuletzt allenfalls solide Zuschauerwerte vorzuweisen. Schwer vorstellbar, dass in einigen Jahren die Menschen auch noch so traurig über das Ende all dieser Shows gewesen wären...
Der Zahn der Zeit
Böse Zungen scherzten bereits, Raab habe die Reißleine gezogen, weil er sich erstmals in der Geschichte von "Schlag den Raab" bei der 52. Ausgabe einer Frau geschlagen geben musste. Dabei weiß der Entertainer doch spätestens seit seiner beiden Boxkämpfe gegen Regina Halmich (38) 2001 und 2007, wie es sich anfühlt, nach Strich und Faden von einer Frau vermöbelt zu werden. Aber all die bitterbösen Scherze beiseite: Raab ist nicht mehr der Jüngste, feiert am 20. Oktober seinen 49. Geburtstag. Es war ohnehin immer verwunderlich, wie gut sich der Moderator in den sportlichen Wettbewerben gegen die athletischen Herausforderer erwehren konnte. Immer häufiger musste er aber zuletzt seine körperlichen Nachteile durch seinen Grips bei Wissensspielen wettmachen. Also lieber aufhören, solange die Show noch "Schlag den Raab" und nicht "Schlag den Greis" heißt.
Endlich Zeit für die Familie
Wenige Personen der Öffentlichkeit schaffen es so erfolgreich wie Raab, das Privatleben auch wirklich privat zu halten. Der deutliche Schnitt zwischen Karriere und Familie bedeutet aber auch, dass für Letztere nicht immer viel Zeit gewesen sein dürfte. Mit all seinen Show-Formaten, der viermal wöchentlich laufenden Sendung "TV total" und all den Proben und Vorbereitungen, die damit einhergehen, war Raab ein Hans Dampf in allen TV-Gassen - und das alleine auf ProSieben seit guten 16 Jahren. Seine Liebsten können sich ab kommenden Jahr also voll und ganz auf Privatvorstellungen des Scherzkekses freuen.
Es kann auch zu spät sein
Dass man sein Show-Blatt überreizen kann, davon kann manch Kollege von Raab ein Liedchen singen. Wander-Zyniker Harald Schmidt (57) etwa, der zwar stets als Aushängeschild, selten jedoch als Quotenbringer galt. Zwar ist man im Nachhinein bekanntlich immer schlauer, aber für "Dirty Harry" wäre es wohl der würdevollste Abgang gewesen, hätte er vor "Schmidt & Pocher" von 2007 bis 2009 im Ersten seinen Hut genommen. Doch Schmidt machte bekanntlich weiter, tingelte 2011 von den Öffentlich-Rechtlichen zurück auf seinen Heimatsender Sat.1, nur um ein Jahr später in der Bezahl-Nische auf Sky zu landen.
Auch Thomas Gottschalk (65) hat das Showgeschäft gefühlt eine Ausfahrt zu spät verlassen. Natürlich, 1993 war TV-Deutschland noch heilfroh, als sein Comeback bei "Wetten, dass..?" bekanntgegeben wurde. Nicht zuletzt, weil er damit Interims-Moderator Wolfgang Lippert wieder ablöste. Und als er dann 2011 den erneuten und endgültigen Abschied von "Wetten, dass..? verlauten ließ, hatte man den Eindruck, er habe den Abschied gerade noch rechtzeitig geschafft. Damals wussten die Zuschauer auch noch nicht, dass er ein Jahr später an der Seite von Dieter Bohlen in der Jury des Supertalents" bei RTL sitzen würde.
Alle Ideen umgesetzt?
Aber zurück zu Stefan Raab und seinen Show-Formaten. Von denen brachte er in den vergangenen Jahren nämlich mehr auf die Wege, als er sich wohl selbst hätte erträumen können. Aus einer Jux-Aktion wurde die "Wok-WM", aus einer Disziplin bei "Schlag den Raab" der "Deutsche Eisfußball Pokal". Zusätzlich konnte er sich schon im Turmspringen, beim Stock-Car-Rennen und im Pokern messen. Inzwischen scheint die Konzept-Maschine Raab aber ein wenig ins Stottern geraten zu sein, neuartige Show-Ideen gab es zumindest in der letzten Zeit nicht mehr. Und vielleicht ist das auch gut so, denn "Die große TV total Hallen-Halma-WM" gab es zwar noch nicht, sehen will sie aber wohl auch niemand.