Daniel Harrich: Die Deutschen bleiben "Meister des Todes"

Sein TV-Thriller „Meister des Todes“ löste ein Politbeben aus. Es folgten Prozesse gegen die Waffenindustrie. Aber die Skandale gingen verschärft weiter. Die ARD macht dazu einen Themenabend mit Daniel Harrichs neuem Spiel- und Dokumentarfilm
von  Adrian Prechtel
Eine Menschenrechtsanwältin (Katharina Wackernagel, re.) hat die Witwe (Veronica Ferres) eines Waffenhändlers zu einem Gedenkort für verschwundene Studenten in Mexiko gebracht.
Eine Menschenrechtsanwältin (Katharina Wackernagel, re.) hat die Witwe (Veronica Ferres) eines Waffenhändlers zu einem Gedenkort für verschwundene Studenten in Mexiko gebracht. © SWR/Diwa Film/Nurivan Mendoza Memije

Der starbesetzte Thriller „Meister des Todes“ war einer der politisch wirksamsten Filme der deutschen Fernsehgeschichte. Die Story um eine fiktive Waffenschmiede aus Baden-Württemberg, deren Geschäftsmodelle größte Ähnlichkeit mit tatsächlichen deutschen Waffenfirmen aufwies, sorgte für eine aktuelle Stunde im deutschen Bundestag sowie für mehrere Gerichtsverhandlungen gegen jene Unternehmen. Jetzt hat Daniel Harrrich wieder einen Spielfilm und eine Dokumentation darüber gemacht, wie es weiter ging: „Meister des Todes 2“ wird wieder für Wirbel sorgen! Gott sei Dank!

AZ: Herr Harrich, was würden Sie einem Zyniker sagen, der meint: Naja, Waffenhandel ist halt ein schmutziges Geschäft. Und wenn die Deutschen nicht liefern, liefern halt andere. Also sollte man da nicht so streng sein.
DANIEL HARRICH: Die Sache ist ja seit Jahren eher andersrum: Wenn die anderen nicht liefern: Wir Deutsche liefern auf jden Fall! Und das, obwohl wir ein
Kriegswaffenkontrollgesetz haben. Wir sind auf den vierten Platz der größten Rüstungsexporteure vorgerückt.

Lässt Sie das nicht verzweifeln?
Ja und nein. Denn nach unserem ersten Themenabend „Meister des Todes“ 2015 hat die Bundesregierung ja reagiert und die so genannten „Endverbleibskontrollen“, also die Frage, wo Waffen letztlich gelandet sind, eingeführt. Das ist aber nur drei Mal passiert und, meiner Meinung nach, noch nicht sonderlich erfolgreich. Es ist eine „Scheinpolitik“. Und das liegt daran, dass man den „systemrelevanten“ Firmen letztlich nicht auf die Füße treten will.

Ihr Film und Dokumentarfilm zeigt auch: Die Justiz könnte noch eine Kontrollinstanz sein, versagt aber auch. Immerhin wurden nach Ihrer Recherche ja hohe Geschäftsführer der Firma Heckler & Koch angeklagt, illegal Waffen nach Mexiko verkauft zu haben.
Ich bleibe überzeugt von unserer Demokratie und unserem Rechtsstaat. Aber was ich in der Wirtschaftsstrafjustiz erlebt habe, hat meinen Glauben vollkommen erschüttert. Es scheint egal, ob es um Daimler geht, Schlecker oder jetzt Heckler & Koch geht, man will immer die Oben schützen und bringt notfalls Bauernopfer auf der mittleren und unteren Ebene. Hinzu kommt, dass die Justiz auf „Untersuchungen“ von privaten Wirtschaftsprüfungsunternehmen wie dem Global Player KPMG zurückgreift. Die waren aber vom Beklagten, also von Heckler & Koch, selbst in Auftrag gegeben worden. Und dann tauchten plötzlich noch E-Mails auf, die genau zeigen, wie die Genehmigungen zwischen den Ministerien und Heckler & Koch gelaufen sind, die aber scheinbar gar nicht in den Prozess einbezogen wurden. Und im Prozess selbst hatte man den Eindruck, dass der Vorsitzende Richter immer dann, wenn es spannend wurde, nicht weiter nachgefragt hat.

Es überrascht ja nicht, dass man wirtschaftliche Erwägungen über die Frage von Menschenleben und Menschenrechten stellt. Selbst in der Coronakrise tauchen ja jetzt diese Überlegungen auf.
Aber das Neue ist, dass es bei Corona oder der Klimakrise nicht um Fragen geht, ob in Mexiko massenweise Menschen mit illegal exportieren deutschen Waffen erschossen werden. Sondern plötzlich ist die Frage bei uns selbst angekommen: hier in Deutschland. Die Welt und die Wirtschaft ist so global verflochten, dass wir selbst immer mehr betroffen sind und es eben nicht mehr egal ist, „wenn in China ein Sack Reis umfällt.“

Im Fall der Waffenexporte sagt ein Ministerialbeamter, der im Wirtschaftsministerium für die Waffenexportkontrolle zuständig ist: das Ministerium heißt Ministerium „für“ Wirtschaft und nicht „gegen“ Wirtschaft.
Das ist makaber, da er doch durch sein Amt die Aufgabe hätte, kritisch hinzuschauen. Gleichzeitig behauptet der Behördenchef: Menschenrechte seien ein wesentlicher Bestandteil der Prüfung bei der Genehmigung von Kriegswaffenexportgen.

Der leitende Beamte im Wirtschaftsministerium sagt tatsächlich im Zeugenstand vor Gericht weiter: Menschenrechtsfragen beim Export seien nur ein „Bemühungsunterfangen.“
Eine Wahnsinns-Wortneuschöpfung, die zeigt, dass Humanität und Menschenrechte letztlich Randnotizen anstatt klarer Prüfkriterien sind. Und der Behördenchef, der jetzt in Pension ist und offen und kooperativ redet, hatte noch nach unserem ersten Themenabend 2015 beim Sender „Programmbeschwerde“ eingereicht, weil seine Mitarbeiter jetzt unter „sozialer Ächtung“ litten. Er hätte sich aber eher fragen müssen, ob in den zuständigen Behörden alles mit rechten Dingen zugeht, wenn man da dauernd Waffenexporte gegen die gesetzliche Intention genehmigt.

Im Film werden ja auch noch Parteispenden aufgedeckt, mit denen man Exportgenehmigungen erreichen will.
Ja, und das ganz offen. Wir haben ja die E-Mails im Dokumentarfilm gezeigt, wo es sinngemäß heißt: „Lieber Herr Kauder, ich wende mich wieder an Sie wegen des leidigen Themas Kriegswaffenexportgenehmigungen....“ Dass so etwas offiziell und schriftlich existiert, zeigt, mit welcher Selbstverständlichkeit und ohne jegliches Unrechtsbewusstsein hier Gesetze, Verordnungen und Vorgaben umgangen werden sollen. Da wird ganz offen die Rechtsstaatlichkeit untergraben. Ich kann da nur sagen: Parteispenden von Unternehmen gänzlich verbieten! Denn hier ging es ja um lächerliche Beträge wie 10000 oder 5000 Euro, womit man eine Genehmigung meinte, leichter oder zumindest schneller eine Antwort bekommen zu können.

Hat man als investigativer Filmemacher nicht ein Sisyphos-Gefühl. 2015 ein Themenabend in der ARD, der wirklich etwas ausgelöst hat! Aber dann sieht man im Film 2020, wie eine andere deutsche Rüstungsfirma, Sig Sauer, einfach in die Exportlücke stößt, die kurz passiert ist, weil Heckler & Koch gerade in der „Schusslinie“ sind.
Die Sache ist ja noch krasser: der Waffenvorführer, der für Heckler & Koch in Mexiko unterwegs war, ist einfach zu Sig Sauer USA gewechselt und hat da weiter in dem Geschäft gearbeitet. Es ist also einerseits so, dass wenn man der Hydra den Kopf abschlägt, sofort neue Köpfe wachsen. Andererseits funktioniert eben doch noch unser öffentlich-rechtliches Rundfunksystem. Denn mit unserem neuen Themenabend heute Abend haben die alle nicht gerechnet, weil sie dachten mit unseren Recherchen bis 2015 sei die Sache für sie überstanden. Aber wir lassen nicht locker. Das ist unsere Aufgabe als Presse und Öffentlichkeit und die nimmt mein Team mit mir gerne an.
    
Der Spielfilm: „Meister des Todes 2“, ARD, 20.15 Uhr. Danach, 21.45 Uhr, die Dokumentation im Rahmen des ARD-Themenabends „Waffenhandel“ die Dokumentation „Tödliche Exporte: Rüstungsmanager vor Gericht“
 

 

 

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