AZ-Kritik zum München-"Tatort: Dreams": Weg vom deutschen Krimi-Klischee

Achtung, Spoiler! Diese TV-Kritik gibt mehr oder weniger konkrete Hinweise auf die Handlung des München-"Tatort: Dreams". Wenn Sie nichts verraten bekommen wollen, warten Sie mit der Lektüre des Textes, bis Sie den Film gesehen haben (Das Erste, 07.11.2021, 20.15 - 21.45 Uhr und in der ARD-Mediathek).
Nur ein Fünftel aller Absolventen einer Musikhochschule bekommt später eine feste Stelle in einem Orchester. Kindheit und Jugend fallen vor lauter Üben aus, und nach dem Studium braucht man für mehrere Runden eines Probespiels Nerven wie Drahtseile.
Liegt es da nicht auf der Hand, der Konkurrenz den Tod zu wünschen? Im "Tatort: Dreams" glaubt eine Musikerin, ihre Rivalin umgebracht zu haben. Batic und Leitmayr (Miroslav Nemec, Udo Wachtveitl) sind mangels Leiche in erster Linie Beobachter des Dramas einer vom Leistungsdruck zerfressenen Musikerfamilie. Das Ermittlerduo kultiviert etwas müde Schaukämpfe, was Arbeit macht, erledigt ohnehin der Kalli (Ferdinand Hofer).
Die eine Geigerin (Jara Bihler) lässt sich psychisch in einem Schlaflabor dopen, ihre Freundin und Rivalin Lucy (Dorothee Neff) wirft allerlei Pillen ein, weil sie zusätzlich mit dem Trauma ihrer toten Mutter und einem lieblosen Vater zu kämpfen hat. Zur Verallgemeinerung des Problems hat das Autorenduo Moritz Binder und Johanna Thalmann einen mäßig sympathischen Leistungssportler (Theo Trebs) zwischen die beiden gestellt.
Mystery-Elemente im München-"Tatort"
Die Klarträume der Hauptfigur sorgen für Mystery-Elemente. "Dreams" entfernt sich vom deutschen Krimi-Klischee in Richtung aktueller Serien-Ästhetik. Die Bilder sind finster und herbstlich (Kamera: Volker Tittel, Regie: Boris Kunz). München ist eine moderne Hochhaus-Stadt, die touristische Schauseite ist nur fern vom Dach des Gasteig zu sehen. Die echte Kripo dieser Stadt wird noch eine Weile brauchen, bis sie so divers besetzt ist wie ihr Fernseh-Gegenstück.
Finales Gemetzel im Gasteig
Das Münchner Rundfunkorchester spielt nicht nur im Krimi mit, es hat auch die 45-minütige Musik von David Reichelt eingespielt und auf CD herausgebracht. Die klingt allerdings bieder nach Neuer Klassik, was wenig zum finalen Gemetzel im Gasteig passt, das auch Sergio Leone nicht spannender inszeniert hätte.
Aus der Besetzungsliste erfährt man übrigens, dass die nicht im geringsten spanisch wirkende Musikerfamilie Castaneda heißt. Im Film wird das bairisch wie "Kasteneder" ausgesprochen. Ja, so integrationsbereit sind wir in Bayern.