AZ-Kritik zum Kiel-Tatort: „Borowski und das verlorene Mädchen“

Diese Julia (hervorragend: Mala Emde) streift in „Borowski und das verlorene Mädchen“ mit Nikab durch die Kieler Innenstadt, registriert durch den Sehschlitz die Irritation, die Ablehnung, den Hass, den sie bei den Menschen auslöst – und bringt ihnen grundsätzlich ähnliche Gefühle entgegen.
In den Blick der Kommissare Borowski (Axel Milberg) und Brandt (Sibel Kekilli) gerät sie, als sie die Vermutung meldet, dass ihr Bruder ihre Mitschülerin Maria getötet hat. Die wird Tags darauf tatsächlich tot in der Kieler Förde gefunden, doch um diesen Mordfall geht es eher nebenbei. Viel zentraler ist die Frage, ob Borowski und Brandt es schaffen, Julias fatalen Weg in eine pseudo-religiöse Parallelwelt aufzuhalten.
Hier hat dieser „Tatort“ seine Stärken: Eindringlich zeigt er, wie ein isoliertes, identitätssuchendes Mädchen, das den Boden unter den Füßen verloren hat, anfällig für geschickte Manipulatoren wird.
Es passiert einfach zu viel
So lange der „Tatort“ nah an dieser von realen Fällen inspirierten Figur bleibt, ist er sehr interessant. Doch um diesen inhaltlichen Kern herum passiert einfach zu viel. Der Mordfall wird quasi nebenher aufgelöst, und plötzlich kommt auch der Verfassungsschutz ins Spiel, das ist so entbehrlich wie aufgesetzt. Und die verschiedenen Stränge fügen sich nicht recht zusammen.
Bei diesem Film (Buch: Charlotte I. Pehlivani, Buchbearbeitung: Hannah und Raymond Ley, Regie: Raymond Ley) wäre also weniger deutlich mehr gewesen.