Angela Merkel: "Multikulti ist eine Lebenslüge"

Am Mittwochabend war Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu Gast bei Talkmasterin Anne Will. In einem Vier-Augen-Gespräch ging die Kanzlerin auf ihre Flüchtlingspolitik ein und reagierte auch auf die entsprechende Kritik der letzten Tage.
AZ/ms |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich bei Talkmasterin Anne Will über ihre Flüchtlingspolitik.
dpa 2 Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich bei Talkmasterin Anne Will über ihre Flüchtlingspolitik.
Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich bei Talkmasterin Anne Will über ihre Flüchtlingspolitik.
dpa 2 Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich bei Talkmasterin Anne Will über ihre Flüchtlingspolitik.

München/Berlin - Es kommt nicht oft vor, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Polit-Talk zu Gast ist, diese Aufgabe überlässt sie meist den Anderen. Aufgrund der wachsenden Kritik an ihrer Flüchtlingspolitik ging die Bundeskanzlerin jetzt aber in die Offensive und diskutierte mit Anne Will über die aktuelle Flüchtlingskrise in Deutschland. Das Besondere: Merkel war der einzige Gast in der Sendung - einen ähnlichen Solo-Auftritt gab es bereits im Jahr 2009. Dort war sie ebenfalls bei Anne Will zu Gast, jedoch ging es damals mehr um Finanz- und Steuerpolitik und nicht um Flüchtlinge. Der Name der damaligen Sendung: "Kanzlerin in der Krise", zumindest hier können Verbindungen zur Sendung am Mittwoch hergestellt werden.

"Das Erste" reagierte auf den hohen Besuch in der Talkshow, indem sie die aufgezeichnete Sendung eine Stunde früher, um 21:45 Uhr, ausstrahlten. Der Talk wurde zudem verkürzt, statt der üblichen 75 Minuten, diskutierten Will und Merkel lediglich eine Stunde lang.

Der Name der Sendung lautete diesmal: "Die Kanzlerin in der Flüchtlingskrise - Können wir es wirklich schaffen, Frau Merkel?" Damit wird indirekt auf eine Aussage der Kanzlerin eingegangen, die sie vor einigen Tagen machte. Angesprochen auf die Flüchtlingsmassen, die momentan nach Deutschland kommen und der daraus folgenden Problematik, antwortete Merkel klar und deutlich, kurz und knapp mit drei Worten. "Wir schaffen das!"

Lesen Sie hier: CSU rutscht in Umfragen auf 43 Prozent

Der Zeitpunkt für die Ausstrahlung der Sendung könnte nicht besser sein, denn schon am Mittwochmorgen gab es neuen Zündstoff. 34 CDU-Mitglieder forderten in einem direkten Brief an Merkel eine Abkehr von der aktuellen "Politik der offenen Grenzen". Der Widerstand gegen Merkels Flüchtlingspolitik wird also größer - jetzt auch aus der eigenen Partei.

Bei Will sollte Bundeskanzlerin Angela Merkel also ihre Flüchtlingspolitik, ihre Absichten und Ziele erläutern und auch Antworten geben - vor allem auf die Kritik der CDU-Mitglieder. Doch auch von der CSU gibt es viel Contra, allen voran vom bayerischen Ministerpräsidenten und Partei-Vorstand Horst Seehofer, dessen Bundesland bei weitem am meisten Flüchtlinge aufgenommen hat. Schon seit längerer Zeit kritisiert Seehofer Merkels Vorgehen in Sachen Flüchtlingspolitik - auch öffentlich in Talkshows. Erst am Dienstagabend sorgte er für Aufsehen, als er ankündigte oder vielmehr drohte, Bayern werde "Notwehr" leisten, solle sich nichts an der aktuellen Situation ändern.

Lesen Sie hier: Merkels Flüchtlingspoltik - 34 Kritiker aus der CDU

Doch es gibt nicht nur negative Reaktionen auf Merkels Vorgehensweise. So sagte der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler: "Angela Merkel hätte den Friedensnobelpreis verdient. Nächstenliebe ist keine Gefühlsduselei und kein Gutmenschentum, sondern eine Pflicht, denen zu helfen, die in Not sind."

Währenddessen erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch die Flüchtlingskrise zur "Chefsache", indem sie Kanzleramts-Chef Peter Altmaier (CDU) zum Gesamtkoordinator für Flüchtlingsangelegenheiten ernannte und damit indirekt Innenminister Thomas de Maizière (CDU) diese Aufgabe entzog.

 

Auszüge aus der Will-Sendung

 

"Wir schaffen das"

 

Gleich mit den ersten Worten gibt Merkel den Kurs vor: "Wir schaffen das, obwohl es eine besondere, außergewöhnliche Situation und eine riesige Herausforderung ist." Von Beginn an ist die Marschrichtung der Kanzlerin klar; die Flüchtlingskrise in Deutschland kann nur bewältigt werden, wenn Innen- und Außenpolitik zusammenarbeiten. "Wir müssen die Länder und Kommunen unterstützen, aber auch in Europa arbeiten. Wir müssen die Flüchtlingsursachen bekämpfen, es ist eine geteilte Aufgabe".

Die Situation in den Krisenländern selbst muss deutlich verbessert werden, um den massiven Flüchtlingszuzug einzudämmen. Wie das funktionieren soll? Merkel dazu: "Ich habe einen Plan, aber das hängt nicht von mir alleine ab." Für dieses Vorhaben benötigt sie viele "Verbündete" - vor allem müssen Gespräche mit der Türkei geführt werden.

 

"Deutschland ist ein starkes Land"

 

Merkel geht auch auf die Vergangenheit ein, um die Bewältigung der Flüchtlingskrise zu unterstreichen: "Deutschland ist ein starkes Land, Deutschland ist ein tolles Land. Wir haben schon viele Krisen überwunden, wie die Wirtschafts- oder Finanzkrise."

Auf Wills Frage, ob sie denn ihre Worte "Wir schaffen das!" zurücknehmen würde, wenn sie es könnte, antwortet Merkel: "Stellen Sie sich doch mal vor, wir würden alle sagen, wir schaffen es nicht. Und dann? Das geht doch nicht!" Die Kanzlerin ist von ihrer Vorgehensweise überzeugt.

 

"Einige drücken sich vor der Verantwortung"

 

Wie soll man also die "vielleicht schwierigste Aufgabe seit der Wiedervereinigung" in den Griff bekommen? Für Merkel ist es wichtig, die betreffenden Prozesse in Zukunft besser zu steuern - während des Gespräches plädiert sie oft für "mehr Ordnung". Auch hier verweist sie wieder auf die anderen europäischen Länder und die Herkunftsländer der Flüchtlinge, in denen Ordnung geschaffen werden soll. Zudem müssen in Deutschland entsprechende Strukturen verbessert werden: "Wir haben es nicht in der Hand, wie viele Flüchtlinge kommen, wir müssen Ordnung im Land schaffen."

Es muss also bei den Ursachen angesetzt werden - "Europa muss seiner Verantwortung gerecht werden". Auch später geht sie nochmal darauf ein, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den anderen EU-Staaten ist, denn "einige [Länder] drücken sich vor der Verantwortung."

 

"Ich arbeite so hart, wie es geht"

 

Dennoch ist sie durchaus zuversichtlich, was die Lösung der "Ausnahmesituation angeht": "Die Lösung dauert länger, als es sich vermutlich manche vorstellen oder wünschen, aber es wird zu einem geordneten Zustand kommen." Auf den Brandbrief der CDU-Kollegen angesprochen, weicht Bundeskanzlerin Angela Merkel etwas aus, sie sagt jedoch, dass darin "viele gute Vorschläge" vorkommen, "was wir oder ich tun müssen." Dennoch sagt sie auch, dass die Deutschen nicht mit der Situation überfordert sind, wie es beispielsweise Horst Seehofer gesagt hat.

Talkmasterin Will danach: "Brauchen wir einen Aufnahmestopp?", worauf Bundeskanzlerin Angela Merkel antwortet: "Wie soll das funktionieren? Das ist nicht möglich, wir haben Grenzkontrollen, aber den Aufnahmestopp gibt es nicht."

Als Merkel über den Einsatz der Bundesländer spricht, bedankt sie sich vor allem bei Bayern, dessen Ministerpräsident Horst Seehofer in letzter Zeit immer häufiger Kritik an Merkels Flüchtlingspolitik geübt hat ("Das hält auf Dauer keine Gesellschaft aus"). Nach einem kurzen Video mit Seehofer-Zitaten aus Polit-Talks fragt Will: "Wieso kommt Herr Seehofer mit seiner Abschottungs-Rhetorik momentan besser an als Sie mit den offenen Armen?" Darauf Merkel: "Ich versuche nichts zu versprechen, was ich morgen nicht halten kann, sonst wird die Enttäuschung am Ende noch größer sein. Jedoch arbeite ich mit aller Kraft daran diese Aufgabe zu lösen." Oft betont sie während der Sendung die Schwere der Aufgabe.

Merkels Antwort auf Wills Frage, ob sie die Kanzlerschaft für ihren Weg der aktuellen Flüchtlingsdebatte riskieren würde, ist durchaus ausweichend: "Ich arbeite so hart, wie es geht."

 

"Multikulti ist eine Lebenslüge"

 

Merkel plädiert vor allem an die Menschlichkeit und Freundlichkeit der Deutschen: "Der einzelne Mensch kann doch nichts dafür!" Jedoch bezieht sie andererseits auch klar Stellung: "Menschen, die nur aus finanziellen Gründen kommen, müssen wir klar sagen, dass sie wieder nach Hause gehen müssen. [...] Nicht alle haben ein Bleiberecht hier, sondern nur die, die auch Schutz benötigen - und denen müssen wir ein freundliches Gesicht zeigen." Hierbei geht sie vor allem auf die Bilder vom Münchner Hauptbahnhof ein, die "um die Welt gegangen sind". Weiter sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Ich möchte nicht in einen Wettbewerb gehen; wer behandelt die Menschen am unfreundlichsten."

Auf den Friedensnobelpreis angesprochen reagiert Merkel leicht gereizt: "Diese Diskussion bedrückt mich. Ich bin mit Hochdruck an anderen Dingen beschäftigt."

Will fragt Merkel, was Deutschland nun also für ein Land wird, "etwa ein Multikulti-Land, welches Sie nie wollten?" Merkel erwartet von den Flüchtlingen, dass sie sich integrieren; das macht sie auch klar deutlich - Multikulti hat für sie keinen Platz: "Multikulti ist eine Lebenslüge. Das heißt für mich, jeder kann tun und lassen, was er will." Für Merkel ist es wichtig, dass sich auch die Flüchtlinge in Deutschland an die geltenden Regeln und Gesetze halten. Der Multikulti-Begriff nach ihrem Verständnis kann in Deutschland also nicht aktzeptiert werden oder bestehen.

 

"Ich brauche ihn dringender denn je"

 

Daraufhin wird ein Video von Innenminister Thomas de Maizière gezeigt, der sich in einem Interview negativ darüber äußert, wie sich einige Flüchtlinge in Deutschland benehmen. Weiter geht Will nun darauf ein, dass Peter Altmaier der neue Flüchtlings-Koordinator ist: "Haben sie Thomas de Maizière entmachtet?" - "Natürlich nicht, der Innenminister ist mit genügend anderen Dingen beschäftigt. Das Kanzleramt hat auch eine koordinierende Funktion." Von einer Entmachtung des Innenministers will Bundeskanzlerin Angela Merkel nichts wissen: "Ich brauche ihn dringender denn je!"

Durch ihren TV-Auftritt bezieht die Bundeskanzlerin klar Stellung in der aktuellen Flüchtlingsdebatte und unterstreicht ihre vorherigen Aussagen. Sie ist überzeugt davon, die Flüchtlingskrise zu bewältigen, jedoch sei das nur dann möglich, wenn sowohl In-, als auch Ausland zusammenarbeiten und die Ursachen in den Herkunftsländern angegangen werden. Jedoch macht sie auch klar, dass diese Aufgabe nicht leicht werden wird und noch einige Zeit andauert.

Merkels Schlusswort auf Wills Frage, wie viel am Ende vom "Wir" des "Wir schaffen das!" übrigbleibt: "Zu dem "Wir" gehören jetzt schon ganz viele Leute. Und am Ende werden noch ein wenig mehr zu diesem "Wir" dazugehören."

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.