Am Mittwoch im BR: Gernstl und die "665 Freunde"

Ach ja: Auf den Bildern, die die Menschen auf Facebook von sich zeigen, sieht immer alles so bunt, so gut, so fröhlich, so einfach aus. Und man selbst liegt Sonntagmorgen verkatert im Bett und könnte der digitalen Gemeinde gerade kein so vorteilhaftes Bild von sich liefern.
Das ist die Ausgangslage von Jonas Gernstls unterhaltsamer Sozial-Studie "665 Freunde". "Mit 20 habe ich mir den 30-jährigen Jonas irgendwie anders vorgestellt", sagt der junge Filmemacher. "Als Familienvater, reich oder erfolgreich oder zumindest mit irgendeinem Plan."
Immerhin: Er nutzt diese vorgezogene Midlife-Crisis, schnappt sich - ganz wie seit vielen Jahren sein Vater Franz Xaver Gernstl - eine Kamera und besucht einige dieser alten Schulfreunde und früheren Kollegen, bei denen das Leben so einfach und vom Glück durchwirkt aussieht.
Annie zum Beispiel, die ihren Fernsehjob an den Nagel gehängt hat, um einen Laden für Vintage-Möbel aufzumachen. Oder den alten Schulfreund, der damals eher schüchtern war, inzwischen aber Clubs und ein Restaurant in München betreibt. Oder die beiden Köche, mit denen Gernstl ein Jahr lang durch Asien gereist ist, um die Küche dort zu erkunden. Die haben sich dann in Berlin erfolgreich mit einem Catering-Service selbstständig gemacht, bis sie sich trennten.
Alle Menschen, die Gernstl trifft, sind offenbar mit ihrem Leben oder mit dem Kurs im Leben zufrieden. Sie haben Sicherheiten gegen Freiheit eingetauscht, als sie dem Ruf des Herzens gefolgt sind. Das Glück kann in einem anderen Beruf liegen oder im Kinderkriegen.
"665 Freunde": Nebenbei ein schöner, persönlicher München-Film
Heute hat man alle Möglichkeiten, es gibt unzählige Wege, sein Leben zu gestalten. Seine Eltern hätten es wahrscheinlich leichter gehabt, sinniert Gernstl: weniger Möglichkeiten, mehr echte Probleme.
Jonas Gernstl versucht gar nicht, die Schule seines Vaters Franz Xaver (der auch einer der Befragten im Film ist), des großen bayerischen Befragers, zu leugnen. Vielmehr setzt er sein Werk mit dem familieneigenen Charme für die nächste Generation fort. Während der Senior im VW-Bus durch die Welt fuhr, um Menschen nach dem Glück zu befragen, findet Jonas Gernstl seine Kontakte im Kosmos Internet.
Ganz anders als die Gute-Laune-Bilder bei Facebook verströmt "665 Freunde" eine wunderbare Melancholie. Fast nebenbei ist Jonas Gernstl ein schöner, persönlicher Film über das Leben in München gelungen.
Die Botschaft am Ende ist klassisch: Mach dein Ding! Wenn dich dein Leben nicht mehr glücklich macht, ändere es!
So sehen Sie "665 Freunde"
"665 Freunde"
BR
Mittwoch, 15. November, 22.45 Uhr