Alle Energie dem Erhalt der Dynastie

Wer wird die Festspiele in Bayreuth leiten? Im ZDF-Film „Der Clan“ geht’s – intrigenreich – um das Erbe Richard Wagners auf dem Grünen Hügel
Christa Sigg |
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Die musikalische Isolde (Petra Schmidt-Schaller) und Bruderherz Siegfried (Lars Eidinger).
2 Die musikalische Isolde (Petra Schmidt-Schaller) und Bruderherz Siegfried (Lars Eidinger).
Am Ende erscheint der längst verstorbene Richard Wagner (Justus von Dohnányi) seiner Gattin Cosima (Iris Berben).
2 Am Ende erscheint der längst verstorbene Richard Wagner (Justus von Dohnányi) seiner Gattin Cosima (Iris Berben).

Alles wiederholt sich in dieser Familie. Dauernd. Und dass Eva-Wagner-Pasquier ihren Rückzug aus der Festspielleitung gerade jetzt ankündigt, könnte glatt als PR-Gag zum Sonntagabend-Dynastie-Kracher „Der Clan“ durchgehen. Rechtzeitig also wird im ZDF ganz groß gewagnert, in Top-Besetzung von Iris Berben bis Heino Ferch. „Eventfilm“ nennt sich dieser zwei Stunden lange Bayreuther Intrigantenstadl um die Nachfolge in der Festspielleitung oder besser: um das Erbe des Meisters.

Die „frei erzählte Geschichte nach wahren Begebenheiten“ ist schnell umrissen. Richard Wagner (Justus von Dohnányi) hat soeben das Zeitliche gesegnet – nach dem Liebesspiel mit einer Sängerin, wie man später erfährt. Witwe Cosima (Iris Berben) klammert panisch am Leichnam, um die drei Kinder noch am selben Tag auf ihre künftige Aufgabe einzuschwören: „Euer Leben gehört Richard Wagner!“ Und also entspinnt sich ein böses Ränkespiel zwischen den Nachkommen, das – con variazioni – bis heute andauert, im Film allerdings damit endet, dass Adolf Hitler an Wahnfrieds Tür pocht, während Winifred (Katharina Haudum), den Wagner-Enkeln den „rechten“ Gruß beibringt.

Jede Menge Sex und Gestöhne

Bis dahin wird eine Menge theatralisch hochgegeigt. Das Intendanz-Gerangel unter Wagners Kindern ist halt so gar kein Thema für die beste Sendezeit. Doch der Hügel herrlich ungerecht: Da wäre mit der rebellischen, hochbegabten Isolde (fabelhaft: Petra Schmidt-Schaller) schon die Richtige. Denn Siegfried (Lars Eidinger) ist zwar der Stammhalter, aber ein wenig musikalischer, mehr am Malen interessierter Träumer, dessen Homosexualität in schillernden Bildern ausgebreitet wird. So, als würde da ein bislang nur diskreten Eingeweihten vage bekanntes Tabu gebrochen. Und weil heute selbst im Öffentlich-Rechtlichen nix ohne Beischlaf, knackige Hintern und ausgiebiges Stöhnen geht, wird auch der arme Siegfried beim Sex mit dem hübschen Dorian überrascht.

Immerhin: Mutter Cosima hat „nichts“ gesehen. Wie sie irgnoriert, dass Familienfreund und Ränkeschmied Houston Chamberlain (Heino Ferch), seines Zeichens britischer Rassentheoretiker, nach dem Thron schielt und alles tut, um die Wagners zu spalten. Dass er zwischendurch mal unter Cosimas Rock kriecht, lässt diese für Bruchteile von Sekunden die Contenance verlieren – die Hohe Frau, ein Mensch, wie alle??

Tolle Bilder, grandiose Kostüme

Die Berben schlägt sich mit cooler Eleganz durch den Streifen, den Sohn Oliver produziert hat. Und wäre die wahre Cosima so schön gewesen, wer weiß, ob es die Tochter Franz Liszts je an der Seite Wagners gehalten hätte.

Im Film altert sie geradezu virtuos, was die Maske betrifft. Überhaupt wird an tollen Bildern nicht gespart, grandios sind die Kostüme, adäquat das Mobiliar. Aber sonst? Frech und ohne Heldenkult wollten sich Autor Kai Hafemeister und die „Tatort“-erfahrene Regisseurin Christiane Balthasar an den Clan machen. Bloß keine Sentimentalitäten. Sieht man von der morphiumsüchtigen verstoßenen Isolde ab, die Wagner-Geleier am Grammophon hört und dazu mit dem kleinen Sohn Nibelungen-Szenen nachstellt, während sie längst vom dirigierenden Gemahl Beidler (Felix Klare) betrogen wird, könnten man diesen Plan als „gelungen“ bezeichnen. Tatsächlich ist das aber die einzige eindringliche Szene in einer ziemlich kümmerlich geratenen Handlung.

Man hat Mühe, dran zu bleiben. Als Wagnerianer mehr noch, denn als Wagner-Hasser. Und der zuschauende Rest wird nicht wirklich unterhalten. Da helfen weder wacklende Popos, noch krachende Lotterbetten.

Eine Sache gerät dafür subtil und erstaunlich unaufgeregt: zu zeigen, wie Rassismus und Antisemitismus einfach so am Kaffeetisch saßen. Die Clan-Story wird damit aber nicht besser.

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