Aiwanger bei Maischberger über Bauernproteste: "Ganz andere Gestalten unterwegs"

Am Dienstagabend traf Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bei Maischberger auf Grünen-Chef Omid Nouripour. Obwohl die Stimmung aufgrund der Bauernproteste angespannt war, blieb eine größere Eskalation aus. Die Moderatorin lobte Aiwanger sogar und bereute es gleich darauf.
von  Viktoria Hausmann
Hubert Aiwanger (Freie Wähler) zu Gast bei Sandra Maischberger.
Hubert Aiwanger (Freie Wähler) zu Gast bei Sandra Maischberger. © @Screenshot ARD

Zwei Monate nach seiner heftigen Konfrontation mit Grünen-Chefin Ricarda Lang vor laufender Kamera, war Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ein weiteres Mal bei Sandra Maischberger zu Gast. In der Diskussion traf Aiwanger diesmal auf Omid Nouripour – die andere Hälfte der Grünen Doppelspitze. Bei den Themen Bauernproteste, Neuwahlen und Bürgergeld nahmen beide kein Blatt vor den Mund. Die ganz große Eskalation blieb jedoch aus. Weitere Gäste waren Pinar Atalay (RTL), Sergej Lochthofen (Journalist und Publizist), Kerstin Palzer (Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio) und Sigmar Gabriel (SPD).

Der stellvertretende bayerische Ministerpräsident Hubert Aiwanger ist selbst Landwirt aus Tradition. Steht in der aktuellen Debatte fest an der Seite der Bauern und positioniert sich wie immer klar gegen die Ampel. Sein Kontrahent Omid Nouripour (Bündnis 90/ die Grünen) steht dagegen klar hinter dem Vize-Kanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der vor wenigen Tagen von demonstrierenden Landwirten am Verlassen einer Fähre gehindert wurde. 

Nouripour sucht die Schuld bei der Groko – Aiwanger widerspricht

Trotzdem ist Nouripour anfangs sehr zurückhaltend. Er versucht die Mehrheit der Bauern nicht mit den Demonstranten in Schlüttsiel in einen Topf zu werfen und schiebt das Höfesterben auf die Vorgängerregierung. "Wir haben sehr magere Jahre gehabt und nach 16 Jahren mit fünf CDU/CSU-Landwirtschaftsministern sind halt 140.000 Höfe weg." Dass sich bei den Bauern da sehr viel Wut aufgestaut habe, sei verständlich. Er sei dankbar für alle, die friedlich demonstrieren. Der große Rückgang sei die letzten 16 Jahre gewesen, während die Bauern in den letzten zwei Jahren Gewinne machen konnten, begründet der Grünen-Vorsitzende. Das kann Aiwanger natürlich nicht so stehen lassen. Die Politik gegen die Bauern käme eindeutig von Links: "Rote und Grüne wollen die Bauern weg haben. Das ist ein Thema des Neides. Der hat den großen Traktor und der hat letztes Jahr was verdient." Was da übersehen worden sei, dass da die ganze Familie mit anpacken müsse und "da auch der Opa seine Rente reinsteckt".

Kurz darauf dreht sich alles um den Vorfall in Schlüttsiel, bei dem mehrere Landwirte angeblich versucht haben, eine Fähre, auf der sich Robert Habeck befand, zu stürmen. Die Polizei ermittelt wegen Landfriedensbruchs. "Halten Sie solche Aktionen für legitim?", fragt die Moderatorin den Chef der Freien Wähler. Aiwanger antwortet zunächst ruhig: "Zunächst mal kann ich nicht aus tausend Kilometer Entfernung sagen, was da passiert ist." Wenn die Polizei sagt, es sei friedlich gewesen, würde er das glauben und die Situation erst bewerten, wenn sie aufgeklärt sei, betont Aiwanger. Omid Nouripour erwähnt den Polizeibericht. "Einen Vizekanzler kann man schon als Staatsorgan sehen", antwortet er scharf. Man kann es auch lassen und sich an den Berichten von vielen Kindern orientieren, die Angst hatten und nicht nach Hause konnten, ergänzt er. Das Publikum klatscht kurz. Nouripour behauptet außerdem, als Erster aufzustehen, wenn jemand eine Tomate auf Aiwanger werfen würde.

"Das ist jetzt aber Misstrauen gegenüber der Polizei": Nouripour kritisiert Aiwangers Quelle

Aiwanger hält dagegen. Er habe eine 17-minütiges Video von einem jungen Landwirt gesehen, der bei der Fähre war und das Geschehen aus Sicht der Demonstranten dokumentiert habe. Der Jungbauer behauptet, dass die Aktion friedlich war und die Leute erst auf das Schiff zuliefen, als es wieder abgelegt hatte. "Das ist jetzt aber Misstrauen gegenüber der Polizei", wirft Nouripour ein. "Jetzt wart mal", sagt Aiwanger deutlich ruhiger als sonst. Habecks Video nach dem Vorfall wird eingeblendet. Nouripour redet von Extremisten, die die Proteste kapern wollten. "Das seien Leute, die haben Umsturzfantasien", beendet der Grünen Vorsitzende seine Rede. Aiwanger widerspricht, die Bauern seien an Stabilität interessiert, würden aber demonstrieren, wenn ihre Existenz gefährdet sei: "Wundert mich, dass die Grünen da mit der Lupe hinschauen." Bei vielen grünen Demos seinen auch Extremisten und "ganz andere Gestalten unterwegs. Da habt ihr nicht so laut geschrien."

Waren sich in vielen Dingen uneinig: Hubert Aiwanger (l.) und Omid Nouripour (r.)
Waren sich in vielen Dingen uneinig: Hubert Aiwanger (l.) und Omid Nouripour (r.) © @Screenshot ARD

"Wo wäre dann die Grenze für Sie erreicht?", fragt Maischberger den Stellvertreter von Markus Söder und erwähnt die Galgen mit der Ampel an manchen Traktoren: "Sowas finde ich geschmacklos", antwortet Aiwanger sofort: "Ich rate jedem davon ab. Aber wegen eines Galgens ist nicht der gesamte Bauernzug extremistisch. Da gab es viele andere Demos, wo Leute extremistischer waren. Da habt ihr nicht so genau hingeschaut", fügt er erneut mit einem Seitenblick auf Nouripour hinzu. "Herr Nouripour, war es übertrieben von Habeck von Umsturzfantasien zu sprechen?" "Er hat völlig recht", antwortet der Grünen Politiker behauptet aber, dass Habeck nicht von den Bauern sprechen würde, sondern von Rechtsextremen.

Sandra Maischberger lobt Aiwanger für gemäßigten Ton

"Ich finde es gut, dass ihr hier miteinander so pfleglich umgeht. Sie haben auch eine ganz andere Wortwahl in den letzten Tagen gehabt, Herr Aiwanger", lobt Maischberger und erwähnt Aiwangers Angewohnheit  "gerne mal von Taugenichtsen zu reden" und fragt ihn: "Wäre es in der aktuellen Diskussion nicht besser kein Öl ins Feuer zu gießen?" "Das Öl hat die Ampel ins Feuer gegossen mit Agrardiesel und Co", erwidert Aiwanger. "Hätten die Bauern sich nicht zu Wort gemeldet, wer weiß was euch noch eingefallen wäre," schließt er seinen Punkt ab, als die Moderatorin sich laut räuspert. "Die Bauern sind jetzt die Opfer", wirft der Freien Wähler-Chef ein, als Nouripour mit ihr über die FDP redet. Kurz darauf geht er die FDP und die Grünen hart an: "Bei den Bauern wart ihr euch einig, weil die paar Bauern euch nicht mehr wählen, aber beim Bürgergeld seid ihr euch nicht einig, weil da die Grünen betroffen wären." Nouripour und Maischberger wirken kurz leicht irritiert.

"Jeder hat nur zu verlieren": Aiwanger glaubt nicht an Neuwahlen

Von Maischberger auf Neuwahlen angesprochen, spricht sich Aiwanger klar dagegen aus: "Ich bin nicht dagegen, wenn es Neuwahlen gäbe, aber ich fordere es jetzt nicht aktiv, weil ich nicht dran glaube", so der stellvertretende bayerische Ministerpräsident. Er rechne fest damit, dass die Ampel bis zum Ende der Legislaturperiode "weiterwursteln" werde, denn "jeder hat nur zu verlieren". Nouripour erwidert: "Es ist schon abgefahren. Wenn es um die Ampel geht, werden alle drei Parteien in einen Sack gesteckt." Wenn es um die Union gehe, die mitentschieden habe, dass die grüne Plakette wegkommt, würde er nichts sagen. "Entscheiden Sie sich immer nach Parteifarben?", fragt er über das klatschende Publikum hinweg. Aiwanger widerspricht. Doch da ist die Diskussion schon vorbei.

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